Bericht über Missbrauch: Kirche sucht nach weiteren Betroffenen

Nachricht 12. Februar 2022

Celle, Hannover (epd). Nach einem Zeitungsbericht über einen weiteren Missbrauchsfall in der hannoverschen Landeskirche in den 1990er Jahren ruft die evangelische Landeskirche weitere mögliche Betroffene auf, sich zu melden. In der „Celleschen Zeitung“ hatte eine heute 42-Jährige berichtet, wie sie als 17-Jährige in Celle von einem späteren Pastor sexuell missbraucht worden sei. Dieser sei noch heute bei der Kirche tätig. Die Landeskirche erklärte dazu am Mittwoch, zur Zeit der ihm vorgeworfenen Taten habe der Mann noch in keinem Dienstverhältnis zur Landeskirche gestanden. Aus diesem Grund sei ein Disziplinarverfahren gegen ihn nicht möglich gewesen.

Nach Angaben der Landeskirche war der Mann zunächst bei der diakonischen Einrichtung „Lobetalarbeit“ in Celle tätig, wo er „wahrnehmbar als Geistlicher agierte“, jedoch noch kein ordinierter Pastor war. Die Betroffene absolvierte dort laut Zeitung eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin. Sie schildert in dem Bericht, wie sich der Mann zunächst in schwieriger Lage um sie kümmerte und sie dann unter anderem im Herbst 1997 sowie weitere Male missbrauchte. „Ich fand das total schrecklich, aber ich konnte leider nichts daran ändern.“

Die Frau erstattete laut dem Bericht 2018 eine Anzeige bei der Polizei, trotz des Wissens um Verjährung. Die Landeskirche bestätigte, dass der heutige Pastor noch immer im kirchlichen Dienst ist, wenn auch nicht mehr in Celle. „Eine Rücknahme seiner Ernennung zum Pastor oder die Versetzung in eine andere Aufgabe, in der er nicht mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat, scheiterte daran, dass die Landeskirche ihm nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen konnte, dass die Betroffene bei Beginn der von ihr geschilderten Taten noch minderjährig war“, sagte ein Sprecher.

Der Vizepräsident des Landeskirchenamtes, Rainer Mainusch, erläuterte: „Anders als in Verfahren über eine Anerkennungsleistung, die die Betroffene erhalten hat, muss das Vorliegen sexualisierter Gewalt in dienstrechtlichen Verfahren in vollem Umfang nachgewiesen werden.“ Die Landeskirche rief Betroffene auf, Taten direkt bei der Polizei zu melden. „Um Schutzkonzepte für Gemeinden und Einrichtungen im Interesse Betroffener verbessern und eigene dienstrechtliche Verfahren gegen Beschuldigte einleiten zu können, ist die Landeskirche auf alle Informationen angewiesen, die auf derartiges Unrecht hinweisen.“

Die Landeskirche war in ihrem Umgang mit sexualisierter Gewalt in die Kritik geraten, als zuvor zwei weitere Betroffene gemeinsam mit der Kirche Fälle öffentlich gemacht hatten. So hatte zuletzt eine Frau im Oktober einen Fall von schwerem sexuellen Missbrauch durch einen angehenden Diakon in Oesede bei Osnabrück in den 1970er Jahren publik gemacht und der Kirche unter anderem Vertuschung vorgeworfen.