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Den (vermeintlichen) Feind in den Unterricht einladen - Die Perspektive einer BBS-Lehrkraft

von Kristina Hepper

Ha, das ändert sich doch jetzt eh alles, wo es ChatGPT gibt! Da brauchen wir uns den Aufwand mit der Facharbeit bei den Erziehern gar nicht mehr zu machen!“ Dies zischte mir eine Kollegin bei der Gesamt-Dienstbesprechung Anfang 2023 zu. Mein fragendes Gesicht in dieser Sekunde ordnete sie richtig ein und gab mir eine kurze Erklärung über dieses Wundermittel, das einem die schönsten Texte zu jedem Thema in Sekundenschnelle verfasse.
Mein gerade begonnenes Bildung für nachhaltige Entwicklung-Projekt mit meinen Auszubildenden in der Elektrotechnik, welches auch eine theoretische Ausarbeitung umfasste, wurde dann spontan ein Arbeitszeugnis für ChatGPT. Kaum eine Ausarbeitung war auch nur annähernd vergleichbar mit den vorherigen Leistungen meiner Schülerinnen und Schüler im Unterricht.

Was also tun? Zunächst strich ich alle Referate, Präsentationen und Ausarbeitungen bis zu den Sommerferien aus meinem Unterricht. Die Ferien nutzte ich zum Nachdenken. Mein Grundgedanke war der der Medienerziehung, denn bei ehrlicher Betrachtung hätte auch ich als Schülerin ChatGPT genutzt, um mir eine (vermeintliche) Zeitersparnis zu verschaffen.

Warum also nicht den (vermeintlichen) Feind in den Unterricht einladen? Nach nun fast eineinhalb Jahren der intensiven Erprobung in der Berufsschule, den einjährigen Berufsfachschulen und dem beruflichen Gymnasium hat sich für meine Klassen und mich folgendes Vorgehen als sehr positiv erwiesen:

Die Schüler*innen erhalten von mir Themen, zu denen sie im Unterricht Präsentationen erstellen sollen. Zunächst wird im Internet und der Bibliothek klassisch recherchiert. Jeder Schritt wird als Screenshot festgehalten und diese werden in den Anhang eingefügt. Im zweiten Schritt geben sie die von mir vorgegebene Fragestellung bei ChatGPT ein und vergleichen diese Antwort mit ihren Ergebnissen. Selbstverständlich wird auch die Antwort der KI per Screenshot im Anhang aufgeführt.

Grundsätzlich melden mir die Klassen zurück, dass sie oftmals noch neue Impulse und Sichtweisen für die Beantwortung des Frageimpulses erhalten. Gerade was aktuellere Entwicklungen angeht, finden sie auch Fehler in der KI-Antwort, welche die Schülerinnen und Schüler zunächst ungläubig zurücklassen, da sie ja glauben, unmöglich klüger als eine KI sein zu können. Der hieraus resultierende Booster für das Selbstbewusstsein ist für jede*n von uns nachvollziehbar und spürbar – und trägt gerade schwächere Schülerinnen und Schüler noch sehr lange durch den Unterricht.