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Die Einführung des CRU muss im Studium starten

von Lea Simon

 

Den CRU weitergedacht aus der Perspektive einer Lehramtsstudentin

Die Weiterentwicklung des konfessionellen Religionsunterrichts (RU) in Niedersachsen hin zum christlichen Religionsunterricht (CRU) scheint in Anbetracht der multireligiösen Gesellschaft unausweichlich – die Kirchen haben sich darauf geeinigt. Schön, dass ein gemeinsamer Raum zum religiösen Lernen für alle Schüler*innen sowie Lehrkräfte entsteht. Ein entscheidender Schritt, von dem jedoch viele angehende Religionslehrkräfte noch nichts gehört haben.

Ich bin Studierende im Master mit dem Ziel, evangelische Religionslehrerin an Gymnasien zu werden. Im Moment spielt der konfessionelle Zusatz „evangelisch“ in der Bezeichnung eine große Rolle, aber wird das so bleiben? Werde ich zwar als evangelische Religionslehrerin ausgebildet, stehe aber mit Berufsbeginn vor neuen Herausforderungen, auf die ich in diesem Studium nicht vorbereitet wurde?

Mein Studium sehe ich in vielen Bereichen als sehr lehrreich an und fühle mich mehr und mehr in der Lage, komplexe Themen im evangelischen Sinne zu durchdringen und weiterzugeben. Bereits für einen konfessionellen ebenso wie für einen konfessionell-kooperativen Religionsunterricht erachte ich die Auseinandersetzung mit anderen Konfessionen und Religionen in weiten Teilen als sehr grundlegend. Was jedoch geschieht, wenn wir vertieftes Wissen über die verschiedenen christlichen Konfessionen, die den CRU in Zukunft mitverantworten werden, benötigen? In dieser Vielfalt einen begründeten Standpunkt zu vertreten, stelle ich mir, besonders am Anfang, schwierig vor. Inwieweit darf ich mich dann noch positionieren? Oder bekommt der CRU vermehrt einen religionskundlichen Charakter?

2025 soll das Fach für die ersten Jahrgänge eingeführt werden – es bleibt also nicht ausreichend Zeit, die Ausbildungsphase im Vorhinein anzupassen. Die allgemeine Stimmung erscheint häufig abwartend. Aber warum greifen nicht bereits jetzt verpflichtende Lehrveranstaltungen die Vielfalt der Konfessionen auf? Themengebunden, vergleichend. Gemeinsamkeiten betonend, aber auch die Unterschiede im Fokus. Bereits jetzt sitzen im evangelischen Religionsunterricht nicht nur evangelisch geprägte Schüler*innen. Kooperationen in der Ausbildung zwischen Fakultäten und Instituten erscheinen immer wichtiger – jetzt und erst recht für den CRU. Diese Strukturen aufzubauen, gemeinsame Lehrveranstaltungen durchzuführen, Lernorte zu besuchen, Konfessionalität bereits unter den Studierenden ins Gespräch zu bringen und sich mit Expert*innen auszutauschen, ist das, was es uns ermöglicht, sprachfähig zu werden und unser vielfältiges Wissen weiterzugeben. Und zwar nicht nur auf theoretischer Ebene, sondern auch in der religiösen Praxis. An dieser Stelle erscheint eine tiefgreifendere Kopplung mit den begleitenden Mentoraten für Religionsstudierende unumgänglich.

In meinen Augen muss die Einführung des CRU im Studium starten, damit qualifizierte Lehrkräfte für die wachsenden Anforderungen des gemeinsam verantworteten RU bereitstehen. Wieso werden wir so wenig in den Prozess eingebunden? Im Sommer 2024 will ich ins Referendariat gehen. Wird sich die Ausbildung bis dahin verändert haben? Sind wir die Ersten und probieren alles mal aus? Mal sehen, ob das so klappt! Wenn es so kommt, gibt es bis dahin Kerncurricula, an denen wir uns neu orientieren können? Die Ausbildenden sollen uns anleiten, uns begleiten und mit ihrer Expertise beraten. Wird das nicht schwierig, wenn auch sie nicht wissen, für wen sie als evangelische oder katholische Ausbilder*innen verantwortlich sind und selbst keine Erfahrung darin haben, wie CRU gestaltet werden kann?

Oder bleibt doch erstmal alles, wie es bis jetzt ist und die große Veränderung – wenn es denn eine wird – erarbeiten wir uns als Berufsanfänger*innen selbst? Vielleicht stellen wir uns lieber direkt auf ein großes Paket an Fortbildungen ein, damit wir nach sechseinhalb Jahren Ausbildung „auf dem Stand der Dinge“ sind.

Wenn ich mir Gedanken über die Einführung des CRU mache, dann denke ich, dass alle, die bereits seit einigen Jahren praktisch im RU tätig sind, weniger Probleme damit haben werden, das Konzept zu realisieren. Für uns, die wir jetzt in der Ausbildungsphase sind und nicht wissen, wann sich was konkret verändern wird, sind die Fragezeichen deutlich bedeutender. Beginnend im Studium mit den Fragen, wann und inwiefern die Inhalte neu ausgerichtet und pointiert werden, wie sich die zweite Ausbildungsphase gestaltet und ob einen die Änderungen schon betreffen werden. Vielleicht schließt man die Ausbildung auch gerade noch vor den Veränderungen ab und steht als Berufseinsteiger*in direkt vor neuen Aufgaben?