Hannover (epd). In Hannover ist am Sonntag eine ungewöhnliche evangelische Kirchengemeinde gegründet worden, die auch Katholiken, Muslime oder Menschen ohne Konfession als Gastmitglieder aufnehmen will. Sie hat sich als Personalgemeinde rund um das diakonische Stephansstift in Hannover formiert, wie die Initiatoren dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilten. Mit der Gründung gehören ihr zunächst rund 190 Mitglieder sowie bereits einige Gastmitglieder an, wie ein Sprecher am Sonntag mitteilte.
„Unsere Diakoniegemeinde ist offen für alle, die sich zum Leitbild der Diakonie bekennen“, sagte Mitinitiator Hans-Peter Daub, Theologischer Vorstand der Dachstiftung Diakonie mit Sitz in Hannover und Gifhorn. „Das ist ein echtes Experiment.“
Hintergrund ist die neue Kirchenverfassung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, die seit 2020 in Kraft ist. Sie sieht keine „Anstaltsgemeinden“ an diakonischen Einrichtungen mehr vor. Die bisherigen Anstaltsgemeinden waren aufgefordert, sich entweder aufzulösen und in eine Ortsgemeinde zu integrieren oder sich unabhängig vom Ortsprinzip neu als interessenbestimmte Personalgemeinde zu organisieren.
Anders als bei Ortsgemeinden ist bei Personalgemeinden der Status einer Gastmitgliedschaft vorgesehen. Gastmitglieder müssen nicht zwingend getauft sein und auch keine Kirchensteuer zahlen. „Das ist eine tolle Möglichkeit, sich kirchlich zu verbinden, unabhängig von der eigenen Konfession“, sagte Daub.
Die neue Gemeinde wolle eine kulturell bunte und religiös vielfältige Gemeinschaft sein, in der die Mitglieder selbst das Programm und die Angebote bestimmen könnten, hieß es. Ein Schwerpunkt könne die Unterstützung geflüchteter Menschen sein, auch durch Kirchenasyl. Laut Gemeindepastor Sven Quittkat sind zurzeit zehn Geflüchtete im Schutz der Gemeinde auf dem Gelände untergebracht. Geplant seien auch interkultureller und interreligiöser Dialog und ungewöhnliche Gottesdienste.
„Wir haben eine ganze Reihe von Menschen im Auge, für die diese Gemeinde eine kirchliche Heimat sein kann“, sagte Daub. Für nicht getaufte Gastmitglieder seien auch Trauungen oder Bestattungen durch christliche Seelsorger möglich, sofern dies gewünscht werde.
Nach Angaben der hannoverschen Landeskirche gibt es auf deren Gebiet zwischen dem Landkreis Göttingen und der Nordsee bereits zwei diakonische Personalgemeinden in Celle und Rotenburg/Wümme. Eine Gastmitgliedschaft sieht dabei nur Rotenburg vor.