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SAVI: somatisch – auditiv – visuell – intellektuell

Christina Harder

Checkliste für ganzheitliche und nachhaltige Lernsettings

Der Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi stellte bereits Ende des 18. Jahrhunderts fest, wie nachhaltiges und vertieftes Lernen erfolgen könne und müsse: Er beschrieb es als einen Prozess, bei dem möglichst viele Sinne angesprochen und die Lernenden in jeder Hinsicht aktiviert und motiviert werden. 

Wie aber lassen sich Lernsettings gestalten, die im Sinne Pestalozzis ein nachhaltiges, ganzheitliches Lernen fördern können? Die den Lernenden sogar Spaß machen und Freude am Lernen wecken? Lernsettings, die in jeder Hinsicht bewegen? Aus dem Konzept des Accelerated Learning1 stammt die SAVI-Regel2, die mittlerweile nicht mehr nur in Trainings für Unternehmen eingesetzt wird, sondern auch an Hochschulen und Universitäten.3 Sie bietet ein transparentes und schnell umsetzbares Instrument, um eigene Lernsettings in verschiedenen Kontexten, auch in Schulen und Gemeinden, daraufhin zu überprüfen, ob sie die Möglichkeit bieten, im Sinne Pestalozzis mit Kopf, Herz und Hand (und Fuß) zu lernen.

SAVI steht für:

•    S = somatisch: Lernende setzen ihren Körper und ihre Sinne ein, bewegen sich und tun selbst etwas. Sie werden in Bewegung gebracht, anstatt nur zu sitzen und etwas Vorgetragenes, Vorgeführtes oder Gezeigtes passiv aufzunehmen.
•    A = auditiv: Lernende hören einander zu und sprechen miteinander. Ihre Aufmerksamkeit wird aufeinander gerichtet, anstatt sich ausschließlich auf die Lehrperson, Vortragende und/oder das Lehrmaterial zu fokussieren.
•    V = visuell: Lernende haben die Möglichkeit zu beobachten und die eigene Vorstellungskraft zu nutzen (Imagination, Kopfkino). Sie erhalten Visualisierungen von Lerninhalten und können selbst eigene Gedanken und Ideen visualisieren, anstatt nur abstraktes Wissen aufzunehmen.
•    I = intellektuell: Lernende entwickeln eigene Lösungswege und reflektieren diese. Sie bekommen (Frei-)Raum für eigenes, experimentelles Denken und Ausprobieren. Sie dürfen selbst denken, anstatt nur aufbereitetes Wissen und Vorgefertigtes zu konsumieren.

Ob und inwieweit die vier Bereiche in eigenen Lernsettings berücksichtigt sind, lässt sich mit folgenden Fragen im Sinne einer Checkliste überprüfen:

•    Wie viel und wie oft können die Lernenden ihren Körper und ihre Sinne einbringen, sich bewegen und selbst etwas tun? Oder dominiert das passive Sitzen und Konsumieren fertigen Wissensstoffes?
•    Haben die Lernenden ausreichend Möglichkeiten miteinander zu sprechen und einander zuzuhören? Oder dominiert die Fokussierung auf eine bzw. einige wenige Personen oder auf das Lehrmaterial?
•    Werden die Vorstellungskraft und innere Bilder der Lernenden durch Visualisierungen angeregt? Wie oft also haben sie die Möglichkeit, ihr „inneres Auge“ zu nutzen? Oder werden ihnen Inhalte rein abstrakt-theoretisch präsentiert?
•    Haben die Lernenden ausreichend Möglichkeiten, selbst nach Lösungswegen für Probleme zu suchen, also experimentell zu denken und auszuprobieren? Oder wird ihnen alles vorgemacht und vorgegeben?
•    Wie viel Raum haben die Lernenden, über eigene Aktivitäten, Erfahrungen, auch eigene Fehler und Irrtümer sowie Unterschiede in den Wahrnehmungen nachzudenken und kritisch zu reflektieren? Oder bleibt es diffusen Eindrücken und Gefühlen der Einzelnen überlassen, was sie letztlich auch voneinander und über sich selbst gelernt haben?

Die verantwortliche Lehrperson blickt dabei grundsätzlich selbstkritisch auf die eigenen Unterrichtsplanungen und fragt sich: Überlasse ich den Ball überwiegend den Lernenden oder kann ich nicht abgeben? Liegt der Ball ungefähr zu 70 Prozent der Lernzeit im Spiel- und Handlungsfeld der Lernenden? Sind also die Lernenden die überwiegende Zeit selbst aktiv (ohne dass ich mich gleichzeitig passiv zurückziehe oder gar in Luft auflöse)?

Die entscheidende Frage zu guter Letzt: Würde ich selbst gerne in meinem Unterricht, in meiner Lehrveranstaltung lernen wollen? Möchte ich so lernen?
 

Anmerkungen

  1.      Vgl. zum Konzept des Accelerated Learning (AL):
         Dave Meier, Handbuch zum schnellen und effektiven Lernen in Gruppen, Bonn 2004.
  2.      Vgl. zur Savi-Regel auch: Bernd Weidemann, Handbuch Active Training, Die besten Methoden für lebendige Seminare, Weinheim/Basel 2015.
  3.      Vgl. z.B. Uni Bremen: 
     www.uni-bremen.de/fileadmin/user_upload/sites/studierwerkstatt/Lernen_mit_Kopf_Herz_und_Hand.pdf