Beten im Raum ein kirchenpädagogischer Zugang zum Gebet

von Stephan Schaede

 

DAS THEMA

"Man kann und sol wol uberal, an allen orten und alle stund beten, Aber das Gebet ist nirgend so krefftig und starck, als wenn der gantze hauffe eintrechtiglich [im Kirchenraum] mit einander betet"1, kann man bei Martin Luther lesen. Im Kirchenraum gewinnt gemeinsames Beten eine besondere Intensität. Das meint selbst Martin Luther. Und der Reformator hat ja in Sachen Kirchenraum im Vergleich zu manch emphatischer kirchenraumpädagogischer Stimme unserer Zeit eher nüchterne Register gezogen.2

Folgt man Luther, so kann also Beten im Raum mit phänomenologisch gutem Grund zum Thema des Konfirmandenunterrichts gemacht werden. Für die Konfirmanden müssen dann allerdings zwei Voraussetzungen deutlich sein, nämlich erstens: Überall kannst du beten, nicht nur in der Kirche. Und zweitens: Du bist fähig, zu beten.

Die Frage ist, ob der Konfirmandenunterricht nicht erst einmal diese beiden Voraussetzungen klären muss, bevor ein kirchenpädagogischer Zugang zum Thema eröffnet werden kann.

Das muss dann nicht geschehen, wenn eben der Kirchenraum als Ort genutzt wird, um einen eigenen Zugang zum Beten selbst zu finden.

Wie also über die Raumwahrnehmung eines Gebetsexerzitiums im Kirchenraum ein Zugang zum Thema Gebet gebahnt werden kann, wird im folgenden entwickelt. Dieser Zugang unterstellt ein bestimmtes Grundverständnis von Gebet (1.1.), Raum (1.2.) und der Eigenart des Betens im Kirchenraum (1.3.).

 

Gebet

  1. Das Gebet gehört in den Konfirmandenunterricht. Es gehört in ihn nicht nur als Unterrichtsgegenstand. Beten ist nämlich eine Art praktisches Epilegomenon des Glaubens. Und deshalb verlangt der Konfirmandenunterricht nach einer ihn kontinuierlich begleitenden Gebetspraxis. Das ist theoretisch leicht gefordert. Wer jedoch schon einmal nachmittags um 16.15 Uhr vor 27 Konfirmanden gestanden hat, die vorher 9 Stunden Schule absolviert haben, weiß, dass die praktische Realisierung dieser Forderung im Konfirmandenunterricht anspruchsvoll ist.
    Dennoch: Der theologische Sachgrund dieser Forderung ist ebenso schlicht wie grundlegend: Gott ist jemand und nicht etwas. Wenn das so ist, dann ist eben Gott im Binnenraum der sich zu ihm bekennenden Kirchen immer mehr als ein Unterrichtsgegenstand, mit dem sich Konfirmandinnen mehr oder weniger gewollt zwei Konfirmandenjahre herumschlagen. Denn wenn Gott jemand ist, dann ist er ansprechbar und verlangt danach, angesprochen zu werden. Konfirmanden haben einen Anspruch wenigstens auf die Möglichkeit, dies zu erfahren.
  2. Die Grundform des Gebets ist die Bitte. Übrigens nicht erst seit diesem Jahrhundert und nicht vor allem für Konfirmandinnen und Konfirmanden.3 "Der betende Mensch ist ein bittender und also ein bedürftiger, ein der Hilfe bedürftiger Mensch."4
  3. Den Dank als Form des Gebetes zu entdecken, heißt nicht, sich Gott zu unterwerfen, sondern sich daran zu freuen, dass ich von Gott zu meinem Leben, so wie es nun einmal ist, befreit bin.
  4. Die Klage ist wesentlicher Bestandteil eines Glaubens in einer noch nicht erlösten Welt. In der Gebetsklage realisiere ich, dass ich in der Welt Furchtbares entdecke, das mir schlechterdings unerklärbar und unfassbar bleibt. Wer nicht klagt, gibt sich vor Gott mit dem Zustand seiner Welt als Gottes Schöpfung zu früh zufrieden.
  5. Gott ist der, dem ich alles sagen kann. Ich darf ihm alles sagen, weil ich mit Gott auf Du und Du stehe (Vater- bzw. Abbaanrede). Ich darf ihm alles sagen, weil "Beten heißt, die Dinge beim Namen nennen."5 Es muss dem Gebet kein geistlicher Filter vorangestellt werden. Es ist gut zu wissen, dass Gott auf meine Alltagswelt mit allem, was dazu gehört, ansprechbar ist.
  6. So richtig die Beobachtung sein mag, dass sich Jesus im Verlauf seiner wiederholt drängenden Bitten im Garten Gethsemane in den Willen Gottes einstellt (Mk 14, 36), und so wahr es sein mag, dass ich mich beim Beten in den Willen Gottes einstimme (Joh 15, 7; 1. Joh 5, 14) und zur Übereinstimmung mit seinen Geboten (Joh 3, 22) kommen mag, und so geistlich ernsthaft die Bemerkung sein mag, das Gebet sei die Erziehung des Wunsches, so darf die Sehnsucht eines Menschen, die sich in seinen Bitten artikuliert, nicht gegängelt werden. Es muss also auch deutlich gesagt werden: Ich darf Gott im Gebet mit meinen Bitten bedrängen. Denn Gott ist jemand, der mich liebt. Als Lehrstück für dieses Phänomen kann im Konfirmandenunterricht die Geschichte von der bittenden Witwe (Lk 18, 1 – 8) dienen.
  7. Beten zu können, versteht sich nicht von selbst. Es ist eine sehr anspruchsvolle Kommunikationsform6. Denn Gott wartet als Gesprächspartner im Verborgenen auf mich. Das ist ungewöhnlich. Ich muss mich mehr als sonst konzentrieren. Das Beten muss deshalb eingeübt werden. "Wie ein Schuster einen Schuh machet und ein Schneider seinen Rock, also soll ein Christ beten. Eines Christen Handwerk ist beten."7 Der Konfirmandenunterricht sollte sich der Ausbildung in diesem Handwerk nicht einfach verweigern.

  

Raum

Der Kirchenraum8 ist potentiell ein Raum, der mich religiös anspricht. Eine Kirche, wenn sie keine Gemeinderaumkirche ist, ist etwas anderes als das heimische Wohnzimmer oder ein Tagungsraum. Eine Kirche kann zu einer Gegenwelt meiner Alltagswelt werden, wenn sie mich mit den Erfahrungen, mit denen ich ihn betrete, unterbricht, und so zu neuen Erfahrungen mit mir und meiner Welt herausfordert. Ich sehe, höre, rieche anderes und nehme meine Bewegungen in anderer Weise wahr als etwa in einem Konfirmandenunterrichtsraum.

Ob und wie der Kirchenraum meine Alltagserfahrungen unterbricht, hängt wenigstens von drei Faktoren ab. Erstens beeinflusst das der Raum als solcher: Wozu reizen mich seine Texturen, das Kreuz über dem Altar, der Taufstein, das Gewölbe usw.? Es hängt zweitens von mir selbst als leiblich-räumlich verfasster Person ab. Wie finde ich mich gerade selbst vor? Was weiß ich von diesem Raum? In wie weit bin ich in das christliche Zeichensystem eingebunden? Was löst bei mir eine ungewöhnliche Raumhöhe aus? Was assoziiere ich bei einem typischen Kirchengeruch? Entscheidend ist aber auch drittens der soziale Raum: Mit wem halte ich mich in dem Raum auf, sind mir diese Menschen fremd oder kenne ich sie gut? Mag ich sie? Wo befinden sich diese anderen Personen im Raum? Was machen sie gerade? Diese Vielzahl von Fragen zeigt: Wie sich eine Gruppe oder ein Mensch in einem Raum verhält und vorfindet, ist nicht kalkulierbar. Beten im Raum im Konfirmandenunterricht hat der Sache nach ein pädagogisches Abenteuer zu sein.

Innerhalb dieses Abenteuers ist der Kirchenraum im Gefüge von sozialem Raum und Raum der eigenen Person selbst ein potentieller Performativ, kann also, aber muss nicht die Person, die ihn betritt, in einer seinen Texturen entsprechenden Weise verändern. Ein performatives Potential jedes Kirchenraums ist, dass er Gebetsraum ist. Insofern kann er ins Gebet einstimmen.

 

Gebet und Raum

Beten ist eo ipso Handeln, Handeln im Raum. Das hängt allein schon damit zusammen, dass Beten eine Lebensregung ist. Es muss nur klar sein, dass Gebet in einer durchgestalteten Durchformung begegnet, die ritualisiert genannt zu werden verdient9, und nicht nur mit einer beliebigen Gestik begleitetes Handeln ist.

Ich selbst mit meiner Haltung bin dann Resonanzraum für das Gespräch mit Gott. Was sich also beim Beten im Kirchenraum ereignen kann, ist das, was ich andernorts die Wahrnehmung der Kommunikation mit Gott im dreifachen Resonanzraum von Einzelnem, sozialem Raum der Gruppe und Kirchenraum genannt habe.10 Diese dreifache Resonanz kann in einer kirchenpädagogisch angelegten Unterrichtsstunde zum Thema Beten Ereignis werden.

 

Unterwegs zur Realisierung des Betens im Raum – sieben Probleme

Diesem Ereignis im Konfirmandenunterricht auf die Spur zu kommen, stellen sich einige Probleme in den Weg. Sechs seien hier eigens zur Schärfung des Problembewusstseins benannt. Vorab möchte ich aber der Behauptung Christian Grethleins widersprechen, die "entwicklungspsychologisch gegebene Konzentration Pubertierender auf ihre eigene Identitätsgewinnung" stehe "in Spannung zu den ... Verhaltensweisen"11, die das Beten verlange. Denn erstens ist Gebet ein Akt, der gerade auch in Phasen mangelnder Selbstgewissheit Identitätsgewinn bietet. Zumal in persönlichen Krisen sind Jugendliche meiner Erfahrung nach verstärkt auf das Beten ansprechbar. Und zweitens besteht nach den Erfahrungen, die ich bislang sammeln konnte, bei Konfirmanden größtes Interesse an Formen, die die klassische schulische Arbeitsform von Stuhl, Tisch, Zettel, Stift und Flipchart respektive Tafel verlässt, wie Rollenspiel, Pantomime, Blindenführung, Phantasiereise mit Phasen der Stille usw. Also Arbeitsformen, die in die Nähe von Haltungen führen, die mit Beten zu tun haben, sind gerade in dieser Entwicklungsphase bei Jugendlichen willkommen. Sie müssen nur mit größter Selbstverständlichkeit vom Unterrichtenden eingeführt werden!

Folgende Probleme hingegen sind meines Erachtens wirklich virulent:

 

1. Problem: Der Weg zum Beten
Wie komme ich dahin? Ist es nicht ein spiritueller Sprung ins kalte Wasser, mit den Konfirmanden eine Kirche zu betreten und dort Gebetsübungen zu initiieren? Dieses Problem wird unter Punkt (3.) bearbeitet.

2. Problem: Beten mit angezogener Bremse – Gebetsvorerfahrungen der Konfirmanden
Alle Konfirmanden haben zuvor Erfahrungen mit dem Gebet gemacht. Im kirchlichen Kontext erleben sie jedoch das Gebet häufig nur in seiner verschriftlichten Form. Sie erleben es als abgelesenes Gebet, in der alle Kühnheit allein darin besteht, hin und wieder einen Nebensatz in freier Form einzuflechten. Eigentlich ist es fatal, wenn Konfirmanden wahrnehmen, dass selbst Pastorinnen und Pastoren mit Gott vor anderen nur schriftlich verkehren12. Diese reduzierte Kommunikationssituation in der Gebetspraxis ist ein eher unfruchtbarer Boden für eine Gebetspropädeutik im Konfirmandenunterricht.

3. Problem: Die ästhetischen und kommunikativen Voraussetzungen beim Betenden

Beten setzt eine Reihe von Fähigkeiten beim Betenden voraus: Stillsein, Bereitschaft zum Abstand gewinnen von einer Reizüberflutung, die Fähigkeit zur Wahrnehmung dessen, was mich bewegt, die soziale Fähigkeit zur offenen Kommunikation und sich jemand anderem zu öffnen. Diese Fähigkeit ist in einer Lerngruppe nicht gleichmäßig ausgebildet. Schon ein unkonzentrierter Konfirmand kann eine gemeinsame Annäherung an das Beten empfindlich stören

4. Problem: der Kirchenraum ist ein den Konfirmanden ursprünglich fremder Gebetsraum
Der Kirchenraum ist zwar der Ort, wo Konfirmanden aufgrund der Gottesdienstpräsenz während des Konfirmandenunterrichtes gemeinsames Beten erleben. Aber für sie selbst ist dies nicht der bevorzugte Ort des Gebetes. Vielmehr ist das "intimste Umfeld für viele Kinder und Jugendliche der beste Ort für das Gebet."13 Und Christian Grethlein, der das behauptet, meint sehr konkret das eigene Bett – also das präzise Gegenteil einer KirchenbanK

5. Problem – die unterrichtende Person
Das womöglich größte Problem ist die unterrichtende Person selbst. Sie ist die Schnittstelle für eine raumorientierte Hinführung zum Gebet. Die unterrichtende Person ist dabei nicht nur Kopf mit Informationen, sondern Leib, verkörperte Haltung und mit jeder Geste Repräsentant des Unterrichtsgegenstandes, in den eingeführt werden soll. Die unterrichtende Person wird deshalb gerade als betende Person sehr genau beobachtet werden.14 Wie tritt er oder sie beim Beten auf?
An dieser Stelle kann der Unterrichtende leider nicht entlastet werden, ist nicht bloß Moderator, nicht nur Hermeneut von Meinungen oder Mäeut der Gebetsauffassungen von Konfimandinnen und Konfirmanden. Er muss selbst überzeugt von der Sache des Betens diese in großer Selbstverständlichkeit praktizieren. Ist dies nicht möglich, sollte vielleicht sogar von einer Einheit "Beten" vorerst Abstand genommen werden. Zur Not ist keine Gebetspaxis dann noch besser als eine schlechte Gebetspraxis, weil letztere den Zugang zum Beten auf längere Sicht verstellt.

6. Problem – der kommunikative Sprung vom Beobachter zum Beter
Auch wenn ich als Unterrichtender versuche, möglichst behutsam an das Gebet heranzuführen, gibt es schließlich einen fundamentalen Sprung von der Außenperspektive des Gebetsbeobachters zur Innenperspektive des Betenden. Das ist beim Gespräch mit Gott ähnlich wie bei einer Liebeserklärung. Entweder man spricht den anderen Menschen an oder man tut es nicht.15

7. Problem – die Gebetssituation lässt sich nicht unterrichtlich einfach herstellen
Das siebte Problem ist weniger ein Problem als eine Bemerkung zu möglichen Intentionen, die ich im Umgang mit dem geistlichen Akt des Betens verfolgen kann.
Die Einheit Beten kann im Konfirmandenunterricht nicht mehr sein wollen als eine Hinführung zum Beten im strengen Sinne. Beten ist ein freiheitlicher Akt. Dazu kann keine Methode Konfirmanden zwingen. Beten ist zudem eben ein geistlicher Akt, weshalb ich mit den besten Methoden niemals darüber verfügen kann, ob ich oder andere wirklich mit Gott ins Gespräch kommen.
Einige der genannten Probleme entschärfen sich, wenn zuvor die Einheit Beten im Konfirmandenunterricht eingebettet wird: 

 

Der Ort der Einheit "Beten" im Gesamtablauf des KU-Unterrichtes

Konfirmanden haben immer schon Gebetserfahrungen, wenn der Konfirmandenunterricht beginnt, selbst wenn es in der Hauptsache lediglich Erfahrungen mit dem betenden Nachbarn im Gottesdienst sein sollten. Insofern beginnt ein Gespräch über das Gebet und zugleich eine Heranführung an die Chancen des Betens als befreiende Klage, Bitte und Dank nie bei Null. Daran kann, ohne das zunächst explizit zu thematisieren, angeknüpft werden – und zwar am besten von der ersten Begegnung nach dem Begrüßungsgottesdienst der neuen Vorkonfirmanden an.

Sechs ebenso triviale wie wirksame Hinweise seien hier gegeben:

  1. In jeder Konfirmandenunterrichtsstunde mit einem Gebet mit der frommen Tür ins Haus zu fallen, ist einigermaßen gewagt. Der Übergang vom Schulalltag zum Konfirmandenunterricht gerät dann leicht zum religiösen Kaltstart. Auch in einem Gottesdienst steht ja das Kollektengebet nicht gleich am Beginn der Liturgie.
  2. Hingegen wird es bestimmt keinen Konfirmanden und keine Konfirmandin wundern, wenn eine Pastorin oder ein Pastor mit ihnen den Konfirmandenunterricht mit einem Vater Unser abschließt. Es wird sie nicht einmal befremden, wenn dabei eine bestimmte Haltung eingenommen wird. Ich würde das gleich zu Beginn des Konfirmandenunterrichtes als Schlussform anbieten. Sie überfordert keinen der Anwesenden spirituell.
  3. Es spricht ebenfalls nichts dagegen, den Beginn der Unterrichtsstunde zu ritualisieren, und zwar durch ein Ritual, das mit dem Gebet insofern zu tun hat, als dass es konzentriert und zur Stille einlädt (z.B. Stimmungsbild und Entzünden einer Kerze o.ä.).
  4. Die Einheit Beten kann nur dann gelingen, wenn sich die Konfirmanden als Lerngruppe untereinander gut kennen und auch mit der unterrichtenden Person bestens vertraut sind. Ich würde sie genau in dem Moment ansetzen, wo ein entsprechendes Unterrichtsklima entstanden ist – dann aber keinen Moment mehr zögern, eben weil es um die Beschäftigung mit einer wenn überhaupt, dann oftmals nur latent thematisierten Grundhaltung geht.
  5. Bestimmte Ereignisse geben Anlass zum Gebet, so z.B. ein Trauerfall in der Familie eines Mitkonfirmanden16. Not lehrt hier in der Tat beten. Konfirmanden können dann das Gebet als eine Ausdrucksform eigener Not oder Ratlosigkeit entdecken.
  6. Soll schließlich Beten im Raum als eine Hinführung zum Gebet gelingen, darf die Form der Raumerschließung selbst nicht völlig unbekannt sein. Haben also die Konfirmanden bereits im Zusammenhang der Gottesdiensterschließung kirchenpädagogische Raum-Leib-Etüden absolviert, sich im Raum frei bewegt und dort schon einmal laut und frei gesprochen, so haben sie in dieser Form der Raum- und Selbstwahrnehmung bereits Erfahrungen gesammelt, die die Konzentration für die Erschließung desBetens im Raum deutlich erhöht.17

 

Der Ort der Erschließung des Betens im Raum in der Einheit selbst

Konfirmandinnen und Konfirmanden haben vor ihrer Konfirmandenzeit Vorerfahrungen mit dem Beten. Doch diese Vorerfahrungen sind innerhalb einer Lerngruppe überhaupt nicht homogen. Tendenzen mag es geben. Und es werden wohl mehr als nur 27% der deutschen Jugendlichen manchmal oder regelmäßig beten. Vermutlich betet sogar die deutliche Mehrheit aller Jugendlichen18. Allerdings wäre es naiv, diese Tendenzen ungeprüft auf die konkrete Gruppe zu projizieren, die unterrichtet wird. Diese Tendenzen sind vielmehr für kleine Größen wie Konfirmandengruppen überhaupt nicht stabil, nicht einmal in ein und demselben Ort, also bei ähnlichem sozialem Umfeld.19 Ich empfehle deshalb, Vorerfahrungen anonym abzufragen20, diese gemeinsam auszuwerten, um daraufhin den Zugang zum Gebet zu eröffnen. Das bietet der unterrichtenden Person und vor allem den Konfirmanden selbst größere Klarheit über die Einstellungen zum und Erfahrungen mit dem Beten. Mit etwas Glück bietet die Auswertung der gruppeninternen Abfrage den Boden für eine offene Gesprächssituation zum Thema.21

Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, gemeinsam ein Lied zu singen wie "Laudato si" oder "Danke für diesen guten Morgen". Beim Gespräch über dieses Lied stellen die Konfirmanden nämlich verblüfft fest, dass ausgerechnet eines ihrer Lieblingslieder nichts anderes als ein gesungenes Lob- und Dankgebet und nicht einmal ein Bittgebet ist. Interessante Gesprächsgänge eröffnet schließlich die Frage, ob eine gesungene Annäherung an Gott leichter fällt als gesprochene Worte.

Wie im einzelnen fortgefahren wird, hängt von den grundlegenden Intentionen ab, die mit der Einheit verfolgt werden. Die im folgenden vorgestellte Stunde ist als zweite Stunde in der Einheit Beten konzipiert.

 

Die Konzeption

Wer mit Konfirmanden eine Gebetserschließung im Raum durchführen möchte, mag sich fragen: Ist mein Kirchenraum überhaupt dafür geeignet? Meine Antwort lautet: In jedem Falle ja! Eine solche Gebetserschließung gelingt nicht nur in Kirchen, die ein romanisches oder gotisches Raumprogramm bieten und etwa noch mit einer Renaissance-, Barock- oder anderen symbolträchtigen Raumausstattung glänzen können. Das liegt einfach daran, dass die praktischen Übungen nicht auf eine ausgeprägte Raumikonographie angewiesen sind.

Das im folgenden vorgeschlagene Konzept kann in jedem Kirchenraum gestaltet werden, der als für geistliche Handlungen reservierter Raum erkennbar ist und in dem die zentralen liturgischen Orte klar ausgestaltet sind.22

 

Phase 1: Präliminarien
Bereits am Ende der vorangehenden Stunde wurde vereinbart, die Taschen im Gemeinderaum zu deponieren und sich dann vor der Kirchentür zu treffen. Vor der Kirchentür müssen alle technischen Präliminarien des Unterrichts erledigt sein. Es wäre für die Raumerschließung kontraproduktiv, wenn die unterrichtende Person nach dem Ankommen im Raum die Anwesenheitsliste zückt. Der Kirchenraum soll schließlich als ein Raum erschlossen werden, in dem man beten kann. Vor der Tür also werden die Konfirmanden begrüßt – was in der Gruppe "oben auf liegt" und nicht zum Thema gehört, muss jetzt geklärt werden. Dann wird in nur zwei Sätzen, die Spannung erzeugen, angekündigt, worum es geht.

Phase 2: Der Überschritt vom Alltagsraum in den Kirchenraum als Gebetsraum – Ankommen im Raum
Bereits das Eintreten in den Kirchenraum ist Beginn der Heranführung an das Thema "Beten im Raum". Es wird deshalb selbst als Übung konzipiert. Der Ortswechsel von draußen nach drinnen muss als Schwellenerfahrung realisiert werden können.23 Der Zielpunkt des Eintretens wird benannt, nämlich ein Sitzkreis in der Kirche (mit genauer Ortsangabe).24 Im Zentrum des Sitzkreises brennt ein Osterleuchter.25 Die Übung selbst kann ganz schlicht gestaltet werden. Das, was vielleicht bei einer Erschließung des Kirchenraums als Kirchenraum angezeigt ist, ist hier nicht nötig. Prozessionen mit Utensilien o. ä. sind überflüssig. Wichtig ist allein, dass die Konfirmanden sich konzentrieren und für die Wahrnehmung ihres Körpers im Raum sensibilisiert werden. (z. B. "Wir betreten schweigend die Kirche, jeder in dem Tempo, das für ihn gut ist. Spürt dem nach, wie Eure Füße auf dem Boden abrollen. Versucht dann, wenn ihr auf einem der Stühle des Sitzkreises Platz genommen habt" o. ä.).

Phase 3: Zum Beten gehört der Körper – Gebetsgesten
Es bietet sich an, sukzessive mit dem Raum warm zu werden und zugleich miteinander zu realisieren, dass Beten nicht nur eine Angelegenheit des Kopfes ist. Deshalb wird in der dritten Phase im "Innenraum" des Stuhlkreises ein Gespräch über Gebetsgesten initiiert. Gefragt wird nach Gebetsgesten, die die Konfirmandinnen aus eigener Erfahrung kennen, bei anderen schon beobachtet oder in den Medien schon wahrgenommen haben. Diese Gesten werden nicht nur referiert, sondern von der Person, die sie nennt, demonstriert und dann gemeinsam nachvollzogen. Gefragt wird dann hinterher jeweils, was diese Gesten bei einem bewirken, vor allem aber, worin der gute Sinn von Gebetsgesten liegt.

Phase 4: Beten im Raum – Übung mit Sprache
Lautes Beten in bestimmter Haltung im Raum löst Resonanzen aus. Diese eröffnet die zentrale 4. Übungsphase. Als Gebetstext bietet sich das Vater Unser an, zumal dann, wenn es im folgenden noch Gegenstand der Unterrichtseinheit werden sollte. Dieser Text ist der wohl vertrauteste Gebetstext, der sich in christlichem Kontext denken lässt. Es ist zugleich Urtext aller Bittgebete und kommt eben als Bittgebet den Jugendlichen26 entgegen.

Deshalb sind an den Wänden des Kirchenraums den ganzen Raum hindurch je nach Raumgröße DIN-A-4 oder DIN-A-3 Bögen mit einzelnen Phrasen des Vater Unsers in Augenhöhe angeheftet (in großer Schrift, die sich auch in weiterer Entfernung gut lesen lässt; maximal vier Worte pro Blatt).

Ferner sind im Raum ein weicher Teppich ausgelegt und zwei Liegen aufgestellt. Einige Kniebänke stehen zur Verfügung. So wird das Repertoire an denkbaren Haltungen während der Übung deutlich erweitert.

Die Übung wird durch Hinweise initiiert: "Wir haben verschiedene Gebetsgesten ausprobiert. Jetzt gehen wir einen Schritt weiter. Sucht Euch Worte aus dem Vater Unser und sprecht sie laut, unterschiedlich laut, so jedenfalls, dass ihr euch dabei wohl fühlt. Und sucht nun verschiedene Orte im Raum auf, geht an den Altar, setzt euch in die Bank, legt euch auf den Liegestuhl, hockt euch auf die Gebetsbank, legt euch auf den Teppich – mal auf den Bauch – mal auf den Rücken, faltet die Hände, reckt sie zur Decke, probiert Verschiedenes aus. Gebt Eurer Phantasie freien Lauf ..." Verschiedene Gebetsworte und -gebärden treffen an verschiedenen Orten aufeinander. Klangklaster entstehen. Das darf eine Weile dauern. Die Übung wird durch ein Signal beendet (Glockenschlag o. ä.). Alle finden sich im Sitzkreis ein. Dort wird das Vater Unser einmal gemeinsam gesprochen.

Phase 5: Austausch über die Erfahrungen
Im Hintergrund des Austausches steht ein Interesse an folgenden Fragen: Welche Erfahrungen haben die Konfirmanden gemacht? Welche Haltung hat ihnen am meisten zugesagt? Wo haben sie sich wohl gefühlt, wo nicht so? Wie wirkte auf sie das gemeinsam gesprochene Vater Unser im Vergleich zu den vorangehenden Übungen? Kam es zur Erfahrung der dreifachen Raumresonanz zwischen Einzelnem, Gruppe und Kirchenraum?

Phase 6: Beten in der Stille des Raumes – Beten für sich
Unter den Stühlen des Sitzkreises sind Kerzenschalen deponiert. Die Konfirmanden entzünden die Kerzen am Osterleuchter und suchen mit der Kerzenschale in den Händen schweigend einen Ort in der Kirche auf, an dem sie sich am besten vorstellen können, still zu werden. Wer mag, kann probieren, für sich zu beten. Diese Übung kann – das erhöht in der Regel die Bereitschaft zu konzentrierter Stille – eine CD mit geeigneter Musik unterlegen.27 Das Ende des Musikstückes ist Signal für die Rückkehr zum Sitzkreis.

Phase 7: Austausch über die Erfahrungen
Hier stehen Fragen wie etwa diese im Hintergrund: Wie war diese Übung im Vergleich zu der Sprechübung? Wurde ins Gebet hineingefunden?
Im Schnitt sind nach Phase sieben ca. 45 – 50 Minuten verstrichen. Je nach Zeitbudget, muss der Unterricht also nach dieser Phase abgeschlossen werden. Es versteht sich von selbst, dass die Gruppe nicht aus der Kirche hinauspoltert. Die Schwellenüberschreitung von innen nach außen gehört gestaltet.28 Denkbar ist ein gemeinsamer Auszug, bei dem ein Kanon o. ä. gesungen wird.
Wem mehr Zeit zur Verfügung steht, ist in der glücklichen Lage, den Ort zu wechseln und im Konfirmandenunterrichtsraum mit der Gruppe das Erlebte weiter zu reflektieren und etwa durch Lektüre von Mt 6, 5 – 13 die in der Regel unbekannte Herkunft des Vater Unser zu klären und anhand von Mt 6, 5 – 8 auf die Übungen hin auszulegen.
Dieser anschließenden Reflexion sollte aber eine (Tee-)Pause vorangehen. Die Konzentration dürfte nämlich nach dieser Gebetserschießung im Raum zunächst erschöpft sein.

 

Schlaglichter aus konkreten Durchführungen des Konzeptes

In der Unterrichtspraxis hat sich dieses Konzept im wesentlichen als praktikables Grundgerüst bewährt. Die Gebetserschließung im Raum kann in dieser Form in der Tat in der Folgezeit des Konfirmandenunterrichts zu einem entspannteren Umgang mit dem Thema beitragen – praktisch wie theoretisch.

Die dreifache Raumresonanz zwischen Gruppe, Einzelnem und Raum wird realisiert. Und dass die Haltung beim Beten kein von der religiösen Sitte aufoktroyierter Schnörkel ist, wird begriffen. Einige Konfirmanden überschreiten die Grenze zwischen vorläufigem Probehandeln zum Gebet hin. Das hat das Nachgespräch (Phase 5 bzw. 7) gezeigt. Dieser Überschritt ist nicht zwingend (s. o.).29 So oft es zu ihm kam, ist das für die Betroffenen produktiv gewesen.

Eine Schaltstelle für den weiteren Verlauf bildet in der Unterrichtspraxis die 3. Phase. Sie ist als Exerzitium eine Schaltstelle, insofern sie für die Konfirmanden einem echten Aufwärmtraining für die Phase 4 gleichkommt. Es ist wirklich wichtig, dass alle Konfirmandinnen und Konfirmanden schon in Phase 3 jede Geste erproben. Geschieht dies nicht, kann es in Phase 4 zu Hemmungen bei denjenigen kommen, die zuvor nicht miterprobt haben.

Phase 3 ist zugleich eine inhaltliche Schaltstelle. Denn bei Gebetsgesten werden von den Konfirmandinnen und Konfirmanden zwangsläufig auch Gesten anderer Religionen assoziiert und benannt. Sie sind durch entsprechende Fernsehberichte gerade hier sehr gut informiert. Darauf muss der Unterrichtende vorbereitet sein. Was da geäußert wird, gehört gemeinsam eingeordnet. Es darf sich im Unterricht kein Klima universalreligiöser Spiritualität breit machen. Es genügt also nicht, Beobachtungen theoretisch und Gestenübungen praktisch aneinander zu reihen – und sich etwa beim gemeinsamen Om-Singen recht wohl zu fühlen. Letzteres ist einfach im Rahmen von evangelischem Konfirmandenunterricht nicht angesagt. Das Unterrichtsgespräch kann aber leicht entsprechende Beiträge sinnvoll strukturiert einordnen. Es spricht m.E. durchaus nichts dagegen, auch Gebetsgesten fremder Religionen zu erproben, so lange eben deutlich gemacht wird: In allen Religionen werden unterschiedliche Formen gewählt, die in einer Hinsicht ein gemeinsames Ziel haben: geistliche Sammlung. Der Adressat des Gebets ist jedoch nicht der gleiche.

Ist dies klar, so dürfte diese Übung zu Gebetshaltungen nicht zum Einfallstor einer universalreligiös diffusen Gebetsduselei werden.

Zu Phase 4 ist zu sagen. Es kann sein, dass im Verlauf der Übung einige Konfirmanden das Vater Unser überlaut rezitieren. Folgender Eingangsimpuls kann das aber leicht konstruktiv verhindern: "Ihr müsst beim eigenen Sprechen die anderen hören können, hören, wie sich eure Stimme mit der Stimme der anderen mischt." Ist dies geklärt, so gerät diese Übung zu einem für die Konfirmanden faszinierenden Hör-, Bewegungs-, Seh- und Sprechereignis.

In einem Fall hat eine Konfirmandin die Übungen der Phase 4 verweigert. Das ist natürlich zu akzeptieren. Die unterrichtende Person tut gut daran, vorab den Freiwilligkeitscharakter gerade dieser wie der nachfolgenden Übung zu betonen. Es darf kein Spiritualitätszwang entstehen. Das gemeinsam gesprochene Vater Unser wird übrigens nicht als inhaltliche Dublette erfahren. Es führt bei vielen Konfirmanden nach den vorherigen Klangklastern zu einer besonderen Kontrasterfahrung. Sie teilen mit, etwas von der Kraft des unisono gemeinsam gesprochenen Gebetes erfahren zu haben.

Phase 6 macht eher unruhigen Gruppen Schwierigkeiten. Es kann passieren, dass der eine oder die andere nervös reagiert und das Schweigen stört. Hier wirkt Wunder, wenn gesagt wird: "Haltet auf jeden Fall Abstand. Setzt euch ja nicht direkt nebeneinander. Ihr braucht genügend Freiraum um euch herum."

Bei sehr schwierigen Gruppen würde ich diese Phase nicht durchführen. Für gut eingespielte Gruppen ist sie aber gerade nach der bewegten Phase 5 ein großer Gewinn und insofern unentbehrlich.

Insgesamt ist es klug, allen Konfirmanden ausdrücklich eine eher langsame, nicht jedoch gehemmte Fortbewegungsart im Kirchenraum ans Herz zu legen.

Schließlich ist auf ein Defizit dieser Gebetserschließung im Raum hinzuweisen: Das vorgeschlagene Unterrichtskonzept bietet nicht die Möglichkeit, sich als Einzelnen allein im Raum intensiv wahrzunehmen – das ist höchstens bei größeren Kirchen in Phase 6 partiell möglich. Aber diese individuelle Erfahrung im Raum wird gerade auch nach Lektüre von Mt 6, 5 – 8 von einigen Konfirmanden angemahnt. Ich habe deshalb den Konfirmanden angeboten, im Lauf der kommenden Woche die Kirche alleine aufzusuchen, um das, was wir gemeinsam gemacht haben, alleine zu erproben. Für mich verblüffend hat immerhin fast ein Drittel der Konfirmanden von diesem Angebot Gebrauch gemacht.

Schließlich ist zu sagen: Wer den Konfirmanden einen Zugang zum Gebet über den Raum eröffnen will, muss durch den weiteren Verlauf der Einheit Beten verhindern, dass in einer Art abergläubisch-rituellen Fehlschluss der Eindruck entsteht, das Gebet habe nur in der Kirche seinen Sitz und entfalte bloß dort seine genuine Kraft.30 Zur Vermeidung dieses Missverständnisses sollte die Erschließung des Gebetes im Raum auf keinen Fall die Einheit Gebet abschließen.

Dass das Gebet, vor allem aber die Fürbitte allerorten Teilhabe am Regiment Gottes in der Welt ist, wird den Konfirmanden wohl insbesondere dann deutlich, wenn sie ein gemeinsames Gebetbuch projektieren, in dem von den Konfirmanden ausgewählte oder selbst formulierte Gebete zusammengetragen und im Verlauf der Konfirmandenzeit sukzessive ergänzt werden. Ich halte es für glücklich, wenn Konfirmanden selbst im Konfirmandenunterricht aus diesem Gebetbuch Gebete vorsprechen. Die Bereitschaft der Identifikation mit diesen Gebeten ist innerhalb der Lerngruppe nämlich sehr hoch. Und werden in diesem Gebetsheft Gebete zu verschiedensten Lebenslagen – von der Klassenarbeit, über das Fußballspiel bis zur Reise und Krankheit – zusammengestellt, so ist der Gefahr der Verengung des Gebets auf den Sakralraum gewehrt, ohne eben Luthers eingangs zitiertes Diktum relativiert zu haben. Beten im Kirchenraum ist geistlich lohnend – auch im Konfirmandenunterricht.

 

Anmerkungen

  1. Vgl. WA 49, 590, 24 - 26.
  2. S. Schaede, Konfirmandenunterricht raumgreifend inszeniert. Kirchenpädagogik als Propädeutikum gottesdienstlicher Raumerfahrung, in: Konfirmandenunterricht. Didaktik und Inszenierung, hrsg. von B. Dressler, T. Klie und C. Mork, Hannover 2001, S. 356 - 389, S. 369 - 371.
  3. Dieses Missverständnis könnten die Mitteilungen von C. Grethlein, "Beten lernen in der Konfirmandenzeit" in: C. Mork (Hg.) Beten lernen, Arbeitshilfe KU 21, Loccum 2002, S. 7 unter Umständen nahelegen.
  4. E. Jüngel, Was heißt beten?, in: ders., Wertlose Wahrheit. Zur Identität und Relevanz des christlichen Glaubens – Theologische Erörterungen, Bd. 3, München 1990, S. 297 - 405, S. 398.
  5. Vgl. Jüngel, a. a. O., S. 404.
  6. Vgl. Hierzu Grethlein, a. a. O., S. 9
  7. M.Luther, WA.TR 6, Nr. 6751, S. 162, 35f.
  8. Vgl. zu meinem Kirchenraumverständnis in Auseinandersetzung mit anderen Kirchenraumdeutungen: S. Schaede, Konfirmandenunterricht raumgreifend inszeniert. Kirchenpädagogik als Propädeutikum gottesdienstlicher Raumerfahrung, in: Konfirmandenunterricht. Didaktik und Inszenierung, hg. von B. Dressler, T. Klie u. C. Mork, Hannover 2001, S. 356 - 389, S. 368 - 378.
  9. Der Hinweise von R. Albertz, Art. Gebet II. Altes Testament, in: TRE 12 (1984), 34 - 42, 34, dass "das Gebet ... im Alten Testament nie ein reiner Wortvorgang, sondern immer mit begleitenden Handlungen verbunden" war, ist zumindest missverständlich. Jeder Sprechakt eines Menschen ist Handlung, der mit irgendeiner Bewegung verknüpft ist. Die entscheidende Frage ist, ob diese Bewegung bzw. Haltung ritualisiert ist oder nicht.
  10. Vgl. S. Schaede, Konfirmandenunterricht, a. a. O., S. 377.
  11. Grethlein, a. a. O., S. 11
  12. Das haben mir gegenüber Konfirmanden kommentiert: "Ist doch komisch, wenn abgelesen wird. Mach ich doch auch nicht, wenn ich mit einem anderen rede. Da hab ich doch nicht en Zettel vor der Nase ... und ein Buch erst recht nicht." Diese Beobachtung spricht zunächst für mich nicht schon gleich für ein regelmäßig sich dem Augenblick überlassendes freies Gebet. Ich lese dies als eine Option gegen das Ablesen. Man kann sich auf ein Gebet zuvor vorbereiten, es dann aber frei vortragen bzw. formulieren.
  13. Grethlein, a. a. O., S. 5.
  14. Es ist nicht wahr, dass Probleme mit der Gebetspraxis, zumal in öffentlichem Raum, eine Frage der Adoleszenzphase sind. Eben sowenig schützt professionelle Ausbildung vor Hemmungen auf diesem Gebiet.
  15. So ist es kein Wunder, dass ich mit folgendem Versuch, an das Gebet heranzuführen, gescheitert bin. Ich habe zu Beginn jeder Konfirmandenunterrichtsstunde aus einem Gebetbuch für Jugendliche von Jugendlichen Gebete vorgelesen. Und um die Konfirmanden/innen von der direkten Aufforderung, mitzubeten, zu entlasten, sagte ich ihnen: "Ihr kommt bitte, wenn ich dieses Gebet lese, einfach zur Ruhe. Ihr müsst nicht unbedingt mitbeten. Ihr könnt einfach zuhören. Mich interessiert vor allem, ob Euch diese Gebete ansprechen. Sagt mir bitte nach dem Gebet, wie Euch die Texte gefallen haben." Die letzten beiden Sätze waren ein Fehler. Dadurch rückten die Jugendlichen natürlicherweise in die Rolle der Gebetskritiker bzw. -beobachter. Es gab zwar jedes Mal ein instruktives Echo auf die Texte, aber mitgebetet hat dadurch wohl kaum jemand.
  16. In einem solchen Fall zu beten, setzt das Einverständnis des betroffenen Jugendlichen voraus!
  17. Meine Behauptung basiert auf dem Vergleich zweier Konfirmandengruppen mit ähnlichem durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad. Die Differenz ist frappierend. Mit der Gruppe, die bereits zuvor eine kirchenpädagogische Gottesdiensterschließung absolviert hatte, ließ sich erheblich besser arbeiten.
  18. Vgl. Christian Grethlein, a. a. O., S. 2.
  19. So beteten laut Umfrage in einer Gruppe von 22 Konfirmanden ,eine Person nie, 7 gelegentlich, eine beim Essen, eine, bevor sie einschlafe, 16 (!) während des Gottesdienstes, keine, wenn sie sich freue, sieben, wenn sie traurig seien. Nur 2 waren der Meinung, beten tue gut, 12 hingegen, dass Beten nichts bringt usw. In einer anderen Gruppe des gleichen Ortes mit 20 Konfirmanden beteten hingegen eine Person nie, 4 gelegentlich, 15 regelmäßig, 3 beim Essen, 12 vorm Einschlafen, alle während des Gottesdienstes, 10, wenn sie sich freuen, 18, wenn sie traurig sind. Hier waren 14 der Meinung, beten tue gut. Nur eine Person meinte, beten bringe nichts. usw.
  20. Z. B. ein alter Bekannter dürfte der Fragebogen in Neues Kursbuch Konfirmation. Ein Arbeitsbuch für Konfirmandinnen und Konfirmanden, Düsseldorf 2000, S. 122 sein. Der dort abgedruckte Fragebogen ist reichlich knapp. Um ein klareres Bild über die Vorerfahrungen zu erhalten, lohnt sich eine Ergänzung.
  21. Die Abfrage sollte schriftlich und anonym erfolgen. Das befreit die Konfirmanden von dem von ihnen vielleicht auch nur vermeintlich angenommenen Gruppendruck bei der Beantwortung bestimmter Fragen. Nur um ein Beispiel zu nennen: Die Konfirmanden waren selbst verblüfft, als bei der anonymen Beantwortung der Fragen nur eine von 20 Personen antwortete: "Ich bete nie", die anderen hingegen regelmäßig oder gelegentlich beteten. Dieses Ergebnis entspannte die Gesprächssituation, weil eben die meisten selbst beteten und daraus nun keinen Hehl mehr machen mussten.
  22. Probleme ergeben sich u. U. bei multifunktionalen Gemeinderäumen, die auch als Kirchenraum genutzt werden. Vgl. S. Schaede, a. a. O., S. 369.
  23. Vgl. S. Schaede, a. a. O., S. 379.
  24. Der Sitzkreis darf die Bewegungsmöglichkeiten im Raum nicht signifikant einschränken. Bei kleineren Kirchen kann das dadurch erreicht werden, dass er als durchbrochener Sitzkreis mit Durchgangsmöglichkeiten positioniert wird. Und er gehört in keinem Fall in den Chorraum. Dort ist er aufgrund der Raumwahrnehmung einiger Jugendlicher deplaziert. Vgl. hierzu S. Schaede, ebd.
  25. Um die Differenz zwischen einer Heranführung an das Gebet und genuin gottesdienstlichem Handeln zu markieren, sollten die Kerzen auf dem Altar nicht entzündet werden.
  26. Vgl. Grethlein, a. a. O., S. 7.
  27. Ruhige Stücke empfehlen sich. New-Age-Musik würde ich vermeiden. Altbewährt ist etwa die CD Officium von Jan Gabarek.
  28. Jede Menge Anregungen bietet: Der Religion Raum geben. Eine kirchenpädagogische Praxishilfe, hrsg. von C. B. Julius u. a., Loccum 1999.
  29. Vgl. zu diesem religionspädagogischen Phänomen S. Schaede, a. a. O., 388f.
  30. Vgl. Grethlein a. a. O., 12: "Eine Reduktion des Betens auf konkrete Frömmigkeitsvollzüge, etwa im Sonntagsgottesdienst, reicht nicht aus." 

* aus: Carsten Mork (Hg.): Beten lernen (Arbeitshilfen KU Nr. 21), Loccum 2002, S. 46-53.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 3/2002

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