Der Musiker und Literaturnobelpreisträger Bob Dylan wird 80

Nachricht 19. Mai 2021

von Holger Spierig (epd)

Göttingen, Heidelberg (epd). Normalerweise würde er wohl auch in diesem Jahr seinen Geburtstag auf irgendeiner Konzertbühne verbringen. Er habe mehr als genug Songs geschrieben, „um bis in alle Ewigkeit spielen zu können“, ließ Bob Dylan bereits vor einigen Jahren wissen. Mit rund 100 Konzerten pro Jahr zog er auf seiner „Never Ending Tour“ rastlos durch die Welt. Die nun ausbleibenden Konzerteinnahmen konnte er bei einem Deal mit dem Musikkonzern Universal wohl mehr als ausgleichen: Er trat die Rechte an seinen rund 600 Songs ab und soll dafür mutmaßlich 300 Millionen US-Dollar bekommen haben. Am 24. Mai wird der Musikergigant Bob Dylan 80 Jahre alt.

„Es gibt für mich keine ausdrucksstärkeren, mächtigeren Songtexte als die von Bob Dylan“, erklärt die Folksängerin Joan Baez, die in den 60er Jahren auch seine Partnerin war, in dem aktuellen Interviewband „Forever Young - Unsere Geschichte mit Bob Dylan“. Das Musikmagazin „Rolling Stone“ kürte Dylans sechsminütiges „Like A Rolling Stone“ unter 500 Stücken zum „Größten Song aller Zeiten“. Für seine „poetischen Neuschöpfungen in der großen amerikanischen Songtradition“ erhielt Bob Dylan im Jahr 2016 als erster Musiker den Nobelpreis für Literatur.

Viele berühmte Kollegen spielten seine Songs, darunter Elvis Presley („Tomorrow Is A Long Time“), Jimi Hendrix („All Along the Watchtower“), Van Morrison („It's all over now, Baby Blue“) oder Guns n' Roses („Knockin' on Heavens Door“). Bryan Ferry veröffentlichte ein ganzes Album mit Dylan-Songs („Dylanesque“), BAP-Gründer und Dylan-Experte Wolfgang Niedecken widmete ihm das Album „Leopardefell“.

Auch die Beatles waren offenbar glühende Dylan-Fans: Das Album „Help“ von 1965 zeige einen John Lennon, „der von Bob Dylan nicht nur beeinflusst, sondern geradezu besessen ist“, schreibt John-Lennon-Biograf Philip Norman.

Dylan selbst äußert sich über seine Songs in der Regel unwirsch: „Das letzte, an was ich beim Songschreiben denke, ist, wer was darüber denken könnte“, sagte er 2015 bei einer Charity-Veranstaltung der Grammy-Verleihung. „Ich schrieb sie einfach.“

„Dylan, der Song-and-Dance-Man, hat sich in sechs Jahrzehnten fortwährend gewandelt, und er ist sich und seiner Kunst gerade damit immer treu geblieben“, sagte der Göttinger Literaturwissenschaftler und Dylan-Experte Heinrich Detering dem epd.

Immer wenn er den Gipfel des Erfolges erreicht hatte, schlug der Musiker eine komplett andere Richtung ein und brachte seine Gefolgschaft gegen sich auf. In jungen Jahren setzte er sich mit Liedern wie „Blowin' in the Wind“ an die Spitze der Folk- und Protestszene, 1965 griff er zur E-Gitarre und spielte Rockmusik. Als die Gegenkultur Amerikas nahe seinem damaligen Rückzugsort Woodstock ein riesiges Rock-Festival feierte, interessierte Dylan sich für die Country-Musik. Auch die - kurzzeitige - Hinwendung des jüdisch aufgewachsenen Musikers zum fundamentalistischen Christentum in den 80er Jahren spaltete seine Hörerschaft.

Dylan ist ein spiritueller Wanderer, der angesichts einer aus den Fugen geratenen Welt („World Gone Wrong“) rastlos auf der Suche nach Erlösung ist. „Trying to get to Heaven before They close the Door“ - auf Deutsch etwa: Versuchen, in den Himmel kommen, bevor die Tür zugemacht wird - heißt ein Dylan-Song.

Dylan nutzte neben den Werken von Dichtern und Dramatikern wie Rimbaud, Bertolt Brecht oder Beat-Autor Jack Kerouac immer wieder auch die Bibel und die Thora kreativ als Steinbruch. „Religion ist in Dylans Werk so allgegenwärtig wie im American Songbook“, erklärt Detering. Er hat zum 80. Geburtstag einen Band mit einer Auswahl von Dylan-Interviews aus 60 Jahren veröffentlicht. In der Zeit seiner christlichen Bekehrung habe Dylan die Evangelien neu entdeckt und sich von dort aus neu seiner jüdischen Herkunft zugewendet.

Bob Dylan wurde 1941 im US-Bundesstaat Minnesota in eine Familie deutsch-ukrainischer Einwanderer jüdischen Glaubens geboren. Neben seinem Geburtsnamen Robert Allen Zimmerman erhielt er auch den hebräischen Namen „Shabtai Zisel ben Avraham“. Entgegen den von ihm selbst verbreiteten Mythen war Dylan allerdings kein fahrender Sänger, sondern wuchs in einer Mittelschichtfamilie in Hibbing/Minnesota auf. Sein Künstlername ist wohl eine Verneigung vor dem walisischen Dichter Dylan Thomas (1914-1953).

Nach mehreren Alben mit Sinatra-Songs hat er zuletzt mit „Rough and Rowdy Ways“ wieder ein Album vorgelegt, das Kritiker regelrecht begeistert. Hier würden „seine großen Themen noch einmal zusammenführt, in einer zugleich großen und leichten Abschiedsgeste“, sagt Detering. Inzwischen vertreibt Dylan auch eine eigene Whisky-Marke - passend heißt sie „Heaven's Door“.

epd lnb bas bjs