Das Christophorus-Projekt: Ein Gespräch über starke Männer und schnelle Wagen im Religionsunterricht

von Peter Sobetzki-Petzold

 

Männliche Auszubildende im Kraftfahrzeuggewerbe gehören zu der Hauptrisikogruppe der jungen Autofahrer  im Straßenverkehr.  Seit Jahren führt die Kraftfahrzeug-Abteilung der BBS - Diepholz im Lernfeldverbund mit anderen Fächern, besonders mit dem Fach Religion Seminare durch, mit dem Ziel die "Kompetenzen für das Leben" zu stärken.  Dieser ganzheitliche berufsbezogene Ansatz wird in immer neuen Seminaren erprobt. Dabei spielt der bewegte und sich in sieben Abschnitten vollziehende Lebenslauf des Christophorus eine bedeutende Rolle. Der Loccumer Pelikan sprach mit Peter Sobetzki-Petzold über das Projekt in Unterricht und Seminaren.


Loccumer Pelikan:

Herr Sobetzki-Petzold, Sie unterrichten an einer Berufsbildenden Schule vor allem junge Männer im Fach Evangelische Religion. Was hat Sie auf die Idee zu diesem Projekt gebracht?


P.. Sobetzki-Petzold:

Jahr für Jahr haben wir in Deutschland bei der so genannten Risikogruppe der jungen Fahranfänger zwischen 18 und 24 Jahren viele Tote und Verletzte zu beklagen. Wissenschaftliche Studien belegen, dass die Auszubildenden im Kfz-Bereich besonders betroffen sind. Gemeinsam mit der Landesverkehrswacht Niedersachsen e.V haben wir deshalb ein erstes Konzept der "Christophorus-Seminare" entwickelt und erprobt. Mit Unterstützung der Norddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft (NMBG) will die Landesverkehrswacht Niedersachsen e.V. möglichst vielen Pädagoginnen und Pädagogen die Möglichkeit bieten, dieses Konzept kennen zu lernen und selbst mit ihren Auszubildenden vor Ort umzusetzen.

Diese Seminare zeigen inzwischen Erfolge. 38 Berufsschulklassen aus dem Zuständigkeitsgebiet der NMBG, das umfasst Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, haben inzwischen an einem dreitägigen "Christophorus-Seminar" teilgenommen.

Daneben werden Lehrerfortbildungen durchgeführt. Darin werden die Pädagogen mit dem speziellen Konzept vertraut gemacht. Die Diepholzer Lehrer sind an den Fortbildungsveranstaltungen als Referenten beteiligt. Mehr als 200 Pädagoginnen und Pädagogen haben daran schon teilgenommen.


Loccumer Pelikan:
 
In welcher Form finden diese Seminare statt?


P. Sobetzki-Petzold:

An der BBS-Diepholz wurden gemeinsam mit der Evangelischen Berufschularbeit Diepholz mittlerweile drei Modelle entwickelt

  • das Christophorus Seminar selbst. Eine BBS-Klasse Metall-Kfz fährt mit ihren Lehrern für drei Tage in eine Jugend-Bildungsstätte und erarbeitet: "Christophorus-Kompetenzen für das Leben". Dieses Konzept wurde mit der Landesverkehrswacht Niedersachsen e.V. Hannover und der Norddeutschen Metall Berufsgenossenschaft NMBG entwickelt. Daneben gibt es den
  • Kongress der Schrauber oder Niedersächsischer Christophorus Kon-gress der Auszubildenden im Kfz-Gewerbe. 120 Auszubildende an Niedersächsischen Berufsschulen und ihre Lehrer treffen sich zu einem dreitägigen Kongress "rund um das Auto". Die NBGN fördert auch dieses Projekt maßgeblich. Und schließlich haben wir die
  • Christophorus Erlebnispädagogik entwickelt: Für Teilnehmer an einem Christophorus Seminar werden weiterführende Seminare mit erlebnispädagogischen Themenschwerpunkten angeboten. Zum Beispiel: "Schöpfung bewahren - ...wenn das Wasser (wie dem Christophorus) bis zum Halse steht." Erlebnisorientierung, Nachhaltigkeit wird auf einer schwimmenden Bildungsstätte, einem Segelschiff erlebt. (Von der NBGN gefördert)
     

Loccumer Pelikan:
Ist das Projekt ausschließlich für mehrtägige Seminare außerhalb der Schule konzipiert oder lässt sich die Grundidee auch im Unterricht umsetzen?


P. Sobetzki-Petzold:

Die Idee ist ja in der Schule geboren. Sie ist aus der Zusammenarbeit im Lernfeldverbund zwischen der Kraftfahrzeugabteilung der BBS Diepholz und anderen Fächern, besonders dem Fach Religion und der standen. Unser Ziel war und ist es, "Kompetenzen für das Leben" zu stärken und die jungen Männer dabei in ihrer Lebenswelt abzuholen. Das fängt in der Schule an und geht in gemeinsam besuchten Seminaren weiter.

Junge Autofahrer sind am meisten gefährdet!

Von Alkohol und Drogen umnebelt, von Selbstüberschätzung getrieben, mit Unwissenheit gestraft – junge Autofahrer haben in Deutschland ein verheerendes Image. Dieser schlechte Ruf beruht auf erschreckenden Unfallzahlen: Jahr für Jahr weist das Statistische Bundesamt junge Fahrer zwischen 18 und 24 Jahren als Risikogruppe Nummer eins im Straßenverkehr aus. So starben vergangenes Jahr 1150 Männer und Frauen dieser sieben Jahrgänge im Auto. Insgesamt wurden 17900 junge Leute schwer und 78700 leicht verletzt. Damit gehören jeweils 21 Prozent aller im Straßenverkehr Getöteten und Verletzten dieser Altersgruppe an, obwohl ihr Anteil an der Bevölkerung nur acht Prozent ausmacht. Erschreckend ist auch ihr hoher Anteil als Hauptverursacher. Denn bei 64,1 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden, an denen junge Leute beteiligt sind, sind auch sie alleiniger Auslöser..."

Süddeutsche Zeitung Nr. 193, 21./22.8.2004

 

Loccumer Pelikan:
Wie kann ausgerechnet Chris-tophorus für junge Metaller und Schrauber zu einer Identifikationsfigur werden?


P.. Sobetzki-Petzold:

Seit mehr als 500 Jahren hat die Figur des Christophorus bis in unsere Zeit hinein Akzente gesetzt. Christophorus ist der Schutzpatron der Fahrenden und Reisenden und als solcher auch den Schülern durchaus bekannt. Als um die Jahrhundertwende die ersten Autos entstanden, kamen mit ihnen auch die Kühlerfiguren. Lord Montagu of Beaulieu, ein früher Autobegeisteter, fungierte als Trendsetter, als er die Figur des Christophorus 1899 auf den Kühler seines Wagens schrauben ließ. Seine Sekretärin Eleanor Thornton stand 1909 Modell für die "Spirit of Ecstasy", die Schöne im Flattergewand auf der Kühlerhaube des Rolls-Royce.

Für Protestanten sind Heilige dogmatisch betrachtet kein Thema und seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wird der Heilige auch nicht in der Heiligenliste der katholischen Kirche geführt. Dennoch ist er immer noch populär, auch bei jungen Menschen. Sie kennen den "Sicherheitsapostel" als Plakette in "Opas Auto", aus Erzählungen mit Fernfahrern oder als Namen für den Rettungshubschrauber. Oder sie lesen das Automagazin von Porsche "Christophorus": Die Verbindung von Lebensbezug und dem Heiligen eröffnet den Pädagogen die Chancen, eng am Thema mit den jungen Menschen zu arbeiten und zu lernen. Die Legende eignet sich hervorragend zum Erzählen. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass es gut ist, die Geschichte an der Stelle, an der dem Christophorus "das Wasser bis zum Hals steht" abzubrechen und sie von den Schülern fortsetzen zu lassen. Mit diesem Verfahren soll vorgebeugt werden, dass die Schüler wegen der Überhöhung eines Heiligen keine Phantasie entwickeln, die Erzählung auf ihr Leben zu übertragen.

 

Die Christophorus-Legende

Vor langer Zeit lebte in einem Land jenseits des Meeres ein Mann mit Namen Reprobus. Er war groß und stark – ein Riese. Reprobus wollte nur einem Herrn dienen, der größer und stärker war als er selber. So machte er sich auf den Weg, den mächtigsten Mann der Welt zu suchen.

Nach drei Tagen kam er in eine große Stadt. Reprobus fragte die Leute, denen er begegnete: ,, Wer ist der mächtige Herr über diese Stadt?" – ,,Die Stadt gehört dem mächtigen König", antworteten ihm die Leute. Wenn er der mächtigste ist, so will ich ihm dienen, sagte Reprobus bei sich. Und so blieb er und arbeitete für den König. Eines Abends kam ein weitgereister Spielmann und sang vor dem König. Der Sänger sang in einem Lied vom Teufel. Der König bekam Angst, duckte sich und machte das Kreuzeszeichen. Reprobus dachte bei sich, wenn der mächtige König sich vor dem Teufel duckt und ihn fürchtet, dann muss der Teufel wohl größer und stärker sein als er. Ich will gehen und den Teufel suchen und ihn fragen, ob ich ihm dienen darf.So wanderte er wieder viele Monate, bis er an den Rand der Wildnis kam. Ihm kam eine seltsame Gestalt entgegen, finster und furchterregend. "Wo willst Du hin?", fragte die Gestalt. " Ich suche den Teufel", antwortete Reprobus. "Er soll mächtiger sein als alle Könige auf der Welt. Wenn ich ihn gefunden habe, will ich ihn fragen, ob ich ihm dienen kann." ,,So komm mit mir, ich bin der Teufel!", erwiderte die Gestalt. So gingen sie miteinander.

Sie kamen an eine Gebirgskette. Auf einem Hügel stand oben ein Kreuz. Der Teufel erschrak. Er bedeckte sein Gesicht. "Hier können wir nicht vorbei", murmelte er. "Komm, wir müssen umkehren!" ,,Warum hast du so eine große Angst?", wollte Reprobus wissen ,,Das Kreuz ist ein Zeichen von Jesus Christus", sagte der Teufel und zitterte. Da sprach sein Gegenüber: ,,Wenn Jesus Christus stärker ist als du, dann gehe ich. Ich will Jesus Christus suchen und ihm dienen."

So wanderte er Monat für Monat durch die Wüste, bis er an die Hütte eines Einsiedlers kann. "Was weißt du über Jesus Christus?", fragte er den Mann. "Er ist der Sohn Gottes", wurde ihm geantwortet, "er ist wahrhaftig der König für die Welt. "Ja, den suche ich, den König der Welt!", sagte Reprobus. "Sag mir doch, wo ich ihn finde." Der Einsiedler sprach: ,,Am Ende der Wüste ist ein großer, reißender Fluss. Manche sind schon ertrunken, als sie versuchten ihn zu überqueren. Dort wird ein Fährmann gebraucht. Mache dich auf und gehe dort hin. Du bist groß und stark, so wie ein Riese. Bringe die Menschen über den Fluss, die ans andere Ufer wollen. Ich bin mir sicher, dort wirst du Jesus Christus begegnen." Da ging Reprobus zum Fluss und baute sich eine Hütte. Viele Leute trug er über den Fluss mit seinen starken Schultern. Er lebte dort und die Menschen vertrauten ihm.

Eines Nachts, Reprobus lag im Bett und schlief, hörte er eine Kinderstimme: "Komm, Fährmann, trage mich hinüber!" Er stand auf, schaute hinaus und dort sah er das Kind stehen, das ihn rief. "Reprobus", sagte das Kind, "bringe mich über den Fluss!" Ein bisschen wunderte sich der starke Mann, dann nahm er das Kind auf die Schultern und ging in den Fluss. Die Strömung im Fluss nahm zu. Das Wasser stieg. Ein Sturm kam auf. Der Fluss wurde immer reißender. Es wurde mühsam für Reprobus. Das Kind schien schwerer und schwerer zu werden. Der starke Mann bekam Angst. Er hatte Angst um das kleine Kind und um sich. Das Wasser stieg bis an die Lippen. Die Last wurde immer schwerer, zentnerschwer. Stunde um Stunde verging. Es wurde Tag. Endlich erreichten sie das Ufer. Reprobus setzte das Kind unverletzt ans Ufer. ,,Kind, ich habe große Angst gehabt!", sagte der riesengroße und starke Mann. "Du wurdest mir so schwer, dass ich glaubte, ich hätte die ganze Welt auf meinen Schultern gehabt."

Da sprach das Kind: "Du hast nicht nur die Welt getragen, sondern auch den Sohn Gottes, Jesus Christus. Ich bin der, den du überall gesucht hast: Jesus Christus. An diesem Fluss dienst du mir, du trägst die Schwachen über den Fluss. Keiner bekommt nasse Füße. Du sollst ab jetzt Christophorus heißen, das bedeutet: der Christusträger. Geh heim und stecke deinen Stab in die Erde neben deiner Hütte. Morgen wirst du sehen, wie er Blüten und Früchte trägt."

 

Lebensbezug - Rahmenrichtlinien und Christophorus

Ophorus alias

Christophorus

Lebenswirklichkeit des Auszubilden

Themen im Religionsunterricht/
Niedersächsische Rahmenrichtlinien

1.Die Suche nach dem Sinn des Lebens

Ausbildung, neuer

Lebensabschnitt

4.2-1 Biografien und Lebensentwürfe

4.2-5 Arbeit, Beruf und Lebenssinn

4.9-4 Träume, Utopien u. Visionen

4.9-5 Zukunft von Arbeit und Beruf

2. Dienste bei dem Mächtigen (König) Er hört vom Teufel

Auf der Suche nach dem Kick (Kraft, Stärke, Nervenkitzel)

4.1-5 Religiöse Ausdrucksformen

4.3-5 Persönliche rel. Überzeugungen

4.9-1 Verheißungen in der Werbung

3. Reise mit dem Teufel,

Das Kreuz wird zur Grenze für den Teufel

"mit dem Satan kannst du Scheiße bauen" BBS-Schüler, 17 Jahre

4 6-1 Religiöse Phänomene im Alltag

4 6-2 Sünde und Schuld

4.8.2 Symbole des Lebens und des Todes

4.8.4 Trauer

4. Begegnung mit dem Kreuz.

Er hört von Jesus Christus

Unfall-Tod

Das Kreuz (Straßengrabmal) provoziert zur Reflexion

4.3.1 Jesus Christus Mittelpunkt des Lebens

4.1-2 Gotteserfahrung – (Schutz-Engel)

- Wie kann Gott das zulassen

4.7-1 Kirche und Ersatzreligionen

5. Begegnung mit dem Einsiedler, Suche nach Jesus

Beruf: Fährmann

fester Wohnsitz

Begegnung in der Stille

Frage nach dem Sinn

Arbeit und Wohnung

4.4.5 Wirtschaftsethik, soziale Gerechtigkeit

4.5-1 die Fähigkeit sich selbst zu lieben

4.5-2 Leistung ohne Gegenleistung

4.8-1 Einsamkeit und sozialer Tod

6. Die Erfahrung um Sturm und die Todes-Angst "Wenn mir das
Wasser bis zum Halse steht"

Die Verantwortung für andere öffnet neue Lebensweisen und Kompetenzen

4.4-5 Ehrfurcht vor dem Leben

4.5-4 Mitleid oder Mitleiden

4.6.3 Wert des Menschen

7. Bekenntnis zu einem neuen Leben

Christophorus der Christusträger

Raum für Glaube, Liebe, Hoffnung

4.2-5 Einheit von Körper und Geist

4.2.3 Gottesbeziehung

4.3.1 Jesus Christus Mittelpunkt des Lebens

4.7.5 Rituale – Feste - Feiern

 

Nimm dir dein Leben und gestalte es!

Ophorus, so schreibt die Legende, ist auf der Suche nach Kraft und Macht. Am Ziel seiner Suche angekommen, änderte sich sein Name und wohl auch seine Identität. Aus dem Ophorus wird der ChristOPHORUS.

Dieser biographische Vorgang ist kein Privileg der Heiligen, sondern begegnet uns in vielen Biographien, bei Kollegen, Freundinnen, Schülerinnen und auch bei Menschen aus der Bibel. Da werden die Vornamen umgestellt oder verändert. Der Spitzname erlangt Bedeutung oder der Nachname wird mit der Identität in Beziehung gesetzt.

Die Legende des Christophorus bietet sich sehr gut an, da die Suche nach Stärke durchaus mit den Bedürfnissen junger Menschen heute korrespondiert. Daher wurde die Leitfigur des Christophorus als Motto für die Seminare gewählt.

Die Geschichte des Christophorus gliedert sich in sieben Abschnitte. Diese lassen sich auf die Lebenssituation von männlichen Auszubildenden, wie wir sie in der Berufsbildenden Schule in den Berufsfeldern Metall und Bau antreffen, übertragen:

  • Auszubildende in der dualen Ausbildung beginnen mit dem ersten Jahr einen neuen Lebensabschnitt, sie übernehmen Verantwortung und sie beginnen Geld zu verdienen.
  • Sie sind auf der Suche nach dem Kick (Kraft, Stärke, Nervenkitzel = Adrena-linstoß). Sie erzählen begeistert von Fernsehberichten über Motorrad- und Autorennen. Diese Begeiste-rung spiegelt sich oft auch in der Kleidung und der Wahl der Zeit-schriften wider.
  • "Mit dem Teufel kannst du Scheiße bauen, soviel du willst", so die Äußerung eines 17-jährigen BBS-Schülers. Okkultismus, Satanismus in allen Formen und musikalischen Stilrichtungen bestimmen so manchen jungen Mann. Auf Tattoos oder T-Shirts finden sich Totentanz- oder apokalyptische Bilderszenen.
  • Junge Männer in der Ausbildung, zwischen 17 bis 24 Jahren gehören in den Verkehrsunfallstatistiken zu den häufigsten Opfern. Ihre Namen finden sich an vielen Straßenkreuzen entlang der Bundesstraße im ländlichen Raum. Das Kreuz am Straßenrand provoziert zur Reflexion.
  • Die Begegnung in der Stille kann perspektivisch Akzente für die zukünftige Lebensplanung aufzeigen.
  • Die Verantwortung für andere, in der Ausbildung oder auch Freizeit als Ehrenamtlicher öffnet neue Kompetenzen und erweitert die Lebensart.
  • Es bietet sich die Chance, den Raum für Glaube, Träume und Visionen aufzuzeigen. Auch der Mensch, dem das Wasser bis zum Halse steht, kann seinen Kopf noch benutzen: zum Denken, nicht nur zum Schreien.


Loccumer Pelikan:

Wie lässt sich dieser Bezug in Unterricht umsetzen?


P. Sobetzki-Petzold:

Diese Gliederung in sieben Schritte will den Bezug zu der Lebenswirklichkeit der jungen Auszubildenden und die Einbindung in die gültigen niedersächsischen Rahmenrichtlinien für evang. Religionsunterricht an Berufsbildenden Schulen herstellen.


Loccumer Pelikan:

Sehen Sie denn auch biblische Bezüge zur Figur Christophorus?


P. Sobetzki-Petzold:

Die Alias-Geschichten des Christophorus finden sich in den Erzählungen der Bibel wieder, beispielsweise im Leben des Jakob oder bei Jesus. Diese Hintergründe bilden letztendlich den Stoff für die Bearbeitung im Religionsunterricht.

Die Synopse (s. S. 27) eignet sich sowohl für die theologische Vorbereitung des/der Unterrichtenden. Sie kann aber auch bei Gruppenarbeiten eingesetzt werden.


"Auf einmal liegt das Auto mit dem Dach zuerst im Graben ..."


Loccumer Pelikan:

Und wie haben die Kollegen vom Fach "Metall" das Thema aufgegriffen?


P. Sobetzki-Petzold:

Mit der Zeit hat sich das Konzept des vernetzten Unterrichtes in der Kfz-Abteilung an der BBS Diepholz verselbstständigt, so dass Themen aus jeweils anderen Fächern von anderen Kollegen aufgenommen und weitergeführt werden. Aus dieser Frage wurde auf einem Christophorus-Seminar die Idee geboren, wir bauen ein "Überschlagauto" und simulieren einen Unfall. Das Auto nennen wir nach dem Patron der Fahrenden "Christophorus", aber in einer von den Auszubildenden eigenen Koseform "Chrissi". Die Federführung lag bei OSTR Ulrich Halfpap und Arthur Daus, Lehrer für Fachpraxis.

Das erste Modell war ein Golf I, der für zwei Jahre seinen Zweck erfüllte. Inzwischen wurde Chrissi II entwickelt und mit vielen Partnern gebaut. Betrieben und unterhalten wird das Fahrzeug von der Verkehrswacht Grafschaft Diepholz und der Polizei in Diepholz .
 

Christophorus alias Ophorus

Christus alias Jesus von Nazareth

Israel alias Jakob

1. Suche nach dem Sinn
des Lebens

Der zwölfjährige Jesus im Tempel

Lukas 2,39

Erster werden..

Genesis 25,27

2. Dienst bei dem Mächtigen (König)

Johannes der Täufer

Matthäus 3f

Jakob wird anstelle Esau

gesegnet

Gen. 27,18

 

3. Reise mit dem Teufel,
Grenzerfahrung

Das Kreuz wird Grenze für den
Teufel

Versuchung Jesu vom Teufel

Matth. 4ff

Jakobs Flucht

Gen. 27,41

4. Begegnung mit dem Kreuz

Er hört von Jesus Christus

Nachfolge Jesu-Kreuz
tragen

Matth 16,24

Jakobs Traum von der
Himmelsleiter

Gen. 28,10

5. Begegnung mit dem Einsiedler

Suche nach Jesus

Beruf: Fährmann

fester Wohnsitz

Jesus betet in Gesamanie

Matth. 26,36

Jakob lebt bei Laban

Gen. 29,1

6. Die Begegnung mit dem Sturm und
Lebensangst "Wenn mir das
Wasser bis zum Halse steht"

Jesus am Kreuz, Matth.27, 32

". mich verlassen" Matth.2636

Kampf am Fluss

Gen.32,23

7. Bekenntnis zu einem neuen Leben

Christophorus der Christusträger

Christ ist erstanden, Ostern

Markus 16,1ff

"du sollst Jsrael heißen"

Gen. 32,29

 

Loccumer Pelikan:
Welche weiterführenden Ideen gehören noch zu diesem Projekt?


P. Sobetzki-Petzold:

In den Fortbildungsveranstaltungen der NMBG und der Landesverkehrswacht Niedersachsen kam es immer wieder zu heißen Debatten unter den Lehrkräften. Ist das Kreuz am Straßenrand ein Symbol der Auferstehung oder ein Hinweis auf einen Umfalltod? Vor allem der symboldidaktische Videoclip " Mein Herz schlägt immer noch für dich"1 begünstigt die dringend notwendige Diskussion. Das Kreuz ist Zeichen der Auferstehung und es muss Neues ermöglichen. Darum hatten wir uns im Jahre 2000 entschlossen, den ersten Apfelbaum auf dem Gelände einer Landmaschinen-Vertretung in Wetschen bei Diepholz, nahe der B 214 zu pflanzen. Diese Anregung ist auf den Fortbildungsseminaren aufgegriffen worden und seitdem wird im Anschluss an ein Christophorus-Seminar, überall in Norddeutschland, ein "Baum der Hoffnung - gegen das Sterben auf der Landstraße" gepflanzt. Wir haben den Apfelbaum gewählt, um einen Bezug zu einem geflügelten Wort anzudeuten, das Martin Luther zugesprochen wird: "Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, pflanzte ich heute noch einen Apfelbaum." Es handelt sich wohl um einen alten Satz aus der jüdischen Tora-Tradition. Er wurde in Deutschland sehr häufig nach 1945 benutzt, um den Sinn des Wiederaufbaus in unserem Land zu verdeutlichen


Loccumer Pelikan:

Herr Sobetzki-Petzold, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und wünschen Ihnen und Ihren Kollegen noch viel Erfolg bei der Arbeit mit Ihren "Schraubern".

 

Anmerkungen

  1. Viele Berufsschullehrer haben mit diesem Videoclip aus der Verkehrserziehung gute Erfahrungen gemacht: "Mein Herz schlägt immer noch für dich", 1999 – 5 Min., www.polizei.bayern.de/ppnopf/sound/videos/herz1.htm-4k
     

 Homepage/Internet

  • www.christophorus-bbs-diepholz.de
  • www.bbs-diepholz.de-christophorus
  • www.landesverkehrswacht.de/lvw/
  • www.nmbg.de/informationen/gus_0107_akt_nach_0107_196_1.html


Literatur

  • Tomie de Paola, Josef Quadflieg: Christophorus, Düsseldorf 1996
  • Thomas Müller: Christophorus – ein
  • Mensch auf der Suche, in: clara, Kurze lateinische Texte, Heft 7, Göttingen o.J.
  • Gertrud Beuker: Christophorus, München 1975
  • Roger Moch: Christophorus, S. 77 in echt cool, Gegen den Trend 2003, AEJN, Hannover 2003
  • Läwen/Pabst/Pabst-Dittrich: Berufsbezug im Religionsunterricht der Berufsbildenden Schule. Theoretische Grundlegung und Praxisbeispiele, Hannover 2003, vergriffen
  • alles gender auf der mainstream? – das baugerüst 4/2003
  • Risikoverhalten Jugendlicher in der mobilen Gesellschaft, Arbeitsmaterial zur Suchtprävention, Niedersächsische Landesstelle gegen Suchtgefahren, Hannover 2003
  • Risikoverhalten Jugendlicher in "unsere Jugend" 1/200
  •  Jürgen Raithel: Risikoverhaltensweisen Jugendlicher, Opladen 2001

Text erschienen im Loccumer Pelikan 1/2005

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