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„Meine Seele ist gelähmt”

Beobachtungen und Gedanken zum orthodoxen Gottesdienst am 7. Mai 2023 in der St.-Barbara-Kirche in Krefeld

von Felix Emrich

Der orthodoxe Gottesdienst ist – seinem Wesen entsprechend – eine „Große Liturgie“. Besonders eindrucksvoll ist dabei die ehrfürchtige Atmosphäre, die sich schon in der Zahl und dem Auftreten der liturgisch aktiven Personen widerspiegelt: Zehn Männer in festlichen rot-goldenen Gewändern (laut Abspann sechs Altardiener, ein Priester, ein Mönchspriester und zwei Diakone) gestalten die Feier. Unterstützt werden sie von einem kleinen, aber engagierten Chor für die liturgischen Wechselgesänge und natürlich von der gesamten Gemeinde, die sich als großer Chor aktiv einbringt. Hier wird nicht nur zugehört, hier wird mitgefeiert.

Ein Blick in eine schriftliche Fassung der Liturgie macht schnell klar, warum sich ein orthodoxer Gottesdienst gern über mehrere Stunden erstreckt: Zahlreiche Gebete, oft in hohem Tempo gesprochen oder gesungen, wechseln sich ab. Antiphonen, Psalmen, Lobpreis – alles greift ineinander.1 Viele dieser Gebete nehmen ihren Ursprung in biblischen Versen oder Texten, die kunstvoll und tiefgründig weitergeführt werden.

Der Gottesdienst „Meine Seele ist gelähmt“ am 7. Mai 2023 in der orthodoxen St.-Barbara-Kirche in Krefeld wurde vom ZDF übertragen.2 In der Fernsehsendung konnte naturgemäß nur ein zentraler Ausschnitt gezeigt werden – mit den Lesungen, dem Glaubensbekenntnis, der Predigt, dem Vaterunser und der Heiligen Eucharistie als Herzstück. Besonders schön empfand ich die zweisprachige Darbietung des Vaterunsers durch die Gemeinde – zuerst auf Kirchenslawisch, dann auf Deutsch. Für jemanden wie mich, der des Slawischen nicht mächtig ist, ein berührender Moment, fast wie ein musikalischer Handschlag zwischen den Welten.

Ein persönliches Erlebnis möchte ich an dieser Stelle teilen: Vor einigen Jahren war ich Teil einer orthodoxen Trauung im (Groß-)Familienkreis. Am Ende der Feier durfte ich – als kleine „evangelische Komponente“ – gemeinsam mit dem orthodoxen Priester bei den Fürbitten mitsprechen. Ein Zeichen der ökumenischen Verbundenheit, das mich bis heute bewegt.

Erwähnenswert ist, dass die Gemeinde der St.-Barbara-Kirche in den letzten Jahren stark gewachsen ist – vor allem durch den Zuzug von Geflüchteten aus der Ukraine. Die Gemeinde umfasst heute sowohl Gläubige aus der Ukraine als auch aus Russland. In einer Zeit, in der politische Spannungen oft trennen, findet hier im gemeinsamen Glauben eine stille, friedliche Zusammenkunft statt – getragen vom Gesang und vom Gebet. Es bildet hoffentlich auch nach dem gemeinsamen Feiern ein Fundament für Vertrauen und Verstehen. Die übernationale Gemeinde der St.-Barbara-Kirche wird zudem von Deutschen, Niederländern, Polen, Moldauern sowie Vertreter*innen vieler anderer Nationalitäten besucht.

Zurück zum Gottesdienst. Die Gemeinde versammelt sich dabei im großen Vorraum – vor dem Heiligen und dem Allerheiligsten.3 Viele stehen, bekreuzigen sich, verbeugen sich. Andere sitzen an den Seiten auf Bänken. Man spürt: Orthodoxe Liturgie ist nicht nur ein geistliches, sondern auch ein leibliches Geschehen. Der ganze Mensch betet mit. 

Anmerkungen

  1. Mit Liturgien vom entsprechenden „Sonntag des Gelähmten“, 04.04.2025: www.orthodoxer-gottesdienst.de (24.04.2025).
  2. https://kurzlinks.de/l4g8 (25.05.2025).
  3. Ein Bericht mit vielen Bildern finde sich auf der Website der Gemeinde: https://kurzlinks.de/fvx4 (24.05.2025).