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Die Gedanken sind frei … Philosophieren mit einem Bilderbuch

von Lena Sonnenburg


Das Bilderbuch „Woran denkst du?“ von Laurent Moreu fasst zusammen, was schon der Liedtext von „Die Gedanken sind frei“, der erstmals um 1780 auf Flugblättern veröffentlicht und später von Sophie Scholl für ihren inhaftierten Vater gesungen wurde, erzählt:

Die Gedanken sind frei,
wer kann sie erraten?
Sie fliehen vorbei
wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger erschießen.
Es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei!

Alle Menschen haben ihre eigenen Gedanken, fröhliche oder ernste, und die gehören ihnen ganz allein. Von außen können Gedanken nur schwer erraten werden; sie sind in den Köpfen der Menschen versteckt und geschützt. Manchmal teilen Menschen ihre Gedanken jedoch, so auch im Bilderbuch „Woran denkst du?“. Dort können die Gedankengeheimnisse der Protagonist*innen im wahrsten Sinne gelüftet werden. Der*die Leser*in öffnet dazu eine Klappe und kann dann das Innere der Köpfe erforschen. Und so wird klar, dass all die Menschen, die es im Buch zu entdecken gibt, ganz unterschiedliche Gedanken haben: Maximilian denkt sich zum Beispiel gerade ein Abenteuer aus, Sophie hat eine kleine Melodie im Kopf, Louis wartet ungeduldig darauf, dass endlich wieder Sommer wird, und Johannes kocht vor Wut.


„Woran denkst du?“ im Unterricht einsetzen

Um das Bilderbuch jederzeit als Türöffner für theologische oder philosophische Gespräche nutzen zu können, sollte es in einer Unterrichtsstunde z.B. folgendermaßen eingeführt werden.

Gemeinsam betrachten die Schüler*innen und die Lehrkraft die letzte Buchseite. Sie entdecken, dass die Menschen sich auf einem Platz in der Nähe der Straße versammelt haben, in der sie alle wohnen, dass alle Protagonist*innen unterschiedlichen Tätigkeiten nachgehen, dass sie unterschiedlich aussehen, ihre Mimiken und Gesten sich unterschieden. Ggf. werden einzelne Personen in den Fokus gerückt und genauer betrachtet bzw. beschrieben.

Dann werden die Schüler*innen gebeten, sich in eine Person auf dem Bild hineinzuversetzen und deren Gedanken auf einer Moderationskarte zu notieren. Dabei sollte betont werden, dass die Schüler*innen keine falschen Ideen aufschreiben können, da „Gedanken frei“, also im Kopf versteckt und nicht einsehbar sind. Nachdem die Schüler*innen ihre Ideen verschriftlicht haben, wird ein Ratespiel angeschlossen: Einzelne Schüler*innen lesen ihre Moderationskarte vor, die Zuhörenden überlegen, zu welcher Person diese Karte passen könnte. Dabei können erneut Gestik und Mimik thematisiert werden; es sollten jedoch auch scheinbar abwegige Zuordnungen eingeworfen werden, um deutlich zu machen, dass die Gedanken eben nicht (immer) ablesbar sind.

Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger erschießen.

Nach dem Ratespiel erläutert die Lehrkraft, dass die Personen auf dem Bild bereit waren, ihre Gedanken mit anderen zu teilen. So sind Klappbilder entstanden, die erst das Äußere der Person zeigen und hinter einer Klappe offenbaren, was in ihrem Kopf vorgeht. Damit die Kinder erforschen können, welche Gedanken den Protagonist*innen des Buches durch den Kopf gehen, hat die Lehrkraft das Buch entweder auseinandergeschnitten und alle Bilder im Klassenraum verteilt oder Kopien angefertigt, die die Schüler*innen nun im Rahmen eines Museumsgangs entdecken. So sehen bzw. lesen sie, was in den Köpfen der Protagonist*innen vorging, als das Bild auf dem Marktplatz entstand.

Nachdem alle Schüler*innen den Museumsgang beendet haben, schließt sich ein Gespräch über die Gedanken der Protagonist*innen und die damit verbundenen Empfindungen der Schüler*innen an. Dabei sollten Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Vergleich zu den Moderationskarten oder überraschende Momente thematisiert werden. Nun gilt es, sensibel auf die scheinbar falschen Vermutungen der Schüler*innen zu reagieren: Es sollte deutlich werden, wie schwer es ist, Gedanken von Fremden einzufangen und wie unverfügbar diese sind. So kann eine Offenheit gegenüber eigenen Gedankengängen angebahnt werden, die Schüler*innen sonst schnell als richtig bzw. falsch etikettieren.

Nach dieser Annährung an das Bilderbuch präsentiert die Lehrkraft den Schüler*innen M 1. Vermutlich erkennen die Schüler*innen schnell, dass nun ihre Gedanken gefragt sind. Unterschiedlichste Fragen bieten sich an: „Woran denkst du, wenn ich Weihnachten sage?“ oder „Woran denkst du, wenn ich Gott sage?“. Als Einstiegsfrage eignet sich jedoch eine niederschwellige, wie z.B. „Woran denkst du, wenn ich ‚Klasse XY‘ sage?“.

Nach der zeichnerischen Einzelarbeit tauschen die Schüler*innen sich dann in einer Pair-Phase mit selbstgewählten Partnern aus, bevor sie in der Share-Phase ihre Gedanken präsentieren. In beiden Phasen ist darauf zu achten, dass die Freiwilligkeit uneingeschränkt gegeben ist, da die Gedanken das Gut jedes*r einzelnen sind und nicht geäußert werden müssen. Erfahrungsgemäß freuen sich die Schüler*innen jedoch, ihre Gedanken zu teilen. Und wenn Leon dann von der Klassenfahrt, Marie vom Sportunterricht, Max vom Gemeinschaftsgefühl und Isabell von Streitereien erzählt, sind die Türen für Diskussionen rund um die Klasse XY weit geöffnet.

Einmal eingeführt kann das Bilderbuch nun immer wieder als Impulsgeber genutzt werden, ob im Religion, Deutsch- oder Sachunterricht. Hoffentlich denkst du nun schon ans Ausprobieren!