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Hermeneutik heiliger Schriften – Filmtipps aus der Medienarbeit im Haus kirchlicher Dienst

Von Anja Klinkott

„Das steht aber so in der Bibel“ – diese Aussage mag zutreffen. Trotzdem wird eine Deutung der Textstelle ohne Bezug auf historische, kulturelle, theologische und sprachliche Zusammenhänge nicht gelingen. Schon Götterbote Hermes soll in der Antike göttliche Botschaften für die Menschen verständlich gemacht und ihren (eigentlichen) Kontext übermittelt haben. Er gab der Hermeneutik ihren Namen.

Der jüdischer Tradition zufolge hat die Tora für jede Textstelle mindestens 70 verschiedene Auslegungsmöglichkeiten. Auch der Koran lässt sich nicht wie eine Betriebsanleitung für das Leben wörtlich nehmen. Hermeneutik, auch als „Wissenschaft des Verstehens“ bezeichnet, verlangt den Lesenden einiges ab. Im Folgenden sind Filme zu heiligen Schriften zu finden, die verstehen helfen. Alle Medien eignen sich für den Religions- und Ethikunterricht.

 

Das neue Evangelium
Milo Rau
Deutschland/Schweiz/Italien 2020
Spielfilm/Dokumentation 107 Min.
FSK 12, empfohlen ab 16 Jahren

Theaterregisseur Milo Rau lässt sein „Neues Evangelium“ im italienischen Matera spielen, dort, wo bereits mehrere Passionsgeschichten verfilmt wurden. Geflüchtete aus Afrika, die in Italien häufig nur illegal auf den Obst- und Gemüseplantagen Arbeit finden, schlüpfen in die Rollen von Jesus und seinen Jüngern. Damit bekommt die biblische Geschichte eine dramatische Aktualität, die Zuschauende zu einer Auseinandersetzung mit der Botschaft Jesu in der heutigen Zeit herausfordert. Der Film ist eine Mischung aus Passionsgeschichte, dem „Making of“ des Films und einer politischen Dokumentation. Die Übergänge dieser Erzählstile sind fließend. Damit vermischen sich Fiktion, Geschichte und aktuelle Ereignisse zu einer eindrücklichen Melange.

Um einen biblischen Text zu verstehen, werden Lesende unbewusst viele Entscheidungen treffen: Eigene religiöse Vorstellungen fließen ebenso in diese individuellen Interpretationen ein wie familiäre und gesamtgesellschaftliche Ansichten. Regisseur Milo Rau versucht mit dem „Neuen Evangelium“, sein Verständnis der biblischen Botschaft in einen Appell an die heutige Gesellschaft umzumünzen. Schüler*innen werden angeregt, eigenes Wissen um die Passionsgeschichte mit dem Storyboard des Films abzugleichen und über die Aktualität der biblischen Botschaft zu diskutieren. Der Film kann im Medienportal heruntergeladen werden.


Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran
François Dupeyron
Frankreich 2003
Spielfilm 94 Min.
FSK 6, empfohlen ab 16 Jahren

Frankreich in den 1960er-Jahren. Der jüdische Junge Moses, genannt Momo, ist auf der Suche nach der Zuneigung, die er in seiner Familie nicht findet. Monsieur Ibrahim, ein älterer muslimischer Gemischtwarenhändler vermittelt dem Jungen nicht nur praktische Lebensweisheiten, sondern begleitet ihn auch auf dem Weg ins Erwachsenenleben.

Der Koran ist das heilige Buch des Islam. Viele Strömungen des Islam legen diese Grundlage ihres Glaubens aber individuell aus. Alkohol zu trinken oder nicht, als Frau ein Kopftuch zu tragen oder eben nicht, das Gebet zu tanzen, sind nur einige der vielen Unterschiede, den Glauben zu leben. Schüler*innen gibt der Film Impulse über die multiplen Möglichkeiten, die heiligen Schriften zu interpretieren. Sie können reflektieren, welche Auswirkungen geografische und historische Gegebenheiten für die Ausübung einer Religion haben könnten. Der Spielfilm eignet sich auch für den Französischunterricht und kann in der Bücherei- und Medienarbeit entliehen werden.


Eazy Xplained – Die Bibel
Thomas Niemann, Johannes Fritzsch
Deutschland 2017
6 Lehrfilmclips 50 Min.
Lehrprogramm gem. § 14 JuSchG
empfohlen ab 14 Jahren

Woher kommt das „Buch der Bücher“, das immerhin jeden Tag noch 150.000 Mal verkauft oder verschenkt wird? Ist Gott der Autor oder doch vielleicht Jesus? Ist die Bibel „einfach so vom Himmel gefallen“? Warum sind katholische und evangelische Bibeln unterschiedlich lang?

Die kurze Dokumentation bietet Schüler*innen einen Zugang zur Entstehung und zum Aufbau der Heiligen Schrift der Christ*innen. Auf Augenhöhe mit der Zielgruppe können die Lehrfilm-Clips als Teaser und als Abschluss einer Unterrichtseinheit genutzt werden. Die Filme sollen dabei als zusätzliche Impulse dienen. Gerade für Schüler*innen, die bislang kaum Zugang zu ihrer Religion hatten, bietet sich die leichte und kurze Darstellung an. Die kurze Dokumentation lässt sich für einzelne Unterrichtsstunden gut sequenzieren und kann im Medienportal heruntergeladen werden.


Gottes Werk und Darwins Beitrag
Juri Köster
Deutschland 2009
Dokumentarfilm 44 Min.
Lehrprogramm gem. § 14 JuSchG
empfohlen ab 14 Jahren

Sind die Perspektiven der Wissenschaft und des Glaubens wirklich unvereinbar oder lassen sie sich doch verbinden? Der Streit um Schöpfungsglauben und Evolutionstheorie bewegt die Menschen seit 150 Jahren, seit den Veröffentlichungen von Charles Darwin. Zufall und Auslese traten für Darwin an die Stelle eines göttlichen Plans in der Natur. Die Dokumentation beschäftigt sich mit dem Leben und Werk des Forschers und lässt Wissenschaftler*innen und Theolog*innen zu Wort kommen. Eingegangen wird auf Widersprüche in der biblischen Beschreibung der Schöpfung ebenso wie auf unzutreffende Interpretationen von Darwins Forschungsergebnissen. Auch die Behauptung von fundamentalistischen Glaubensrichtungen wie dem Kreationismus, die Bibel sei wörtlich zu nehmen und Gott habe die Welt tatsächlich in sieben Tagen erschaffen, wird kritisch hinterfragt.

Die kurze Dokumentation lässt sich für Schüler*innen fächerübergreifend in naturwissenschaftlichen Fächern wie auch im Religions-, Werte und Normen- oder Philosophieunterricht einsetzen. Mithilfe des Arbeitsmaterials haben sie die Möglichkeit, biologische Sachverhalte und Glaubensinhalte in Bezug zu setzen und zu hinterfragen. Die DVD kann in der Bücherei- und Medienarbeit entliehen werden.


Wem gehört der Schnee? Eine Ringparabel
Antonie Schneider
Deutschland 2020
Bilderbuchkino 5 Min.
empfohlen ab 5 Jahren

Schnee ist selten in Jerusalem – und für die Kinder der Stadt etwas Besonderes. Ein Wunder. Und Wunder kommen von Gott. Aber wer hat den Schnee gemacht und wem gehört er? Drei Kinder gehen mit ihren Fragen und einer Handvoll Schnee zu ihren jeweiligen Glaubensvertretern: einem Rabbi, einem Priester und einem Imam. Aber als sie dort ankommen, ist der Schnee in ihren Taschen bereits geschmolzen. Die drei Kinder erfahren, dass Wunder nur im Moment erfahrbar sind und sich nicht festhalten lassen.
Die Autorin Antonie Schneider erzählt eine Ringparabel in Anlehnung an Gotthold Ephraim Lessings Werk „Nathan der Weise“. Die Illustratorin Pei-Yu Chang entführt die kleinen Zuschauer*innen mit ihrer außergewöhnlichen Beobachtungsgabe in ein multikulturelles Jerusalem.

Das Bilderbuchkino ist geeignet für den Kindergottesdienst, für Kinderbibeltage und den Religionsunterricht in der Grundschule und bietet einen leichten und spielerischen Zugang zu den der drei monotheistischen Weltreligionen. Es kann in der Bücherei- und Medienarbeit entliehen werden.


Im Namen des Vaters
Timothy Josha Wennekes
Belgien 2012
Kurzspielfilm 14 Min.
Lehrprogramm gem. § 14 JuSchG
empfohlen ab 14 Jahren

Thomas ist 16 und Zeuge Jehovas. Sein jüngerer Bruder soll sich in Kürze mit der Taufe zur Gemeinschaft bekennen. Der ältere Bruder Lukas hat sich von diesen Regeln abgewandt und wurde ausgeschlossen. Jeglicher Kontakt zu ihm ist verboten. Als Thomas sich trotzdem mit Lukas trifft, muss er sich vor dem Ältestenrat der Gemeinde verantworten. Er steht vor der Wahl, die Gemeinde und damit auch seine Kernfamilie zu verlassen oder sich den Gesetzen der Religionsgemeinschaft zu unterwerfen.

Einige christliche und fundamentalistische Religionsgemeinschaften glauben streng an eine wörtliche Auslegung der Bibel. Damit begründen sie auch den Anspruch, am Tag des Jüngsten Gerichts die allein Seligen zu sein. Der Film regt Schüler*innen ab Jahrgang 9/10 dazu an, im Alten und Neuen Testament aufgestellten Regeln und Gesetze einer Prüfung für den heutigen Alltag zu unterziehen. Was geschieht, wenn man aus dem Zusammenhang gerissene Fragmente eines historischen Dokuments als Maxime für die Gegenwart postuliert? In welchen Lebensbereichen erkennen die Schüler*innen ähnliche Vorgehensweisen und welche Handlungsoptionen gibt es? Zahlreiche Impulse dazu finden sich in den Arbeitsmaterialien, die zusammen mit dem Kurzfilm in der Bücherei- und Medienarbeit entliehen werden können.


Der Besuch
Zeljka Morawek
Deutschland 2006
Kurzfilm 37 Min.
empfohlen ab 12 Jahren

Eine Gemeinde freut sich auf den angekündigten Besuch ihres „Gründers“. Besonders Kirchenvorsteher Thomas ist in die Vorbereitung eingebunden und soll den wichtigen Gast auch bei sich zu Hause beherbergen. Doch am 1. Advent kommt statt des erwarteten „Heiligen“ ein unscheinbarer junger Mann in die Kirche. Der aber hat es in sich: Statt im Gotteshaus trifft er sich mit Menschen lieber in der nächstgelegenen Kneipe; er predigt wenig, hört aber aufmerksam zu. Und Wunder passieren seinen Mitmenschen auch ständig. Thomas braucht eine ganze Weile, bis er hinter das Geheimnis „des Gründers“ kommt.

Was wäre, wenn Jesus heute auf die Welt käme? Eine beliebte hypothetische Frage für Literatur und Film. Welche Teile der Bibel würde er vermutlich wörtlich auslegen, wo würde er sich ganz anders in eine moderne Welt einbringen? Schüler*innen ab Jahrgang 7/8 können die im Film dargestellten biblischen Bezüge nachlesen und mit eigenen Wertvorstellungen und Erkenntnissen abgleichen. Welche „Wunder“ werden in dem Kurzfilm angedeutet? (Wie) wären diese eventuell in der heutigen Zeit medizinisch oder psychologisch zu erklären? Was bedeutet das für die Glaubwürdigkeit der Bibel? Der Film kann im Medienportal heruntergeladen werden

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