Arztserien

Von Lena Sonnenburg

 

Sehr großer Beliebtheit erfreuten sie sich vor allem in den späten 1990er-Jahren, doch noch immer kann man auf unterschiedlichen öffentlich-rechtlichen wie privaten Fernsehsendern sowie auf der Homepage Serienjunkies1 96 nationale und internationale Arztserien finden.

Arztserien berichten aus dem Alltag von Arztpraxen oder Krankenhäusern, von Ärzt*innen, Krankenpfleger*innen, Patient*innen, und ihnen allen ist gemeinsam, dass es häufig mehr um zwischenmenschliche Konflikte als um fachliches Wissen geht. Im Gegensatz zu Seifenopern bieten sie meist in jeder Episode eine geschlossene Folge sowie eine geraffte erzählte Zeit. Im Zentrum der Handlung steht oft das Sterben als Folge von Mord, Selbstmord, Vergewaltigungen, Schlägereien, gefährlichen oder harmlosen Krankheiten, die lange nicht behandelt wurden und nun ein ernsthaftes Risiko darstellen. Ebenso spielen politische, religiöse und ethische Themen wie Rassismus, Diskriminierung, Religionsfreiheit, Sterbehilfe, Palliativmedizin eine große Rolle.

Alles das macht Arztserien zu einem Schatz für den Religionsunterricht. Durch ihre kurze Dauer (ca. 45 Minuten) lassen sie sich problemlos – so auch in Auszügen – im Unterricht betrachten, bevor mit den Schüler*innen Gespräche initiiert werden. Medizinethische Themen gibt es unzählige: In amerikanischen Serien taucht z. B. immer wieder die Frage auf, wie ein*e Patient*in versichert ist und ob es sich „lohnt“, weitere Untersuchungen an ihm*ihr durchzuführen bzw. sie*ihn zu behandeln. Es werden aber auch grundsätzliche Fragen gestellt, etwa: „Sind wir Ärzte geworden, um Patienten oder um Krankheiten zu behandeln?“2 oder „Warum haben Sie Angst, Fehler zu machen?“ – „Weil ich Ärztin bin, wenn ich Fehler mache, sterben Menschen.“ Manchmal sind die Protagonisten regelrecht verzweifelt: „Irgendetwas müssen wir doch tun können, außer ihr beim Sterben zuzusehen.“ 

Konkret könnten Schüler*innen z. B. anhand eines Beispiels aus der Serie „Grey´s Anatomie“ diskutieren, ob Eltern und Ärzt*innen verpflichtet sind, einer 14-Jährigen von ihrer Intersexualität zu berichten, oder ob ihr im Zuge einer Tumorentfernung ohne ihr Wissen das „falsche“ Geschlechtsteil in einer geschlechtszuweisenden Operation entfernt werden sollte.3 Eine wunderbare Vorlage, um sich mit Stellungnahmen der EKD und anderer Organisationen zum Thema vertraut zu machen und diese in den Religionsunterricht einzubringen.

Da die Welt der Arztserien riesengroß ist, anbei eine Einschätzung unterschiedlichster Formate: 

  • „Valkyrien”: Die norwegische Serie erzählt von einem Arzt, der im Untergrund von Oslo eine illegale Klinik betreibt, in der die Grenzen der Moral immer weiter ausgedehnt werden.
  • „Mary kills People“ stammt aus Kanada und handelt von einer Ärztin, die ihren todkranken Patienten (illegale) Sterbehilfe leistet.
  • „Grey‘s Anatomy“ ist eine US-amerikanische Serie, in der eigentlich die Beziehungen der jungen Ärzt*innen zueinander die tragende Rolle spielen. In einigen Folgen ist Organspende ein zusätzliches zentrales Thema.4 
  • „Private Practice“ ist ein Spin-Off von „Grey´s Anatomy“ und befasst sich vornehmlich mit Fragen rund um (künstliche) Schwangerschaften und psychische Gesundheit. Z. B.: Darf ein*e Psychiater*in eine*n Pädophile*n behandeln, dem*der er*sie nicht glaubt? Oder: Ist Leihmutterschaft ein sinnvolles Konzept?
  • „Scrubs“, eine vermeintliche Comedy-Arztserie, befasst sich auf „leichte“ Art ebenfalls mit zahlreichen ethischen Fragen: Sterbewille gegen Lebenserhaltung, die Macht der Pharmakonzerne, (fehlende) Zeit für Patient*innen, Organspende und Sterbehilfe.
  • Und nicht zuletzt die „fachlich geniale“5 Serie „Dr. House“, ebenfalls ein US-amerikanisches Format. In diesem bricht Gregory House in seiner spektakulär sarkastischen Art diverse Krankenhausregeln, bezeichnet Patient*innen per se als Lügner*innen und stößt bei seiner Arbeit in so ziemlich jeder Folge an ethische Grenzen. 

 

  1.  www.serienjunkies.de/serien/arzt.
  2. Dr. House, Staffel 1, Folge 1.
  3. Grey´s Anatomie, Staffel 2, Folge 13.
  4. Izzy und Denny, Staffel 2.
  5. Harald Haynert, Universität Witten/Herdecke.