Verbandschef Fürst ermutigt Schulen zu Besuchen in Gedenkstätten

Nachricht 27. Januar 2022

epd-Gespräch: Michael Grau

Hannover (epd). Der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, Michael Fürst, plädiert dafür, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler eine Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus besuchen. „Das Entscheidende ist, sie so zu motivieren, dass sie von selbst da hin wollen“, sagte Fürst dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit Blick auf den Holocaust-Gedenktag am 27. Januar. „Um sich vorstellen zu können: Wie ist das damals gewesen, als Schüler in meinem Alter so wie Sophie Scholl und andere umgebracht wurden, nur weil sie die Freiheit haben wollten, etwas zu sagen?“

In Niedersachsen gebe es eine Vielzahl von ehemaligen Konzentrationslagern oder NS-Arbeitslagern, von Südniedersachsen bis ins Emsland, sagte Fürst. „Dort arbeiten, Personen, die etwas davon verstehen, Geschichte gut zu vermitteln.“ Niemand müsse dafür weit reisen, und nicht alle müssten nach Bergen-Bergen fahren. Hilfreich und notwendig sei es, solche Angebote in den Lehrplänen der Schulen zu verankern, damit sie auch wirklich stattfänden, sagte Fürst. Skeptisch zeigte er sich jedoch gegenüber einer regelrechten Besuchspflicht. Dies werde bei den Jugendlichen eher Widerstände hervorrufen.

Die Besuche müssten eingebettet sein in einen lebendigen Geschichtsunterricht, sagte Fürst. Diesem Fach komme eine besondere Bedeutung zu, um die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten. Es dürfe deshalb an den Schulen nicht vernachlässigt werden: „Es kann nicht sein, dass wir nur zwei plus zwei gleich vier lernen, aber keine Zeit mehr für Geschichte haben.“ Das Fach sei genauso wichtig wie Mathematik, Deutsch oder Fremdsprachen und brauche deshalb auch genauso viel Zeit. „Wenn dafür zu wenig Zeit ist, riskieren wir eine Zunahme rechtsradikaler Bewegungen.“

Fürst wies darauf hin, dass es immer weniger Holocaust-Überlebende gebe, die aus eigener Anschauung von der Verfolgung durch die Nationalsozialisten erzählen könnten. Diese Möglichkeit werde es irgendwann nicht mehr geben. „Deshalb machen die Stellen, die damit befasst sind, Filme über diese Zeitzeugen“, sagte Fürst. „Das ist wertvoll und ganz wichtig.“ An den Gedenkstätten müsse allerdings genügend Personal zur Verfügung stehen, um den Besucherinnen und Besuchern solche Zeitdokumente nahezubringen. Auch für die Schulfahrten müsse das Land das nötige Geld bereitstellen.