Religion und Theater - Filmtipps aus dem Haus kirchlicher Dienste

von Anja Klinkott

Religion und (Film)Theater – zwei Bereiche, die sich im Lauf der Geschichte immer wieder angenähert oder voneinander abgewandt haben. Ihre gemeinsame Suche nach einem „Menschenbild“, das anderen Menschen Vorbild und Ansporn sein kann, nach Anleitungen für ein gelingendes Leben treibt sie an. Darstellendes Spiel kann von biblischen Geschichten inspiriert werden. Ebenso setzen Religionen Riten, Musik und Handlungen in unterschiedliche Formen der Lobpreisung oder Gottesdienste ein. Religion und (Film)Theater haben viele Überschneidungen.

Hier werden einige von ihnen vorgestellt, die für die Arbeit in Schulen und Gottesdienst geeignet sind und im Medienportal online zugänglich sind.

Das neue Evangelium
Milo Rau
Deutschland / Italien 2020
Dokumentarfilm / Spielfilm 107 Min.
empfohlen ab 14 Jahren

Die Passionsgeschichte als Film: Schon häufiger wurde im italienischen Matera die Leidensgeschichte Jesu oder Teile davon verfilmt. Film- und Theaterregisseur Milo Rau wählt für seine Interpretation eine Mischung aus Dokumentation und Fiktion. Die biblischen Hauptpersonen werden von Geflüchteten gespielt, die auf ein besseres Leben hoffend in Italien gestrandet sind. Besonders packend sind die fließenden Übergänge zwischen Realität und Fiktion, zwischen Szeneprobe und Alltag.
Bücher, Filme und Theaterstücke erzählen Geschichten: Auch in der Bibel, dem „Buch der Bücher“ werden Geschichten aus damaliger Zeit erzählt. Schon immer haben diese zum Nachspielen animiert, jährliche Krippenspiele in den Weihnachtsgottesdiensten sind dafür eines der populärsten Beispiele. In Milo Raus filmisch adaptierter Passionsgeschichte werden die Grenzen zwischen Schauspiel und Lebenswirklichkeit aufgelöst, der Übergang in die Probleme der Gegenwart lässt biblische Geschichte auf einem ganz neuen Niveau lebendig werden. Die Zuschauer*innen können sich mit der langen, wechselvollen Geschichte zwischen Kirche und Theater befassen und eigene Standpunkte dazu finden. Der Film steht als Download mit umfangreichem Arbeitsmaterial zur Verfügung.


Die allerlangweiligste Oma auf der ganzen Welt
Damaris Zielke
Deutschland 2022
Animationsfilm 7 Min.
empfohlen ab 5 Jahren

„Liebe Traurig-Gemeinde“ beginnt ein kleines Mädchen die Traueransprache für die eigene Oma. Sie erzählt, was der alten Dame im Leben wichtig war und woran sie selbst besondere Erinnerungen hat. Allein: Die Oma ist nicht gestorben, sondern hält einen Mittagsschlaf und die feierlich angesprochene Gemeinde besteht aus Spielzeug und dekorativen Gegenständen. Als die Großmutter erwacht, ist sie alles andere als amüsiert, auf diese Art ihrer eigenen Beerdigung beizuwohnen. Erst langsam beginnt sie zu verstehen.

Kinder benötigen Rituale, um ihre Umwelt als sicher und verlässlich wahr zu nehmen. Sie kopieren im eigenen Spiel das, was sie im Alltag erleben. Wie ein Theaterstück führt die kleine Enkelin ihre Vorstellung einer Beerdigung auf. Ähnlich wie im bekannten Kurzfilm „Die besten Beerdigungen der Welt“ schlägt hier ein Kind die Brücke zwischen Religion und Theater. Der kurze Animationsfilm eignet sich besonders für Kinder ab der dritten Klasse, um mit Ihnen die Bedeutung kirchlicher Rituale zu thematisieren, aber auch, um auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede religiöser und säkularer Rituale aufmerksam zu machen. Der Film steht im Download mit umfangreichem Arbeitsmaterial zur Verfügung.


Ich, Judas
Ben Becker, Serdar Dogan
Deutschland 2017
Filmtheater 87 Min.
empfohlen ab 14 Jahren

Ben Becker spielt Judas. Im Berliner Dom steht er allein vor dem Altar und versucht, sein Tun zu rechtfertigen: Vor den Zuschauenden, seinen Mit-Jüngern, vor Jesus vielleicht und vor Gott. Dieser Judas hadert und zweifelt und am Ende dieses mehr als einstündigen Monologs ist nichts mehr, wie es einst schien.

Schauspiel hatte über viele Jahrhunderte den Anspruch, Zuschauende zu moralisch besseren Menschen zu machen. Ein Anspruch, der gleichermaßen von Religionen erhoben wird und der für einen bis heute währenden Streit über die „richtige“ Antwort sorgt. Passionsspiele und Christusverfilmungen versuchen, Brücken zu schlagen zwischen Religion und Theater.

Ben Beckers „Judas“ gibt den Zuschauer*innen die Möglichkeit, sich mit diversen Formen von Verkündigung kritisch auseinanderzusetzen. Er ermöglicht zusätzlich einen Diskurs über angemessene Darstellung von Religion in Theater oder Film. Dazu lassen sich als Vergleich auch weitere biblische Verfilmungen heranziehen.


Der Turmbau zu Babel
Susanne Brandt und Klaus-Uwe Nommensen
Digitales Kamishibai (eKami), 11 Bilder
Verlag Don Bosco, München 2020
empfohlen ab 3 Jahren

Eine Geschichte der Menschheit in elf Bildern: Als Nomaden arbeiten sie zusammen und ziehen von Ort zu Ort. Bis sie eines Tages an einen Platz kommen, an dem sie sesshaft werden können, weil dort alles vorliegt, was sie zum Leben benötigen. Bald beginnen sie, feste Häuser zu bauen und einen hohen Turm, um ihren Reichtum zu schützen vor anderen Menschen. Gott schaut ratlos auf diese Menschen, die ihn scheinbar vergessen haben und nur noch gegeneinander agieren. Er lässt sie verschiedene Sprachen sprechen – in der Folge suchen sich die so getrennten Frauen und Männer neue Lebensräume auf der Erde. Zurück bleiben Ruinen eines geplatzten Traums.

Die bekannten japanischen Papiertheater werden gern analog und im hölzernen Rahmen in Kita und Grundschule eingesetzt. Weniger bekannt sind digitale eKamis im pdf-Format, die mittels E-Board oder Beamer gezeigt werden können. In größeren Gruppen erhöhen sie die Sichtbarkeit für alle und damit das Verständnis.

Digitale Kamishibai laden aber nicht nur zum Betrachten ein, sondern auch zum darstellenden Spiel. Die Bilder des eKami können zur Hintergrundkulisse für ein Theaterstück werden, in dem Grundschulkinder als Protagonist*innen in biblischen Geschichten agieren. So können sie die Botschaft – hier beispielsweise die Anregungen zur Bewahrung der Schöpfung – anders in ihren Alltag integrieren. Im Medienportal finden Sie zehn eKamis zu biblischen Themen und Geschichten.


Das tanzende Gebet –
Sufismus als spirituell-mystische Tradition des Islam

Nefin Dinç
USA 2015
Dokumentation 30 Min.
empfohlen ab 12 Jahren

Die zwölfjährige Elif möchte eine Vorführerin des rituellen muslimischen Drehtanzes werden. Über ein Jahr begleitet ein Filmteam das junge Mädchen. Es bedarf langer Übung unter Anleitung, um die Schritte und die überaus wichtige Kopfhaltung einzuüben, um auch ein „tanzender Derwisch“ zu werden. Dabei lernen die Zuschauenden auch die sufistische Mevlevi-Gemeinschaft in Istanbul kennen, die sich auf die spirituellen Vorstellungen des historischen Jalaluddin Rumi aus Konya – im Türkischen Mevlana – genannt, beruft. Diese Glaubensgemeinschaft des Islam gilt es weltoffen und tolerant, auch Christen und Juden üben sich in der Gemeinde im Tanz und im Gebet.

Kontemplation, das Versinken in eine Tätigkeit als eine religiöse Handlung, ist in der Regel mehr als eine Meditation. Der Benediktinermönch Bede Griffiths bezeichnete sie 1992 sogar als „Erwachen zur Gegenwart Gottes“. Die kurze Dokumentation zeigt eine Form des Gebets, von den Tanzenden für sich und ihre Mitmenschen ausgesprochen. Die Zuschauer*innen lernen Zusammenhänge zwischen Ritualen und Inhalten kennen und können sich mit unterschiedlichen Strömungen des Islam auseinandersetzen. Der Film steht mit Arbeitsmaterial als DVD zur Verfügung.


Die Weihnachtsgeschichte
Die Augsburger Puppenkiste
Klaus Marschall, Fred Steinbach
Deutschland 2015
Trickfilm 57 Min.
empfohlen ab 4 Jahren

Die Weihnachtsgeschichte als Marionettenspiel. Beginnend mit der Prophezeiung des Engels bis zur Ankunft der Heiligen drei Könige, erzählt das Stück in drei Akten von der Geburt Jesu Christi. Neben bekannten Protagonisten wie Maria und Josef erhalten auch tierische Darstellende eine Sprechrolle, angefangen vom Esel Noel bis hin zum (muslimischen) Kamel.

Viele Menschen kennen die (Fernseh-)Aufführungen der „Augsburger Puppenkiste“, die gerade ihr 75-jähriges Bestehen feiert: ein Marionettentheater, das in den Jahren des Zweiten Weltkriegs gegründet und in einer Bombennacht 1943 vernichtet wurde. Erst 1948 wurde es über die Grenzen Augsburgs bekannt, als seine Aufführungen als eine der ersten Sendungen für den Nordwestfunk des Fernsehens verfilmt wurden.
Mithilfe dieser Form des Theaters lernen Kinder nicht nur die biblische Ursprungsgeschichte eines kommerzialisierten Festes kennen; für viele von ihnen ist sie auch ein erster Einstieg in die Welt des Theaters. Die Augsburger Puppenkiste ist zudem generationsübergreifend, das Kinder, Eltern und Großeltern gemeinsam anschauen können.

Das Neue Evangelium
Langweiligste Oma
Ich Judas
Turmbau
Das tanzende Gebet