Gewerkschaft sieht wachsenden Antisemitismus an Schulen – Jüdische Vorsitzende: Wucht der Anfeindung kaum noch auszuhalten

Nachricht 25. Mai 2021

Der Nahost-Konflikt hat auch in Deutschland das gesellschaftliche Klima für Jüdinnen und Juden verschärft. Die Gewerkschaft GEW und jüdische Gemeinden fordern mehr Anstrengungen in der politischen Bildung, um dem Judenhass zu begegnen.

Hannover, Frankfurt a.M. (epd). Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sieht einen wachsenden Antisemitismus an Schulen und fordert mehr Aufklärung und die Entschärfung kultureller Konflikte. „Der Antisemitismus an Schulen hat zugenommen“, sagte GEW-Vorstandsmitglied Ilka Hoffmann dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Samstag). „Er war zwar nie verschwunden, aber die Themen Holocaust und jüdisches Leben in Deutschland sind für die Jugend nicht mehr so präsent.“ Auch die Vorsitzende der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover, Rebecca Seidler, verlangte mehr Unterstützung für Sozialarbeiter, Erzieherinnen und Lehrkräfte im Kampf gegen Judenhass.

Hoffmann sagte früher hätten die Schülerinnen und Schüler noch häufiger mit Zeitzeugen sprechen können. Heutzutage sei das Thema Holocaust bei der Schülerschaft verblasst. „Hinzu kommen die ethnischen und religiösen Konflikte, die die Schulen überfordern.“

Die Gewerkschafterin fordert daher ein „behördliches, aber unbürokratisches und schnelles Hilfsangebot für die Bekämpfung von Antisemitismus an Schulen“. Es gebe sehr gute Vereine und Organisationen, die Beratung leisteten. „Aber es muss auch die Aufgabe der Landesinstitute sein, für Antidiskriminierung in Schulen zu sensibilisieren.“

Die Gemeindevorsitzende Seidler sagte, junge Menschen bekämen den Judenhass vor allem in den sozialen Medien zu spüren. „Diese Wucht der Anfeindung ist kaum noch auszuhalten“, sagte sie der in Hannover erscheinenden „Neuen Presse“ (Samstag). Durch Instagram oder den Messengerdienst „Telegram“ werde der Konflikt mit einer Energie befeuert, die ein Gefühl der Ohnmacht hervorrufe. Deshalb müsse die politische Bildung viel besser werden. Viele Lehrkräfte fühlten sich alleingelassen und hilflos, „weil sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen“.

Von der Politik verlangte Seidler mehr Ehrlichkeit: „Noch immer finden viel zu häufig Relativierungen und Negierungen des Antisemitismus statt. Das muss aufhören. Totschweigen ist keine Lösung.“ Auch Symbolpolitik auf Führungsebene helfe nicht weiter: „Wir brauchen die Basis.“ Die Gemeindevorsitzende kritisierte zudem, das Jüdinnen und Juden in Deutschland als Stellvertreter Israels gesehen und in den Augen vieler Menschen für die Politik der israelischen Regierung verantwortlich gemacht würden. In Wirklichkeit seien sie aber gar keine Experten für den Nahost-Konflikt.

epd lnb mig