Und plötzlich wird es ganz still im Klassenraum …

Von Kirsten Schuster

Dies liegt nicht nur daran, dass der Unterricht beginnt, sondern vielmehr an dem vierbeinigen „pädagogischen Helfer“, dem Schulhund „Spencer“. Er ist tätig an der Grundschule Victorbur in Südbrookmerland, Ostfriesland. Spencer ist ein Labradormischling und wurde im September 2017 geboren. Seit November 2017 ist der schwarze Rüde ein Teil der Familie der Lehrerin Kirsten Schuster. Gemeinsam absolvierte das Team erfolgreich die pädagogisch-therapeutische Begleithundeausbildung, sodass Spencer seit Herbst 2018 als Schulhund im Bereich der hundegestützten Pädagogik in der Grundschule Victorbur eingesetzt wird. Dabei unterstützt Spencer die Arbeit unter anderem in den Bereichen des Sozialverhaltens, des Lern- und Arbeitsverhaltens, der Sprache und der Kommunikation.

Tiere wirken vor allem auf der Gefühlsebene. Insbesondere Kinder sind fasziniert von Tieren und sind gern in ihrer Nähe. Genau an dieser Stelle kann die tiergestützte Pädagogik ansetzen. Gerade im Bereich des Lernens spielen Emotionen eine wesentliche Rolle. Positive Emotionen können die Konzentration, Aufnahmebereitschaft und Informationsverarbeitung steigern, während negative Gefühle unter Umständen eine Lernblockade auslösen1. Man kann sich vorstellen, dass ein fröhlicher und zufriedener Mensch offener und gewillter ist, etwas zu lernen. Man geht positiver und beschwingter an den Lernstoff heran. Einem traurigen und betrübten Menschen fällt es schwerer, seinen Fokus auf das zu Lernende zu richten und gezielt zu lernen.


Die Lautstärke in der Klasse wird durch Spencer gesenkt

Aus der nun etwas mehr als einjährigen Arbeit mit Schulhund Spencer im Unterricht zeigt sich vor allem, dass die Lerngruppen, in welchen Spencer gemeinsam mit Kirsten Schuster unterrichtet, ruhiger geworden sind. Sie haben gelernt, dass Spencer keinen Lärm und Krach mag2. Sie respektieren Spencer sowohl als Hund als auch seine Gefühle. Im Zuge dessen wird eben auch die Empathie der Schüler*innen gefördert.


Für Spencer sind alle Schüler*innen gleich

Tiere legen im Gegensatz zu Menschen weder Wert auf das äußere Erscheinungsbild noch auf die geistigen Fähigkeiten eines Menschen3. Spencer folgt seinen natürlichen Trieben und Instinkten und geht unbefangen auf die Schüler*innen zu. Er nimmt die Individualität jeden Kindes wahr und nimmt es so an, wie es ist4. Er bewertet nicht gemessen an schulischen Leistungen und übt keinen Leistungsdruck aus. Dies ist besonders im Zeichen der Inklusion ein wichtiges Kriterium.


Spencer stärkt das Verantwortungsbewusstsein der Schüler*innen

Spencer verbringt an zwei oder drei Tagen in der Woche einen Vormittag in der Schule, um als pädagogischer Helfer zu unterstützen. Demnach muss er an diesen Tagen auch von den Kindern versorgt werden. Einen Teil seiner Zeit ist der Vierbeiner in der Klasse, sodass die jeweilige Lerngruppe für die Versorgung mit frischem Wasser verantwortlich ist. Hierzu gibt es zwei Schüler*innen, die darauf achten, dass der Wassernapf immer gefüllt ist und auch, dass sich alle anderen Schüler*innen an die besprochenen Hunde-Regeln halten. Durch solche zugeteilten Aufgaben lernen sie langfristig, Verantwortung gegenüber einem Lebewesen zu übernehmen. Das Verantwortungsbewusstsein zeigt sich auch in der Ordnung und Sorgfalt im Schulgebäude, vor allem aber im Klassenraum. An den Anwesenheitstagen finden sich Brotdosen nach dem Frühstück sorgfältig im Schulranzen verstaut wieder, da einige Lebensmittel für Spencer gefährlich werden können.


Der Schulhund steigert das Selbstvertrauen der Schüler*innen

Gerade Schüler*innen mit Lern- oder Verhaltensauffälligkeiten weisen oftmals wenig Selbstvertrauen und ein geringes Selbstwertgefühl auf und finden in Schulhund Spencer einen wichtigen Partner, der ihnen soziale und emotionale Kompetenzen vermittelt5. Die Erfahrung, von dem Tier gemocht, gebraucht und akzeptiert zu werden, stärkt das Selbstbewusstsein der Schüler*innen und kann dazu beitragen, dass diese in der Interaktion mit dem Tier erlernte Verhaltensweisen auf soziale Situationen mit Menschen übertragen werden können6.


Spencer arbeitet im Unterricht mit

Schulhund Spencer wird auf verschiedene Weise in den Unterricht mit eingebunden. Er kann die Lernbereitschaft der Schüler*innen unterstützen, indem er z. B. Lernaufgaben in Futterbeuteln überbringt, eine Zahl würfelt, um die zu überprüfende Einmaleins-Reihe festzulegen oder ein Glücksrad dreht, um ein praktisches Beispiel der Wahrscheinlichkeitsrechnung im Mathematikunterricht zu zeigen. Weiter kann er jedoch auch selbst Thema der Stunde sein.

In der Interaktion mit Spencer können alle Entwicklungsbereiche (Motorik, Wahrnehmung, Kognitive Entwicklung, Kommunikation) der Schüler*innen angesprochen und je nach Einsatz des Schulhundes gezielt gefördert werden. So kann beispielsweise die Motorik des Kindes durch Übungen mit dem Hund (Nachahmen verschiedener Körperhaltungen, etc.), durch das Umbinden eines Halstuches, durch das Öffnen und Schließen des Halsbandes oder durch das Anhängen der Leine gefördert werden. Die Betrachtung des Hundes mit allen Sinnen (Welche Geräusche macht Spencer?, Wie fühlt sich sein Fell an?, Das Ertasten von Gegenständen (Hundespielzeug, Hundekekse, Gegenstände zur Hundepflege, o. ä.) spricht die Wahrnehmung des Kindes an. Kinder können Hundekekse oder Spielzeuge nach Formen, Farben und Größen sortieren und schulen somit ihre kognitive Entwicklung. Die Kommunikation der Kinder wird durch das Beschreiben des Schulhundes oder Bildern von verschiedenen Hunderassen angeregt.

Alle Hunde kommunizieren unentwegt, sei es durch Gestik, Mimik, Körperhaltung, aber auch durch Nähe und Distanz. Schüler*innen lernen dieses wahrzunehmen und die Stimmung des Gegenübers, egal, ob Mensch oder Tier, zu erkennen. Betritt Schulhund Spencer das Schulgebäude, ist nicht nur eine Veränderung bei der zu unterrichtenden Lerngruppe zu bemerken, sondern auch eine Veränderung bei den Schüler*innen und Lehrkräften, die ihm begegnen.

Anmerkungen:

  1. Vgl. Vernooij, Monika A. / Schneider, Silke: Handbuch der Tiergestützten Intervention. Grundlagen, Konzepte, Praxisfel-der, Wiebelsheim, 3, Auflage 2013, 40.
  2.  Vgl. Karotki: Neue Osnabrücker Zeitung, 31.01.2014.
  3. Vgl. Vernooij / Schneider, a.a.O., 152.
  4. Vgl. Vgl. Heyer, Meike / Kloke, Nora: Der Schulhund. Eine Praxisanleitung zur hundegestützten Pädagogik im Klassen-zimmer, Nerdlen/Daun 2011, 19.
  5.  Vgl. Vernooij / Schneider, a.a.O., 40.
  6.  Vgl. Heyer / Kloke, a.a.O., 21.