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Bild: Rainer Sturm / pixelio.de

Hartmut R. Berlinicke: Juckpulver

Vom 01.04.2000 bis 30.06.2000

Hartmut R. Berlinicke ist 1942 in Berlin geboren.
Berufe hat er mehrere gelernt: Er ist Einzelhandelskaufmann, Diakon, Dipl. Religionspädagoge, er studierte Kunstgeschichte (Magister) und er ist Galerist und Künstler mit einer ausgesprochenen Vorliebe für die Druckgraphik.
Berlinicke kann in seinem Lebensweg auf weit über 130 Einzelausstellungen zurückblicken, und er erhielt vielfach Preise (1974 die Goldmedaille – den 1. Preis für Graphik beim Concorso Internazionale belle arti in Triest, 1974 die Ehrenmedaille der 3. Internationalen Graphikbien-nale in Frechen, 1980 den Eward of Merit der 4. Interna-tionalen Print Biennale in Miami, 1985 den Menciores Honorificas Especiales der III. Muestra da Grabado Macimo in Ferrol.

Vielfältig wie die Preise ist bei durchaus gleichbleibender Erkennbarkeit des Stils die Vielfalt seiner Arbeiten. Sie reichen von darge-stellter Architektur über Bild/Textcollagen im Objektstil hin zu Zyklen über Judenverfolgung, über Auschwitz, ja bis hin zu zeitkritischer Dia-gnostik in seiner Druckgraphik, ja bis zur Gestaltung von Retabeln, Glasfenstern und Paramenten.

Unüblich ist, dass er den Zwängen modischer "Ismen" zu entgehen weiß, sich dem Novitätszug des gängigen Kunstmarktes entzieht und dem allen die einmal gefundenen Linie in Inhalt und Form entgegenzustellen weiß. Stilistisch ist er so einer von "gestern", der sich gern und lustvoll den Mühen der Drucktechnik unterzieht: "da werden die Tiefdrucktechniken der Strichätzung
und der flächenschaffenden Aquatinta mit der Hochdrucktechnik des Prägedrucks kombiniert"(1), da wird mit gestanzten oder gebrannten Löchern gearbeitet, da wird Marmor geätzt, da wird gerauht und poliert. Und da wird fast immer die gegenständliche Welt ins Bild gesetzt, ironisch oft oder in stiller Klage, realistisch oder symbolisch.

"Dabei sind seine Blätter durchaus nicht bloße Abschilderung, bei allem sinnlichen Reiz nicht nur bloße Oberflächenwiedergabe. Sie sind alles andere als naiv, sondern im Gegenteil häufig äußerst kompliziert und gegenläufig konstruiert."(2) Sie sind Spiel und Infragestellung zugleich, technisch perfekt, oft vielleicht zu schön, aber da täuscht in der Regel der erste Augenschein. Thematisch bleibt er in vielen Arbeiten dem verbunden, was er durch die Vielzahl der Berufe hindurch eigentlich auch immer war: ein Lehrer in Religion, dessen Arbeiten nicht von ungefähr in christlichen Zeitungen und auf Religionsbüchern zu finden sind.

Gebrauchsgraphik vor dem persönlichen Hintergrund ist ihm ein besonderes Anliegen gewesen und die Reihe der Drucke zu christlichen und jüdischen Festen zeugte davon. So hat Hartmut R. Berlinicke die Wechsel religionspädagogischer Konzeptionen
in den letzten 50 Jahren nicht nur bewusst erlebt, sondern bildnerisch begleitet, ein nicht unwesentlicher Grund, zum 50jährigen Bestehen des Religionspädagogischen Institutes in Loccum einen Überblick seiner Arbeiten sowohl in der Evangelischen Akademie wie im Religionspädagogischen Institut zu zeigen.

1. Peter Junk, Kleine Vorrede zu diesen Bildern, in: Hartmut R. Berlinicke, Annäherung, Bilder zum Judentum, Bramsche 1990, S. 9
2. a.a.O. ebenda

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