Reli to go 8: „Ich bin, der ich bin!“ – Wieso braucht ein Gott einen Namen?

Der Gott Israels, der Vater Jesu und also der Gott, zu dem wir als Christ*innen beten, hat einen Namen. Gott heißt JHWH, so verrät es das Alte Testament. Vielleicht verwundert das moderne Leser*innen, denn im Grunde kann man diese Ansammlung von vier Konsonanten nur mühsam aussprechen.

 

Dazu muss man wissen: Beim Hebräischen handelt es sich um eine sogenannte Konsonantenschrift. Geschrieben wurden und werden also nur die Konsonanten, nicht jedoch die Vokale dazwischen, die man braucht, um diese Buchstaben auszusprechen. Die Wissenschaft vermutet heute, dass die vier Buchstaben JHWH in etwa „Jahwe“ lauten. Allerdings ist es wichtig zu beachten: Menschen jüdischen Glaubens sprechen aus Respekt vor Gott den Gottesnamen niemals aus; deshalb sollten das auch wir als Christ*innen aus Respekt vor unseren Glaubensgeschwistern nicht tun. (Übriges haben jüdische Gelehrte selbst dafür gesorgt, dass nicht jemand aus Versehen oder unbefugt den Gottesnamen ausspricht. Als nämlich der hebräische Bibeltext nachträglich mit Vokalen versehen wurde – der Fachbegriff hierfür lautet „Punktieren“ – , hat man beim Gottesnamen JHWH absichtlich die falschen Vokale ergänzt, so dass dort nicht JaHWeH steht, sondern JeHoWaH [oder Jehova]).

 

Doch wieso braucht Gott überhaupt einen Namen? Wenn es, wie es die biblische Überlieferung betont, nur einen Gott gibt, hätte doch die Bezeichnung „Gott“ ausgereicht. Der Gottesname JHWH stammt aus einer Zeit, als man noch nicht an nur einen einzigen Gott glaubte, sondern selbstverständlich davon ausging, dass es mehrere Götter gibt. Und dass unser Gott nun ausgerechnet JHWH heißt, verrät viel über ihn bzw. über seine „Herkunft“. Denn bei diesen vier Konsonanten J, H, W und H handelt es sich um einen sogenannten Satznamen, der auf Deutsch etwa heißen würde „Er lässt es wehen / Er lässt es fallen“ Gemeint sind damit vermutlich Wetterphänomene wie Stürme oder Blitze. Der Gott JHWH war also ursprünglich so etwas wie ein Wettergott. Wenn man die Bibel ganz genau liest, so merkt man an der einen oder anderen Stelle noch, dass sie die Erinnerung daran bewahrt hat, dass Gottes Auftreten immer irgendetwas mit dem Wetter zu tun hatte: „HERR, als du auszogst von Seïr, als du einhergingst vom Gefilde Edoms, da erzitterte die Erde, auch der Himmel troff, auch die Wolken troffen von Wasser. Die Berge erbebten vor dem HERRN – das ist der Sinai – , vor dem HERRN, dem Gott Israels.“ (Ri 5,4–5) Zum obersten Gott aller Götter und schließlich zum einzigen Gott wurde JHWH erst im Laufe der Geschichte Israels. Und im Grunde ist es in einer wasser- und regenarmen Gegend wie dem Vorderen Orient naheliegend, dass gerade die Gottheit so eine besondere Rolle spielt, die für den lebenspendenden Regen zuständig ist.

 

Gott heißt also deshalb JHWH, weil er ursprünglich fürs Wetter zuständig war.

 

Doch im Laufe der Überlieferung der Geschichten, die das Volk Israel mit diesem Gott erlebte, veränderte sich die Deutung dieses Namens. Und diese Veränderung hat sich bereits im Alten Testament niedergeschlagen. So erzählt das 2. Buch Mose: Als Gott Mose beauftragt, sein Volk aus der ägyptischen Sklaverei zu befreien und in das Gelobte Land zu führen, fragt Mose Gott nach seinem Namen: „Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt!, und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen?“ (Ex 3,11). Und Gott antwortet etwas verklausuliert: „Ich bin, der ich bin!“ oder auch „Ich werde sein, der ich sein werde!“ (Ex 3,14). Gott verrät Mose also seinen Namen und gibt damit nach altorientalischer Vorstellung auch etwas über sein Wesen preis. „Ich bin, der ich bin!“, das meint so viel wie: Gott ist unveränderlich und ewig.

 

Diese Deutung des Gottesnamens JHWH hat sich weit von der Herleitung von Wetterphänomenen entfernt. Tatsächlich liegt hier eine sehr viel spätere Reflexion des Gottesnamens vor – und die Autoren machen sich dabei zunutze, dass das Wort für „wehen/fallen“ (hwh) und das Verb „sein“ (hjh) im Hebräischen tatsächlich ganz ähnlich klingen.

 

Die griechische Übersetzung des Alten Testaments aus dem 3. Jahrhundert vor Christus, die sogenannte Septuaginta, geht sogar noch weiter. Sie übersetzt den hebräischen Satz hier nicht wörtlich, sondern lässt Gott auf Moses Frage hin sagen „Ich bin der Seiende“. Eine fast schon philosophisch zu nennende Wesensbestimmung Gottes.

 

So wird aus dem Wettergott namens JHWH der einzige und ewige Gott der ganzen Welt, der als Ewiger die Geschicke aller seiner Geschöpfe in den Händen hält. JHWH heißt er natürlich weiterhin – auch wenn Jesus selbst ihn dann „Vater“ nennt.

 

Michaela Veit-Engelmann

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