Judas begegnen – Annäherungen an den Verräter - Eine Doppelstunde am Fachgymnasium

von Matthias Günther 

 

In der jüngeren Rezeptionsgeschichte wird eine Vielzahl von Versuchen unternommen, Judas Iskariot, den Verräter Jesu, zu rehabilitieren.1 War er für Luther noch der auf Ewigkeit Verlorene, fordert Ruth Lapide einen Freispruch für den “anständigen Menschen”, der “zu Unrecht verkannt, verdammt und verteufelt” wurde.2 Auch Gottfried Orth sucht jüngst nach dem Weg, Judas gewaltfrei zu interpretieren: “Judas war ein individueller Mensch, kein Typ, kein Monster, kein Teufel – er war ein Mensch mit Gefühlen […] Ein Hin und Her der Gefühle, ein Auf und Ab seiner Stimmungen, ein Zugleich von Sicherheit angesichts des ins Auge gefassten und geplanten Verhaltens und immer wieder auch Fragen kann ich bei Judas in jenen letzten Stunden vor seiner Auslieferung Jesu vermuten – jedenfalls kaum ein lediglich kalt berechnendes Tun.”3

Die Unterrichtsstunde “Judas begegnen” ist Teil einer Einheit “Kriterien des Handelns” (im Kompetenzbereich Ethik). Sie beabsichtigt eine Stärkung der Deutungs- und Urteilskompetenzen der Schülerinnen und Schüler.

 

Biblisch-theologische Überlegungen

Der Jünger Judas Iskariot gehörte zu dem von Jesus konstitu­ierten Zwölferkreis. Judas war in gleicher Weise wie die übri­gen Elf von Jesus berufen und beauftragt worden. Der Zusatz “der ihn auch auslieferte” (Mk 3,19b), von Markus der Namensliste hinzugefügt, von Matthäus (10,4) und Lukas (6,16) übernommen, ist jünger als die Liste selbst (vgl. Apg 1,13). Der Einsetzung ging das Einverständnis der Berufenen voraus. Der erzählende Rahmen bei Markus (3,13) trifft die historische Wirklichkeit: Jesus (be)rief, und sie gingen zu ihm. In gleicher Weise waren die Zwölf mit ihrem Auftrag einverstanden. Er bestand darin, in den Orten Galiläas das kommende Gottesreich zu verkündigen, die bösen Geister auszutreiben und Kranke zu heilen (Mk 3,14f; 6,7-13).

Der Verzicht auf familiäre Bindungen (vgl. Lk 59,59f) und jede Form der Vorsorge (vgl. Mk 6,8f), auch das unstete Wanderleben (V. 10f) setzten ein hohes Maß an Gefühl für die Gemeinschaft der Zwölf mit Jesus und an Vertrauen in seine Verheißung des kommenden Gottesreiches voraus. Dies gilt für Judas wie für die Übrigen.

Mehr als seinen Namen, verbunden mit dem Hinweis auf die spätere Auslieferung, erfahren die Hörerinnen und Hörer der ersten drei Evangelien vor Beginn der Passionsgeschichte nicht. Allein ein Kreis innerhalb der johanneischen Gemeinden (um 100 n. Chr.) hatte besonderes Interesse an der Figur des Judas. An verschiedenen Stellen fügten Bearbeiter dieses Kreises kurze Bemerkungen über Judas in das Johannesevangelium ein: Jesus wusste von Anfang an, wer ihn ausliefern würde (6,64b); die Sorge des Judas um die Armen in der Geschichte von der Salbung in Bethanien sei nur vorgetäuscht, in Wahrheit sei er ein Dieb (12,6). Der Teufel habe ihm ins Herz gegeben, Jesus auszuliefern (13,2). Jesus selbst werden Anspielungen in den Mund gelegt: “Nicht alle seid ihr rein” (13,11b), “Der mein Brot isst, tritt mich mit Füßen” (13,18b/Ps 41,10), “ keiner von ihnen ist verloren außer dem Sohn des Verderbens” (17,12b). Die Judasfigur wird zum Instrument der Auseinandersetzung zwischen Gruppen innerhalb des johanneischen Christentums.  

In den synoptischen Evangelien erscheint Judas erst zu Beginn der Passion Jesu. Er bietet die Auslieferung an, aus eigenem Antrieb (Mk 14,10: ohne erkennbares Motiv und noch vor der Ankündigung Jesu; Mt 26,15: für den Lohn von 30 Silberlingen) oder als Werk Satans (Lk 22,3; Joh 13,2), und führt die Tat aus.

Markus verschachtelt die Ankündigung Jesu (14,17-21) und die Auslieferung Jesu an die Hohenpriester, die jüdische Religionsbehörde, durch Judas (14,43-45) ebenso geschickt mit dem Kontext wie die Ankündigung der Verleugnung des Petrus (14,26–31) und dessen Tat (14,66-72). Beide Taten liegen für den Evangelisten auf einer Linie.4 Erstaunlich ist nur, dass die Jünger die Ankündigung des Verrats nicht zurückweisen (vgl. dagegen ihre Reaktion auf die Ankündigung der Verleugnung des Petrus: Mk 14,31b); keiner von ihnen kann ausschließen, selbst zum Verräter zu werden (Mk 14,19; Mt 26,22; anders Lk 22,23; Joh 13,22). 

Die eigentliche Auslieferung ist der Kuss: “Aber der Verräter hatte ihnen ein Zeichen angegeben und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist es; ergreift ihn und führt ihn sicher ab” (Mk 14,44). Ursprünglich ist der Kuss ein Zeichen der Zusammengehörigkeit einer Gemeinschaft, in der jüdischen Tradition noch ehrende Begrüßung eines Höhergestellten. Der heilige Kuss als Gruß der Christen untereinander (1 Thess 5,6 u.ö.) war den Hörerinnen und Hörern der Evangelien vertraut, der Kuss zur Begrüßung war alltägliches Zeichen. Auffällig war, wenn er ausblieb. So weist Jesus in der Geschichte von der Salbung durch die Sünderin (Lk 7,36–50) den Pharisäer darauf hin, dass die Sünderin ihm unablässig die Füße küsse, er ihm aber keinen Kuss gegeben habe.

Der Kuss des Judas wird erst durch den Auftrag an die Häscher zu einer außergewöhnlichen Zeichenhandlung. Für die Umwidmung des Zusammengehörigkeitszeichens durch eine deutende Handlung in ein Zeichen größtmöglicher Distanz, den Verrat, lässt sich ein alttestamentliches Vorbild finden: “Joab fasste mit seiner rechten Hand Amasa bei dem Bart, um ihn zu küssen. Und Amasa hatte nicht acht auf den Dolch in der linken Hand Joabs. Der stach ihn damit in den Bauch […], und er starb” (2 Sam 20,9f). Die Umwidmung des Kusses, den Judas gab, zum Kuss des Verräters, setzt demnach die Praxis des Zusammengehörigkeitszeichens zwischen dem zwölften Jünger und seinem Lehrer voraus, oder anders: der Verrat setzt die Nähe voraus. 

An Judas haften weiterhin Traditionen, die von seinem grausamen Tod berichten. Markus kennt diese Traditionen noch nicht oder hat kein Interesse an ihnen, Matthäus, Lukas und der kleinasiatische Bischof Papias von Hierapolis (um 105 n. Chr.) nehmen sie in ihren Schriften auf. Historisch gesehen besagt dies freilich wenig, da “der Tod der Gottesverächter” ein Topos antiker Literatur insgesamt ist5. Die Todesart des Judas wird unterschiedlich, doch stets im Anschluss an alttestamentliche Quellen beschrieben: der Freitod durch Erhängen (Mt 27,5) erfüllt die Thora (Dtn 21,22), der Unfall, ein Sturz, (Apg 1,18) folgt wohl Weisheit 4,19 (“er wird sie zum Schweigen bringen und zu Boden stürzen”), und Papias beschreibt eine todbringende Krankheit ähnlich wie Ps 109,18 das Eindringen des Fluches in die Körper der Widersacher Davids (“er zog den Fluch an wie ein Gewand, und er kam wie Wasser in seine Eingeweide”).

Betrachtet man allein die älteste, markinische Judasüberlieferung, wird schnell deutlich, dass der Verräter nur eine Nebenrolle in der Geschichte Jesu spielt:

  • Judas Iskariot wird zum Jünger berufen und beauftragt, das kommende Gottesreich zu verkündigen, die bösen Geister auszutreiben und Kranke zu heilen.
  • Judas bietet der jüdischen Religionsbehörde die Auslieferung Jesu an.
  • Judas liefert Jesus mit einem Kuss aus.

 

Erst durch spätere Erweiterungen und stärker werdende Negativurteile wird Judas verurteilt, der Prototyp des Bösen zu sein, den vor allem Geldgier charakterisiert (schon bei Matthäus, verstärkt dann bei Johannes). Jüngere Rezeptionen heben das Urteil wieder auf6, Judas soll, wenn schon nicht als Freizusprechender, dann doch mindestens als enttäuschter politischer Freiheitskämpfer gesehen werden7.

Die älteste Judasüberlieferung berichtet allein davon, dass sich die Handlungskriterien des zwölften Jüngers wandelten. Zu Beginn folgt er dem Ruf und dem Auftrag, im Dienst des kommenden Gottesreiches zu stehen, d.h. die Verheißung Jesu, die sich im Auftrag des Zwölferkreises, insbesondere in Wort und Tat Jesu selbst, bereits abbildet, ist das Handlungskriterium, das Judas leitet. Am Schluss handelt er autonom, im Dienst eines – freilich nicht genannten – selbst gesetzten Zieles.

 

Didaktische Überlegungen

Der Religionsunterricht im Fachgymnasium bietet den Schülerinnen und Schülern noch einmal verstärkt die Möglichkeit, sich über nötiges Verfügungswissen hinaus persönliches religiöses Orientierungswissen anzueignen. Ihre Lebensziele verlagern sich in dieser Altersphase deutlich auf den sicheren Abschluss der Schule und die Berufsfindung sowie auf stabile Beziehungen mit Personen des eigenen und des anderen Geschlechts. Sie erleben Identitätsfindung und Verständigung in sich ausdehnenden Kreisen als drängende Aufgaben. Der Religionsunterricht kann den Schülerinnen und Schülern Jesu Verheißung des Gottesreiches als eine glaubwürdige und relevante Perspektive zeigen, in der sie die Aufgaben der Identitätsfindung und der Verständigung ohne die Angst, auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, angehen dürfen. Eine um die christliche Perspektive erweiterte Deutungskompetenz stärkt die Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler, Kriterien des eigenen Handelns begründet zu beurteilen.  

Am Beispiel der biblischen Erzählung von Judas Iskariot (Mk 3,13-19; 6,7-13; 14,10f.17-21.43-46) können die Schülerinnen und Schüler gegensätzliche Kriterien des Handelns wahrnehmen und reflektieren. Voraussetzung ist, dass sie den Weg des Judas als ganzen, d.h. von seiner Berufung bis zu seinem Verrat, kennen lernen.

Der ästhetische Zugang über die Kohlezeichnung “Der Verrat des Judas” von Otto Pankok entlastet die Schülerinnen und Schüler zunächst vom Druck, eine allzu schnelle Entscheidung treffen zu müssen, und eröffnet den Raum, christliche und autonome Kriterien des Handelns in einen Dialog zu stellen.

Damit lassen sich für eine Unterrichtsstunde “Judas begegnen” folgende Ziele formulieren: Die Schülerinnen und Schüler

  • lernen Judas in der ältesten, markinischen Überlieferung kennen und nehmen die Kriterien seines Handelns wahr,
  • reflektieren in der Betrachtung der Kohlezeichnung “Der Verrat des Judas” von Otto Pankok die Handlungskriterien
  • bringen in einem “Dialog der Gedanken” christliche und autonome Kriterien des Handelns miteinander ins Gespräch und beurteilen sie begründet.

 

Die Unterrichtsbausteine

Eine erste Begegnung:
Die Judasüberlieferung des Markusevangeliums und die stärker werdenden Negativurteile in den späteren Evangelien und der Apostelgeschichte kennen lernen

Eine Begegnung mit Judas ist für Schülerinnen und Schüler durch das Vorverständnis, der Jünger sei als Verräter der Prototyp des Bösen, belastet. Die Bearbeitung der Judasüberlieferung des Markusevangeliums bietet den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, Judas zunächst als berufenen und beauftragten Jünger Jesu kennen zu lernen. Ihn unterscheidet zu Beginn nichts von den übrigen Elf (Mk 3,13-19).

Die Schülerinnen und Schüler erhalten ein Textblatt (M1) mit den Abschnitten Mk 3,13-19; 6,7-13; 14,10f.17-21.43-46 (idealerweise gibt die Lehrerin/der Lehrer kurze Hinweise zu dem Geschehen zwischen den abgedruckten Passagen). Nach dem gemeinsamen Lesen sollen sich die Schülerinnen und Schüler dem zwölften Jünger Jesu annähern, indem sie gemeinsam mit der Lehrerin/dem Lehrer an der Tafel die Erzähllinie der Überlieferung rekonstruieren. Die Handlungen des Judas sollen benannt, seine Handlungsziele, damit auch seine Handlungskriterien herausgearbeitet werden. Die Lehrerin/der Lehrer kann folgende Fragen geben:

  • Was hat Judas – ebenso wie die anderen Jünger – überzeugt, sich ohne jede Absicherung auf das Leben eines Wanderpredigers in der Gemeinschaft mit Jesus einzulassen? Welches Ziel hatte Judas (zu Mk 6,7-13)?
  • Welche Gedanken könnten Judas dazu gebracht haben, plötzlich (noch vor der Ankündigung Jesu) die Auslieferung Jesu anzubieten? Welches Ziel hat Judas jetzt (zu Mk 14,10f.)?
  • Was hat Judas dazu bewogen, Jesus mit einem Kuss zu verraten? Welche Bedeutung hatte der Kuss in der Gemeinschaft mit Jesus? Welche Bedeutung bekommt er bei dem Verrat (zu Mk 14,43-46)?

 

Eine Stärkung der Deutungskompetenz der Schülerinnen und Schüler wird durch die Gegenüberstellung der Handlungskriterien einerseits des von der Verheißung des kommenden Gottesreiches her handelnden, andererseits des autonom, auf ein selbst gesetztes Ziel hin handelnden Judas erreicht.

In einem zweiten Schritt erhalten die Schülerinnen und Schüler farbige Moderationskarten mit kurzen Bibeltexten, die die stärker werdenden Negativurteile über Judas in den späteren Evangelien und der Apostelgeschichte zum Aus­druck bringen. In Partnerarbeit sollen die Schülerinnen und Schüler entscheiden, an welchem Punkt der Erzähllinie sie die Karten anbringen möchten (z.B.: zur Geldgier des Judas: Mt 26,14-16; Joh 12,1-8, dann zu Judas als Werkzeug des Teufels: Lk 22,3; Joh 6,70f.; schließlich zum Tod des Judas: Mt 27,3-5; Apg 1,15-20). Durch die Zuordnung wird den Schülerinnen und Schülern deutlich, dass die Texte spätere Deutungs- und Urteilsangebote darstellen, die sie mit der ältesten, markinischen Überlieferung vergleichen können.

 

Eine zweite Begegnung:
Die Kohlezeichnung “Der Verrat des Judas” von Otto Pankok betrachten und einen “Dialog der Gedanken” schreiben

Der ästhetische Zugang ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, die herausgearbeiteten Handlungskriterien des von der Verheißung Jesu her und des autonom handelnden Judas miteinander ins Gespräch zu bringen und begründet zu beurteilen. Zunächst sollen sie die Kohlezeichnung beschreiben.

Otto Pankok (1893 in Mühlheim a. d. Ruhr geboren, 1966 in Wesel gestorben) gilt als einer der führenden Künstler des expressiven Realismus in Deutschland. In seinem 1933/1934 geschaffenen 60 Blätter umfassenden Bilderzyklus “Die Passion” bezieht Pankok Stellung gegen die Machtergreifung und den Terror der Nationalsozialisten. Seine Absicht war es, über die Darstellung der Passion hinaus grundsätzliche Fragen zum Menschsein, zu Politik und Moral zu berühren. Im Dritten Reich wurden seine Werke als “entartet” aus den öffentlichen Sammlungen entfernt. Versteckt von Freunden Pankoks überlebte “Die Passion” und ist seit langer Zeit im museum kunst palast in Düsseldorf zu sehen. 

Die Schülerinnen und Schüler erkennen auf dem Blatt “Der Verrat des Judas” eine überraschende Darstellung der beiden Hauptfiguren. Pankok zeigt Jesus nicht drohend (vgl. Mk 14,21), eher ein wenig erschrocken und traurig, noch immer einladend. Judas erscheint nicht als der Prototyp des Bösen; geradezu behutsam legt er seine Hände um die Schultern Jesu. Der Jünger ist im Begriff, Jesus den Kuss zu geben – noch hat er sein Werk nicht vollendet. Deckt man den oberen rechten Bildhintergrund ab, deutet auf den ersten Blick nichts darauf hin, dass der Kuss nicht länger ein Zusammengehörigkeitszeichen ist. Erst die düstere, bedrohliche Zeichnung des Häschers im Hintergrund zeigt, dass die Zeichenhandlung des Judas der Verrat ist. Pankok vermeidet in der Zeichnung der Hauptfiguren Eindeutigkeiten; er gestaltet eine Szene, in der sich die Geschichte wandeln wird: beide Figuren stehen unsicher, barfuß, scheinbar wie auf einer Eisfläche, Dunkel umgibt sie. Die Handhaltung Jesu (mit einem Wundmal in der linken Hand) deutet auf die bevorstehende Kreuzigung hin, das Weiß im oberen linken Bildhintergrund, die einzige helle Fläche, öffnet das Bild. 

In einem zweiten Schritt erhalten die Schülerinnen und Schüler ein Arbeitsblatt (M 2), auf dem die Zeichnung in der Mitte senkrecht durchschnitten ist. Der Schnitt zeigt nicht nur die Trennung des Judas von Jesus. Vor allem bringen die nun getrennten Bildhälften die Szene zum Stillstand und eröffnen damit einen Raum, in dem die Gedanken Jesu und seines Jüngers miteinander ins Gespräch kommen können. (Ein direkter Dialog ist nicht zu empfehlen: Es entstünde der Eindruck, der Verlauf der Passionsgeschichte sei “verhandelbar”.) Die Schülerinnen und Schüler notieren in der Regel einladende, aber auch bedauernde Äußerungen Jesu und Einwände des Judas, weiterhin den Weg mit Jesus gehen zu können, die stark an Erich Frieds Gedicht “Was es ist” erinnern (“Unsinn” sagt die Vernunft, “Unglück” sagt die Berechnung, “Schmerz” sagt die Angst, “aussichtslos” sagt die Einsicht, “lächerlich” sagt der Stolz, “leichtsinnig” sagt die Vorsicht, “unmöglich” sagt die Erfahrung).8

 

M 1: Judas Iskariot im Markusevangelium

Jesus stieg auf einen Berg und rief die zu sich, die er erwählt hatte, und sie kamen zu ihm. Und er setzte zwölf ein, die er bei sich haben und die er dann aussenden wollte, damit sie predigten und mit seiner Vollmacht Dämonen austrieben. Die Zwölf, die er einsetzte, waren: Petrus – diesen Beinamen gab er dem Simon –, Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und Johannes, der Bruder des Jakobus – ihnen gab er den Beinamen Boanerges, das heißt Donnersöhne –, dazu Andreas, Philippus, Bartholomäus, Matthäus, Thomas, Jakobus, der Sohn des Alphäus, Thaddäus, Simon Kananäus und Judas Iskariot, der ihn dann verraten hat. (Mk 3,13-19)

Er rief die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. Er gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben, und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen. Und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst. Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen, zum Zeugnis gegen sie. Die Zwölf machten sich auf den Weg und riefen die Menschen zur Umkehr auf. Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie. (Mk 6,7-13)

Judas Iskariot, einer der Zwölf, ging zu den Hohenpriestern. Er wollte Jesus an sie ausliefern. Als sie das hörten, freuten sie sich und versprachen, ihm Geld dafür zu geben. Von da an suchte er nach einer günstigen Gelegenheit, ihn auszuliefern. (Mk 14,10-11)

Als es Abend wurde, kam Jesus mit den Zwölf. Während sie nun bei Tisch waren und aßen, sagte er: Amen, ich sage euch: Einer von euch wird mich verraten und ausliefern, einer von denen, die zusammen mit mir essen. Da wurden sie traurig und einer nach dem andern fragte ihn: Doch nicht etwa ich? Er sagte zu ihnen: Einer von euch Zwölf, der mit mir aus derselben Schüssel isst. Der Menschensohn muss zwar seinen Weg gehen, wie die Schrift über ihn sagt. Doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre. (Mk 14,17-21)

Noch während er redete, kam Judas, einer der Zwölf, mit einer Schar von Männern, die mit Schwertern und Knüppeln bewaffnet waren; sie waren von den Hohenpriestern, den Schriftgelehrten und den Ältesten geschickt worden. Der Verräter hatte mit ihnen ein Zeichen vereinbart und gesagt: Der, den ich küssen werde, der ist es. Nehmt ihn fest, führt ihn ab und lasst ihn nicht entkommen. Und als er kam, ging er sogleich auf Jesus zu und sagte: Rabbi! Und er küsste ihn. Da ergriffen sie ihn und nahmen ihn fest. (Mk 14,43-46)

 

M 2: Dialog der Gedanken



Jesus:_____________________

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Judas:_____________________

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Jesus:_____________________

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Judas:_____________________

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Anmerkungen

  1. Neuere Literatur zu Judas: Wolfgang Fenske: Brauchte Gott den Verräter? Die Gestalt des Judas in Theologie, Unterricht und Gottesdienst, Dienst am Wort 85, Göttingen 1999; Martin Meiser: Judas Iskarioth. Einer von uns, Biblische Gestalten 10, Leipzig 2004; Horacio E. Lona: Judas Iskariot. Legende und Wahrheit. Judas in den Evangelien und das Evangelium des Judas, Freiburg/Basel/Wien 2007; James M. Robinson: Das Judasgeheimnis. Ein Blick hinter die Kulissen, Göttingen 2007.
  2. Ruth Lapide: Judas, der erfundene Verräter?, in: Publik-Forum 6/2005, (S. 52f.) S. 53.
  3. Gottfried Orth: Friedensarbeit mit der Bibel. Eva, Kain und Co., Göttingen 2009, (S. 75-91) S. 89f.
  4. Vgl. Matthias Günther: Petrus begegnen. Annäherungen an den Verleugner. Eine Doppelstunde am Fachgymnasium, in: Loccumer Pelikan 4/2009, S. 180-186.
  5. Wilhelm Nestle: Legenden vom Tod der Gottesverächter, in: ders., Griechische Studien, (1948) Aalen 1968, S. 567-598.
  6. Vgl. Walter Jens: Der Fall Judas, Stuttgart 1975.
  7. Vgl. Luise Rinser: Mirjam, Frankfurt/M. 1983.
  8. Erich Fried: Es ist was es ist. Liebesgedichte, Angstgedichte, Zorngedichte, Berlin 1996.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 3/2011

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Dr. Matthias Günther ist Schulpastor an den BBS Alfeld und außerplanmäßiger Professor für evangelische Theologie und Religionspädagogik an der Leibniz Universität Hannover.