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In Bethlehem geboren! Echt wahr? – Auf den Spuren der Erzählungen von Jesu Geburt: eine historische und hermeneutische Spurensuche von Bethlehem nach Nazareth und wieder zurück für Schüler*innen des Sek II

von Christina Harder

 

Höhepunkt jedes Bethlehem-Aufenthalts bleibt natürlich der Besuch der Geburtsbasilika, wo ein 14-zackiger Stern jenen Ort anzeigt, an dem die Krippe gestanden haben soll. Nur: Jesus von Nazareth ist nicht in Bethlehem geboren. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat er die Stadt in seinem ganzen Leben nicht betreten.“1

Wie jetzt? Jesus ist nicht in Bethlehem geboren?! Dann stimmt das also alles gar nicht, was in der Bibel steht? Stimmt da überhaupt irgendwas in der Bibel? Und – was ist dann mit Weihnachten, der Krippe im Stall, Maria und Josef?

So oder ähnlich würden Schüler*innen vermutlich reagieren, wenn Sie hören, dass die Stadt Bethlehem historisch gesehen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht der Geburtsort Jesu war. Vielmehr sprechen viele Indizien dafür, dass die historische Person Jesus in der Stadt Nazareth in Galiläa zur Welt kam.


Das stimmt doch gar nicht

„Vieles, was in der Bibel steht, stimmt sowieso nicht“ ist ein Satz, der auch von Schüler*innen im Sekundarbereich II noch regelmäßig zu hören ist. Als Beispiel führen sie gerne die biblische(n) Schöpfungserzählung(en) an. In den seltensten Fällen ist ihnen dabei der Plural bewusst oder bekannt; darüber hinaus sprechen sie häufig von „dem Schöpfungsbericht“. An dieser Wortwahl bildet sich ihr hermeneutischer Zugang zu biblischen Texten ab: Sie lesen und verstehen sie wie einen Zeitungsbericht oder einen Fachtext aus dem Physikbuch. Das heißt, biblische Texte werden wie historische Tatsachenberichte oder (natur-)wissenschaftliche Sachtexte gelesen. Bei Verwendung dieses nicht passenden hermeneutischen Schlüssels für biblische Texte wie bspw. die Schöpfungserzählungen bemerken natürlich schon Grundschulkinder früher oder später logische Inkonsistenzen (Wie kann Gott zuerst das Licht erschaffen und erst danach die Sonne und die Gestirne?). Spätestens, wenn Schüler*innen in den naturwissenschaftlichen Fächern ausschließlich empirisch nachweisbare und/oder mathematisch berechenbare Fakten als generelle Voraussetzung für wahre Aussagen vermittelt werden, können sie Schöpfungserzählungen im Grunde nur noch als nicht der Wahrheit entsprechend einordnen; ähnlich ist es bei Wundererzählungen, in denen die Naturgesetze scheinbar außer Kraft gesetzt werden. Gleiches gilt für historische Angaben in biblischen Geschichten. Werden sie hermeneutisch genauso aufgeschlüsselt wie Informationstexte aus dem Geschichtsbuch mit historischen Daten und Fakten bspw. zu Otto von Bismarck und seinem Kampf gegen den Einfluss der katholischen Kirche im Deutschen Kaiserreich von 1871 bis 1887, dann kann eigentlich wieder nur das Gleiche passieren: Biblische Geschichten werden als Erzählungen mit geringem Wahrheitsgehalt abgestempelt. „Das stimmt doch gar nicht. Das kann so gar nicht passiert sein.“


Didaktische Vorüberlegungen

Das Niedersächsische Kerncurriculum für das Fach Religion in der gymnasialen Oberstufe2 sieht für die Einführungsphase im Sekundarbereich II im Kompetenzbereich „Jesus Christus“ vor, dass sich die Schüler*innen „mit verschiedenen Wegen der Auslegung biblischer Texte“3  auseinandersetzen. Dabei stellen sie „die Entstehungsgeschichte der Bibel am Beispiel der Evangelien dar“4. Im Fokus steht hier zunächst die historisch-kritische Bibelexegese und das Erlernen sowie Anwenden der methodischen Schritte hierbei.

Doch inwieweit wird damit bei den Schüler*innen wirklich ein anderes Verstehen, ein adäquater hermeneutischer Zugang zu biblischen Texten angebahnt? Wird hier die permanent latent anwesende Frage nach dem Wahrheitsanspruch der Bibel aufgegriffen? Und: Werden den Schüler*innen hierbei Wege aufgezeigt, auf denen sie biblische Erzählungen für sich als Lebensgeschichten5 entdecken sowie erschließen können? Als Lebensgeschichten, die einen Sinn-Kern haben, der über ihre erzählte Handlung hinausragt und die in den Köpfen wie Herzen der Leser*innen bzw. Hörer*innen Resonanz erzeugen?6 Können biblische Geschichten für Schüler*innen der Einführungsphase zu solchen Lebensgeschichten werden, indem sie die Zwei-Quellen erläutern und Methoden der historisch-kritischen Bibelexegese exemplarisch anwenden können?

In diesem Praxisartikel werden Unterrichtsbausteine für eine Spurensuche auf dem Weg von Bethlehem nach Nazareth und ggf. wieder zurück vorgestellt, die nicht nur die o.g. inhaltlichen Kompetenzen fördern, sondern die den Schüler*innen darüber hinaus „unterschiedliche Zugänge zur Deutung der einen Wirklichkeit“7 und die „Wirkung und Funktion von Symbolen“8 entdecken lassen. Es geht dabei nämlich auf der einen Seite um Bethlehem als einen leiblich begehbaren, konkreten geografischen und historischen Ort südlich von Jerusalem, auf der anderen Seite um Bethlehem als zentrales biblisches Motiv der Davidstradition und damit um ein biblisches Symbol für Hoffnung auf Erlösung.


Der hermeneutische Schlüssel zu den Geburtsgeschichten im Matthäus- und Lukasevangelium

Von der Geburt Jesu in Bethlehem erzählen ausschließlich das Matthäus- und das Lukasevangelium, und das sehr unterschiedlich. Matthäus und Lukas verfassten ihre Evangelien nicht im luftleeren Raum, sondern in einem bestimmten historischen, kulturellen und religiösen Kontext. Sie schrieben aus der Perspektive ihrer Erfahrungen und ihres Glaubens an Jesus als den Christus. Zudem hatten sie konkrete Adressaten im Blick: urchristliche Gemeinden. Matthäus schrieb für griechischsprachige Christ*innen, die in der jüdischen Religion und Tradition verwurzelt waren, sog. Judenchrist*innen. Lukas schrieb für griechischsprachige Christ*innen, die in nichtjüdischen, vor allem hellenistischen Traditionen beheimatet waren, sog. Heidenchrist*innen.
Das Matthäus- und das Lukasevangelium sind deshalb einerseits historische Quellen, weil sie die historische Situation abbilden, in der sich die Evangelisten ebenso wie ihre Adressaten befanden. Anderseits sind sie Glaubensquellen, weil sie jeweils den Glauben ihres Verfassers ebenso widerspiegeln wie die Glaubenstradition, in der die beiden standen und an die sie mit Blick auf ihre Adressaten anknüpften. Es handelt sich bei den Evangelien also sowohl um religiöse als auch um historische Konstruktionen oder auch Imaginationen.9
Sowohl historische als auch religiöse Imaginationen stehen in Korrelation mit anderen. Das heißt, sie stehen in einem weiten Bezugs- und Beziehungsgeflecht mit vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Konstruktionen.
Vom Standpunkt heutiger Schüler*innen wiederum bedeutet das: Sinnvoll und passend ist ein hermeneutischer Schlüssel zu den Geburtsgeschichten, der diese Korrelation für die Schüler*innen aufzeigt: einerseits die Korrelation zwischen den beiden Geburtsgeschichten im Matthäus- und Lukasevangelium und der historischen wie religiösen Tradition, in der sie stehen; andererseits aber auch die Korrelation zwischen den beiden Geburtserzählungen und den einzelnen Schüler*innen im Heute ihrer Lebenswelt.
Hierbei kann ein historisch-kritisches Bewusstsein für biblische Texte entstehen, das von drei Grundüberzeugungen ausgeht:

 

  • Alle Quellen stammen von irrtumsfähigen Menschen. Sie müssen deshalb historischer Kritik unterzogen werden.
  • Alle Quellen müssen im Lichte eines historischen Relativismus gedeutet werden. Denn: Alles steht in Korrelation mit anderem; alles hat Analogien.
  • Der historische Abstand verbietet eine anachronistische Deutung der Quellen im Rahmen gegenwärtiger Werte und Überzeugungen.10


Zugänge zur Deutung der einen Wirklichkeit

Die Evangelien sind historische Quellen, sie bilden jedoch keine historisch exakten und korrekten Daten ab. Darum ging es Matthäus und Lukas auch gar nicht. Exakte Daten und Fakten waren für sie nicht relevant. Ihnen ging es um etwas anderes: Sie wollten urchristliche Gemeinden im Glauben an Jesus als den Christus bestärken, ihnen das Evangelium verkünden und darin Trost und Hoffnung in der Bedrängnis zusprechen.
Haben sie also bewusst faktisch Unwahres geschrieben?

Die Antwort darauf hängt davon ab, welcher Zugang zur Deutung der einen Wirklichkeit für die Evangelien passend und stimmig ist.
Als Menschen bewegen wir uns, wenn man so will, zwischen zwei Türen zur Wirklichkeit. Mal ist es richtig und wichtig, die Tür der exakten Daten und Fakten als Zugang zur einen Wirklichkeit zu nehmen. Mal ist es sinnvoll und vernünftig, die Tür des emotionalen und existenziellen Erlebens als Zugang zur einen Wirklichkeit zu nehmen.

Nehmen wir einen Menschen, der schwer erkrankt ist. Er sitzt vor seiner behandelnden Ärztin. Um dem Kranken seine Diagnose zu erläutern und mögliche Therapien aufzuzeigen, ist es wichtig und (über-)lebensnotwendig, dass die Ärztin mit ihrem Patienten mittels einer sachlichen, klaren Sprache durch die Tür der exakten Daten und Fakten geht. Die gleiche Ärztin kann es aber auch sein, die dem Patienten mittels der Sprache des Herzens die Tür zur Welt des Erlebens öffnet, hinter der Trost und Hoffnung warten. Diese Tür öffnet sich mit Geschichten, Symbolen, Gesten, die von der Hoffnung erzählen, die Welt möge eine bessere, eine heile sein.
Sind die Geburtsgeschichten im Matthäus- und Lukasevangelium also un-wahr?
Wenn sie als Türöffner zur Welt des Erlebens, der Hoffnung, des Vertrauens und des Trostes verstanden werden, dann lautet die Antwort: Nein, sie sind nicht un-wahr. Vielmehr ist in ihnen eine tiefe Wahrheit zu finden, die von der Hoffnung auf eine erlöste Welt erzählt.


Eine hermeneutische Spurensuche von Bethlehem nach Nazareth und wieder zurück

Die Spurensuche mit den Schüler*innen der Einführungsphase beginnt in dem historischen und geografischen Ort Bethlehem südlich von Jerusalem: Mit der Gedankenreise in M 1 imaginieren sie sich an diesen konkreten Ort. Die Reise führt direkt in die Geburtsgrotte unter der Geburtsbasilika in Bethlehem. Dort markiert der 14-zackige Stern jenen Ort, an dem der Überlieferung nach die Krippe Jesu gestanden haben soll. Hier also soll Jesus Christus, der Heiland und Retter für gläubige Christ*innen in aller Welt, geboren worden sein. Den Schüler*innen werden Raum und Zeit gegeben, sich in gläubige Christ*innen hineinzuversetzen, die an diesen Ort kommen, niederknien und beten. Welche Bedeutung hat dieser Ort für sie? Welche Bedeutung hätte es für die Schüler*innen, diesen Ort ganz leiblich zu besuchen? Mit dieser ersten Station der Spurensuche erhalten die Schüler*innen die Möglichkeit, zunächst intuitiv einen emotional-existenziellen Zugang zur Wirklichkeit zu finden. Zugleich können sie ihre entstandenen Fragen für sich schriftlich festhalten. Voraussichtlich sind schon Fragen dabei, die aus einem kritischen Nachdenken über historische Fakten herauskommen. Am Ende der Spurensuche könnten diese noch einmal aufgegriffen und erörtert werden: Hat sich durch die Spurensuche etwas an den Fragen geändert? Haben die Schüler*innen womöglich erste Antworten gefunden?

An der zweiten Station (M 2) werden die Schüler*innen mit der Aussage konfrontiert, dass die historische Person Jesus von Nazareth nicht in Bethlehem geboren wurde. Hier kann kurz innegehalten werden, um den Schüler*innen den Raum für erste Reaktionen, möglicherweise auch weitere (An-)Fragen zu geben. Anschließend erhalten sie über zwei Informationstexte sachliche Auskunft über Grundsätzliches zur Hermeneutik insbesondere biblischer Texte sowie über den historischen Kontext, in dem das Matthäus- und das Lukasevangelium entstanden sind. Am Ende steht die Frage: Warum aber verlegten Matthäus und Lukas – beide, bei allen sonstigen Unterschieden! – ihre jeweilige Version der Geburtsgeschichte ausgerechnet nach Bethlehem in Judäa?


Die Stadt Bethlehem und König David

Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, erarbeiten sich die Schüler*innen mit den Aufgaben in M 3 und der Erzählung von der Salbung Davids zum König im 1. Samuelbuch 16,1-13 die wesentlichen Aspekte der Davidstradition, in der die Stadt Bethlehem eine zentrale Rolle spielt. Mit diesem Text erschließen sich die Schüler*innen zudem die Bedeutung des Messias (dt.: Gesalbten) in der jüdischen Überlieferung: David war der von Gott gesalbte König. Er war von Gott auserwählt! Die Schüler*innen können hier die Verbindung herstellen zu dem Namen, den bereits die ersten urchristlichen Gemeinden dem kerygmatischen Jesus gaben: Jesus Christus. „Christus“ ist altgriechisch und bedeutet wie das hebräische „Messias“ übersetzt „der (von Gott) Gesalbte“.

An der vierten Station (M 4) bleiben die Schüler*innen auf den Spuren der Davidstradition. Sie interpretieren zwei zentrale prophetische Verheißungen (Jesaja 11,1-5; Micha 5,1-4) vom „neuen David“, dem Messias, mittels eines Texttheaters. Zum Festhalten erhalten sie schließlich in einem Infokasten11  eine Zusammenfassung der zentralen Aspekte der Davidstradition und der Bedeutung Bethlehems darin.

Nachdem sich die Schüler*innen so den traditionsgeschichtlichen Hintergrund erarbeitet haben, an den die Evangelisten Matthäus und Lukas mit ihren Geburtsgeschichten bewusst angeknüpft haben, werden die Schüler*innen gebeten, erste Vermutungen zu den Absichten der Evangelisten anzustellen: Warum war es für sie so wichtig, dass der erinnerte Jesus Christus in Bethlehem geboren wird?

 

Jesus aus Nazareth

Welche Indizien sprechen denn nun dafür, dass die historische Person Jesus aus Nazareth nicht in Bethlehem, sondern in Nazareth geboren wurde? In M 5 setzen sich die Schüler*innen zunächst mit zwei Textausschnitten aus zwei Paulusbriefen auseinander: Galater 4,4-7 und Römer 1,1-4. Hier bereits wird für die Schüler*innen ersichtlich, dass für Paulus, der als erster überhaupt etwas über Jesus Christus aufschrieb, und die urchristlichen Gemeinden, an die er seine Briefe adressierte, die Stadt Bethlehem als Geburtsort noch überhaupt keine Rolle spielte; ebenso wenig wie Geburt, Kindheit und Leben Jesu für ihn und seine Adressaten im Fokus des Interesses standen. Gleiches lässt sich von den Evangelisten Markus und Johannes sagen: Auch sie interessierten sich nicht für Geburt und Kindheit Jesu. Sie setzten zudem unausgesprochen voraus, dass Jesu Heimatstadt Nazareth auch sein Geburtsort war.12 In M 5 wird dies an mehreren Textstellen belegt: Mk 1,24; 6,1; 10,47; 14,67 und Joh 1,43-46; 7,40-42.
Nachdem sich die Schüler*innen anhand neutestamentlicher Textquellen als historische und zugleich religiöse Imaginationen mit den Indizien auseinandergesetzt haben, haben sie die Aufgabe, den historischen Befund zu sichern: Ist die historische Person nach rein historisch-kritischer Faktenlage in Bethlehem geboren oder in Nazareth?


Stern von Bethlehem – Sehnsucht nach Bethlehem

Die Schüler*innen haben nun einen historischen Befund: Die meisten Indizien sprechen gegen den historischen, geografischen Ort Bethlehem in Judäa als faktisch korrekten Geburtsort der historischen Person Jesus.13  Mit den durchgeführten Schritten einer historisch-kritischen Überprüfung haben sie sich mit Blick auf die biblischen Geburtsgeschichten also die Welt der Daten und Fakten erschlossen.

Dieser hermeneutische Zugang zu den biblischen Texten ist notwendig, um sie als historische Quellen und Imaginationen wahrnehmen und einordnen zu können. Doch – das kann und sollte nicht der einzige Zugang zu biblischen Texten sein, um ihren eigentlichen Wahrheitsgehalt abschließend zu beurteilen. Aus diesem Grund wird den Schüler*innen in M 6 über das Gedicht „Bethlehemstern“ von Monika Dittmann ein anderer Zugang ermöglicht: der des emotionalen Erlebens und Ergriffenseins. Durch diese Tür konnten die Schüler*innen bereits an der ersten Station der Spurensuche (M 1) einen Blick in die Geburtsgrotte in Bethlehem auf den 14-zackigen Stern in der Mitte werfen. In dem Gedicht „Bethlehemstern“ wird diese Tür erneut geöffnet. Nun gehen die Schüler*innen aber mit dem Wissen um den historischen Befund durch sie hindurch, um der Wirkung des geglaubten Geburtsortes Jesu Christi für sich und andere Menschen nachzuspüren. Ändert sich etwas in der Wahrnehmung des Ortes, weil der historische Befund seine faktische Legitimation in Frage stellt? Was ändert sich?

Die Schüler*innen haben die Aufgabe, das Gedicht von Monika Dittmann zu interpretieren. Dafür erhalten sie einige Informationen über die Verfasserin: Sie hat Theologie studiert; der historisch-kritische Blick auf die Geburtsgeschichten und Bethlehem als Geburtsort Jesu wird ihr also bekannt sein. Zugleich war sie 40 Jahre als Seelsorgerin tätig und engagiert sich jetzt im Ruhestand weiterhin im Trauerpastoral. Könnte die Seelsorge vielleicht ein Ort sein, an dem die Frage nach den historischen Daten und Fakten an Relevanz verliert, um der Sprache der Sehnsucht und des Glaubens Platz zu machen? Könnte im seelsorgerlichen Kontext also der angemessene hermeneutische Schlüssel ein existenzieller, symbolischer Umgang mit dem Text sein? Und – könnten hier nicht wiederum Parallelen zum historischen, sozialen, religiösen Kontext gezogen werden, in dem Matthäus und Lukas ihre Evangelien schrieben? Sie bezeugen für ihre Leser*innen in den urchristlichen Gemeinden, dass Jesus der Christus und mit ihm eine neue Zeit des Heils angebrochen ist. Die Absicht ihres Zeugnisses ist eine seelsorgerliche. Sie wollen trösten, Mut machen, Hoffnung geben, im Glauben stärken. Dafür knüpfen sie an Bethlehem als Ort der Verheißung an: Bethlehem als Symbol für die Sehnsucht nach Heil und die Hoffnung auf Rettung.


Meine wahre Weihnachtsgeschichte

Die letzte Station der Spurensuche führt zu den Geburtserzählungen im Matthäus- und Lukasevangelium, die in M 7 nebeneinandergestellt sind. Nach einem synoptischen Vergleich der beiden Erzählungen von der Geburt Jesu in Bethlehem nach bestimmten Aspekten besteht die Aufgabe für die Schüler*innen darin, ein Drehbuch für ihr Krippenspiel zu schreiben. Sie sollen sich dabei aber für eine der beiden Versionen entscheiden, dürfen sie nicht – wie bei Krippenspielen sonst üblich – miteinander vermischen. Ansonsten haben sie freie Hand. Sie dürfen die biblische Vorlage kreativ mit Dialogen, Ortswechseln o.a. erweitern, ausschmücken. Die Schüler*innen verfassen ihre Weihnachtsgeschichte, in der sie jene Wahrheit abbilden, die sie für sich in der Erzählung von der Geburt Jesu Christi gefunden haben. Sie erzählen von ihrer Wahrheit, die sie auf der Spurensuche von Bethlehem nach Nazareth und wieder zurück entdeckt haben. Das kann eine an reinen historischen Fakten und Daten ausgerichtete Wahrheit sein, so dass Jesu Geburtsort in ihrer Weihnachtsgeschichte Nazareth ist. Oder es kann eine existenzielle Wahrheit sein, die von der Sehnsucht nach einer erlösten Welt erzählt. Und in dieser Geschichte wird Jesus dann in Bethlehem geboren.



Anmerkungen

  1. Hasenbein, Der Mensch im Fokus der digitalen Arbeitswelt, 12-15.
  2. Vgl. Hausy, Auf die Bühne, fertig, los, 77-101.
  3. Hierfür müsste vorab die Erlaubnis beim Verlag eingeholt werden, sofern es sich um eine öffentliche Aufführung außerhalb eines festen Personenkreises handelt.
  4. Hasenbein, Der Mensch im Fokus der digitalen Arbeitswelt, 12-15.
  5. Vgl. Hausy, Auf die Bühne, fertig, los, 77-101.
  6. Hierfür müsste vorab die Erlaubnis beim Verlag eingeholt werden, sofern es sich um eine öffentliche Aufführung außerhalb eines festen Personenkreises handelt.
  7. Hasenbein, Der Mensch im Fokus der digitalen Arbeitswelt, 12-15.
  8. Vgl. Hausy, Auf die Bühne, fertig, los, 77-101.
  9. Hierfür müsste vorab die Erlaubnis beim Verlag eingeholt werden, sofern es sich um eine öffentliche Aufführung außerhalb eines festen Personenkreises handelt.
  10. Hasenbein, Der Mensch im Fokus der digitalen Arbeitswelt, 12-15.
  11. Vgl. Hausy, Auf die Bühne, fertig, los, 77-101.
  12. Hierfür müsste vorab die Erlaubnis beim Verlag eingeholt werden, sofern es sich um eine öffentliche Aufführung außerhalb eines festen Personenkreises handelt.
  13. Vgl. Hausy, Auf die Bühne, fertig, los, 77-101.

 

Literatur

  • Bovon, Francois: Das Evangelium nach Lukas (Lk 1,1 – 9,50), EKK III/1, Neukirchen-Vluyn 1989
  • Dittmann, Monika: Zu Bethlehem geboren. Lesebuch zur Weihnachtszeit, Gelnhausen 2021
  • Faßbeck, Gabriele/Schmitz, Barbara: Bethlehem, in: WiBiLex https://www.bibelwissenschaft.de/fileadmin/buh_bibelmodul/media/wibi/pdf/Bethlehem__2020-02-27_20_27.pdf
  • Koschorke, Martin: Jesus war nie in Bethlehem, 5. Auflage, WBG Darmstadt 2014 (epub)
  • Luz, Ulrich: Das Evangelium nach Matthäus (Mt 1 – 7), EKK I/1, Neukirchen-Vluyn 1985
  • Niedersächsisches Kultusministerium (Hg.): Kerncurriculum Evangelische Religion für das Gymnasium – gymnasiale Oberstufe, die Gesamtschule – gymnasiale Oberstufe, das Berufliche Gymnasium, das Kolleg, Hannover 2017
  • Strothmann, Angelika: Der historische Jesus: eine Einführung, Stuttgart 2012
  • Theißen, Gerd/Merz, Annette: Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen 1996