Reli to go 14: Es begab sich aber zu der Zeit… – Wie war das eigentlich damals in Bethlehem?

reli to go 14

Zu den bekanntesten Überlieferungen der Bibel zählt die Geschichte von der Geburt Jesu. Alle Jahre wieder wird sie im Weihnachtsoratorium besungen, in Gottesdiensten vorgelesen, in Krippenspielen dargestellt. Und wenn die Hirten und die drei Könige vor der Krippe nebeneinander knien, hinter ihnen der Verkündigungsengel, über ihnen der Stern, dann kann endlich Weihnachten werden.

Doch wie war das eigentlich damals „wirklich“? Das Neue Testament erzählt ganz Unterschiedliches von der Geburt Jesu. Und je nachdem, ob man die Weihnachtsgeschichte bei Lukas oder die bei Matthäus liest, bekommt man ein ganz anderes Bild davon, wie es damals in Bethlehem gewesen sein soll. Der Evangelist Lukas beginnt mit den berühmt gewordenen Worten „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging…“ (Lk 2,1) und erzählt dann von dem Weg nach Bethlehem, wohin Maria und Josef wegen einer Volkszählung unterwegs sind. Dort kommt Jesus in einem Stall zur Welt und muss seine erste Nacht in einer Futterkrippe verbringen. Es ist kein Zufall, dass bei Lukas ausgerechnet Hirten, also Menschen am unteren Ende der sozialen Schichten, die frohe Kunde zuteilwird: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“ (Lk 2,11) Lukas betont damit: Dieses Heilsereignis betrifft alle Menschen, auch die am Rand der Gesellschaft.

Bei Matthäus ist das ganz anders (Mt 2): Von einer Geburt im Stall weiß er nichts; hier ist vielmehr vorausgesetzt, dass Jesu Familie ihren Wohnsitz in Bethlehem hat. Bei Matthäus kommen auch keine Hirten vor, dafür findet sich hier die Grundlage für die berühmt gewordene Geschichte der heiligen drei Könige Kasper, Melchior und Balthasar – wobei man der Richtigkeit halber sagen muss, dass Matthäus nur von „Weisen“ spricht und weder ihre Anzahl noch ihre Namen nennt (Mt 2,1–12). Wie Lukas, so verbindet auch Matthäus mit seiner Version der Weihnachtsgeschichte eine wichtige Botschaft: Weil es sich bei den drei weisen Sterndeutern um Nichtjuden handelt, zeigt Matthäus bereits seit der Geburt Jesu: Bei diesem Heiland sind alle Menschen willkommen, egal welchen Glauben sie haben.

Die Tatsache, dass beide Evangelisten so unterschiedliche Dinge von der Geburt Jesu erzählen, legt die Vermutung nahe, dass dahinter weniger historische Berichte stecken als dass hier vielmehr theologische Interessen leitend sind. So ist man sich heute einig: „Jesus von Nazareth“ stammt aus Nazareth. Betlehem als Geburtsort wurde erst wichtig, als es um den Beweis der Messianität Jesu ging. Schon das Alte Testament wusste: Der Messias, der große Nachkomme des Königs David, muss in Betlehem geboren werden. So heißt es bei dem Propheten Micha (5,1): „Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei.“ Deshalb erzählte man auch von Jesu Geburt in Betlehem. Historisch ist das nicht. Wann, wo und wie Jesus geboren wurde, wissen wir nicht. Wichtig wurde diese Geschichte ja auch erst, als er schon längst erwachsen war – ja im Grunde erst, als er gestorben und auferstanden war.

Dazu passt, dass wir auch gar nicht genau wissen, in welchem Jahr Jesus geboren wurde. Das Problem ist: Die zeitlichen Angaben, die die Evangelisten zur Geburt Jesu machen, lassen sich nicht miteinander in Einklang bringen. Lk 2,1 berichtet Folgendes: Zur Zeit der Geburt Jesu habe der Kaiser Augustus (37 v. Chr. – 14 n. Chr.) regiert und Quirinius seit Statthalter in Syrien gewesen. Letzterer trat sein Amt allerdings erst 6/7 n. Chr. an. Wenn diese Datierung zutreffen würde, wäre Jesus erst einige Jahre nach dem Jahr 0 geboren. Mt 2,1 hingegen verlagert Jesu Ge-burt in die Regierungszeit Herodes des Großen, der allerdings bereits 4. v. Chr. starb. Die reichsweite Steuerschätzung (Lk) sowie die besondere Sternenkonstellation (Mt) lassen sich noch weniger zeitlich einordnen. Fakt ist also: Wir wissen nicht, wann Jesus genau geboren wurde. „Um das Jahr Null“ dürfte als grobe Angabe aber zutreffend sein.

Noch weniger Sicherheit herrscht bezüglich des genauen Tages. Dass Weihnachten am 25. Dezember begangen wird, hat keinen historischen Anhaltspunkt. Erst im 4. Jahrhundert legte man diesen Tag als „Geburtstag“ fest; vermutlich deshalb, weil an diesem Tag der heidnische „Sol-Feiertag“ lag, den man nun christlich überformen wollte.

Fasst man die Erkenntnisse der historischen Forschung zusammen, so sind sie zugegebenermaßen etwas ernüchternd: Wann Jesus geboren wurde, wissen wir nicht. Sicher ist nur, dass er nicht in Bethlehem zur Welt kam. Was aber bleibt dann von Weihnachten? Hier gilt für mich: Bedeutsam ist nicht, wann, wo oder wie Jesus geboren wurde, sondern das Wunder schlechthin ist, dass er geboren wurde. Die Vorstellung, dass sich Gott dazu entschließt, in einem Kind zur Welt zu kommen, das ist das eigentliche Wunder. Und dass er nicht ein König für Könige wird, sondern zu allen Menschen kommt. Mögen Hirten und Könige nie einträchtig vor der Krippe gekniet haben – die Botschaft hinter diesem Bild ist es, die Weihnachten für mich ausmacht. Kann es etwas Größeres und Unglaublicheres geben als das Bekenntnis dazu, dass Gott Mensch wurde? Und das feiern wir an Weihnachten. Und zwar mit allem, was an Tradition dazu gehört. Denn um es mit Martin Luther zu sagen: „Wir fassen keinen anderen Gott als den, der in jenem Menschen ist, der vom Himmel kam. Ich fange bei der Krippe an.“

Michaela Veit-Engelmann

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