Wer Haustiere beerdigt, müsste sie eigentlich auch taufen

Von Kai Funkschmidt

Wer mit Haustieren aufwuchs, erinnert sich, wie sehr Meerschweinchen und Katze nach ihrem Tod betrauert wurden. Selbstverständlich wurden sie im Wald beerdigt. Diese Situation ist für viele Kinder die erste Begegnung mit Tod und Sterben überhaupt. Und selbstverständlich werden diese Kleintiergräber oft mit einem selbstgebastelten Kreuz aus Stöckchen verziert. Doch dürften die wenigsten mit diesen Tierbestattungen und dem Kreuz eine Aussage über Seele, Erlösung und Auferstehung des Haustiers verbunden haben. Allen Beteiligten war klar, dass es sich um eine spielerische Einübung in ein existenzielles religiöses Ritual (Beerdigung) und in die Bewältigung von Lebenskrisen (Trauer) handelte. Nicht anders als wenn Kinder im sommerlichen Planschbecken Taufe spielen. Schwer vorstellbar, dass man diese Tierbeerdigungen auf eine Ebene mit der Beerdigung der verstorbenen Großmutter gestellt hätte.

Doch seit einigen Jahren breiten sich in Deutschland regelrechte Tierfriedhöfe aus, auf denen überwiegend Hunde und Katzen beerdigt werden. Weit über hundert gibt es mittlerweile. Die Gestaltung als parkähnliche Anlagen unter Bäumen, mit Blumenschmuck und Grabinschriften samt Namen und Lebensdaten ähnelt denen normaler Friedhöfe en miniature. Ihre Zunahme, ihre Auslastung und die teils opulenten Grabsteine, ja sogar mit Statuen ausgestatteten Grabmäler zeigen, dass es hier einen Bedarf und ein Geschäft gibt.
Gelegentlich wird vorgeschlagen, die Kirche solle hierbei ihre Mitwirkung anbieten, vielleicht eine aus den hier und da bestehenden Tiergottesdiensten und Tiersegnungen. Es sei dahingestellt, ob wirklich eine Nachfrage nach christlichen Tierbestattungen besteht oder ob hier nicht vielmehr vorauseilend ein Dienst angeboten werden soll, um dem kirchlichen Relevanzverlust zu begegnen.

Die Grabinschriften auf Tierfriedhöfen legen Zeugnis von Lebensschicksalen ab, die zu Herzen gehen: „Der einzige echte Freund, den ich je hatte“, „Liebe und Treue bekam ich im Leben nur von dir“. Solche Botschaften sind keine Seltenheit und beschreiben Abgründe menschlicher Einsamkeit. Das ganze Phänomen ist ein Aspekt der zunehmenden Vereinzelung des Menschen und der – im Rest der Welt belustigt-befremdet wahrgenommenen – Vermenschlichung kuscheliger Haustiere in westlichen Luxusgesellschaften, wo sie oft gar als Kinderersatz dienen. Die Forderung nach kirchlicher Bestattung begegnet dieser unguten gesellschaftlichen Entwicklung kritiklos und segnet sie buchstäblich ab.

Skepsis ist immer angesagt, wenn nach 2000 Jahren plötzlich in der Bibel Dinge „entdeckt“ werden, nach dem Motto: „Frühere Christen, oh oh! Wir heute aber wissen …“ Solche „Entdeckungen“ passen auffallend oft zu den aktuellen Wunsch- und Wertvorstellungen des Zeitgeistes. Tierbeerdigungen sind attraktiv, wenn man die christliche Kirche als Serviceagentur sieht, die jeder (vermuteten) Nachfrage mit einem entsprechenden Angebot begegnet. Tatsächlich reagieren die meisten Menschen intuitiv skeptisch auf die Vorstellung christlicher Tierbestattungen. Sie haben theologisch gesehen recht. Eine Beerdigung ist nicht nur ein Seelsorgeangebot, sondern ein gottesdienstlicher Akt und als solcher nur an Menschen gerichtet.

Biblisch gesehen ist der Mensch für das Tier verantwortlich, was eine wertschätzende Behandlung voraussetzt. Aber selbstverständlich geht auch die Bibel von einer fundamentalen Unterscheidung zwischen dem Menschen als Gottes Ebenbild und dem Tier aus. Dass die ganze Schöpfung Gottes sei, und „nach Erlösung seufzt“ (Rö 8,22), ändert hieran nichts, denn es bezieht sich auf die Ganzheit der Schöpfung, deren Erneuerung erwartet wird. Es hat nichts mit individueller Erlösung zu tun – wie beim Menschen. Die den Tierbeerdigungen zugrundeliegende Philosophie droht den fundamentalen Unterschied zwischen Tier und Mensch zu vermischen. Nur der Mensch hat individuelle Verantwortlichkeit, nur er kann die Bestimmung seines Daseins verfehlen. Weder die Maus noch die Katze, die sie frisst, sind erlösungsfähig, denn sie sind nicht erlösungsbedürftig. Auf einer Beerdigung Gottes Gnade über ihrem Leben und Sterben zu verkünden wäre unsinnig. Sie handeln gemäß ihrer Natur, jenseits aller Ethik. Den Unterschied Tier-Mensch zu verwischen, hat Folgen. Wenn man den Hund beerdigt wie die Oma – warum dann nicht auch diese am Ende „von ihrem Leiden erlösen“ wie jenen?

Der Ablauf einer christlichen Beerdigung verdeutlicht das Problem. Er ist auf die Erlösung, die Betrachtung des Lebens im Lichte der Gottesbeziehung und auf die Auferstehung gerichtet. „Christus ist für dich gestorben und auferstanden“ – kann man das ernsthaft über ein Tier sagen ohne der Bibel Gewalt anzutun?

Des Tieres Gottesbeziehung besteht allein in seiner Geschöpflichkeit. Die christliche Gottesbeziehung des Menschen gründet in der Taufe, die Tod und Auferstehung symbolisiert. Darum verweist auch der dreimalige Erdwurf am Grab – „Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub“ – auf das dreimalige Übergießen mit Wasser in der Taufe „im Namen des Vaters, des Sohnes und des Geistes“ zurück. Wer Haustiere beerdigt, müsste sich fragen lassen, warum er sie nicht auch taufe.

Tiere christlich bestatten?

Seit Jahren boomt in Deutschland das Geschäft mit Tierbestattungen. Bundesweit entstehen immer mehr Tierfriedhöfe und Tierkrematorien. Ihre Zunahme, ihre Auslastung und die teils opulenten Grabsteine, ja sogar mit Statuen ausgestatteten Grabmäler zeigen, dass es hier einen Bedarf und ein Geschäft gibt. Sollen die Kirchen sich diesem Trend stellen und sich an Tierbestattungen beteiligen? Darf man Tiere christlich bestatten?