Bildungsforscherin kritisiert Planlosigkeit beim digitalen Unterricht

Nachricht 20. Februar 2021

epd-Gespräch: Charlotte Morgenthal

Braunschweig (epd). Die Braunschweiger Bildungsforscherin Katja Koch vermisst eine erkennbare Digitalstrategie für den Bildungssektor. Nicht nur in Kultusministerien und in der Schulpolitik, sondern teilweise auch in der Lehrerschaft seien in der Corona-Krise Versäumnisse bei digitalem Lernen und Homeschooling deutlich geworden, sagte die kommissarische Präsidentin der TU Braunschweig dem Evangelischen Pressedienst (epd). Neben entsprechenden Aus- und Weiterbildungsangeboten für die Lehrer fehle es vielerorts an guten Internetverbindungen und weiteren technischen Voraussetzungen für Schulen und Schüler.

"Wir haben in den Schulen sicher versäumt, frühzeitig zu überlegen, was die Vorteile von Computern und digitalen Tools sind und wie man sie nutzen kann, um das Lernen anders zu gestalten", kritisierte Koch. Lange Zeit hätten die Verantwortlichen sich nicht ausreichend darüber Gedanken gemacht, wie beispielsweise digitale Medien oder Erklärvideos sinnvoll in Unterrichtseinheiten eingebaut werden könnten. "Deswegen wundert es auch nicht, dass nur wenige ausgereifte didaktische Konzepte da waren, als die Pandemie kam."

Ein Grund für die schleppende Entwicklung des digitalen Lernens finde sich in der Zurückhaltung der Lehrerschaft, sagte Koch. Bei Lehrkräften in Deutschland sei die Bereitschaft im internationalen Vergleich geringer, sich mit digitalen Lernformaten auseinanderzusetzen. Schulen in skandinavischen und in manchen asiatischen Ländern seien diesbezüglich weitaus fortschrittlicher. Deshalb sei Skepsis angebracht, dass die derzeit entwickelten digitalen Lernformate auch nach der Pandemie bestehen blieben.

Zudem sei zu bemängeln, dass es während des ersten Lockdowns vor fast einem Jahr deutlich zu wenig Konzepte und Fortbildungen gegeben habe, um die Lehrkräfte auf die anschließende Zeit vorzubereiten. "Ich hatte den Eindruck, dass man darauf gehofft hat, auch weiterhin auf analoge Formate setzen zu können", sagte Koch. Digitaler Unterricht bringe komplexere technische und didaktische Herausforderungen mit sich als analoger Unterricht, betonte die Bildungsforscherin. Während Lehrer im Präsenzunterricht direkt auf Fragen reagieren könnten, seien Verständnislücken der Schüler beim Homeschooling nur durch umsichtige Aufgabenstellungen erkennbar.

Es sei zu befürchten, dass bestimmte Schüler durch die Pandemie "auf der Strecke" blieben, so die Expertin. Bereits im analogen Unterricht seien Kinder aus sogenannten bildungsfernen Schichten benachteiligt gewesen: "Das lief schon vor der Pandemie nicht gut und hat sich weiter verschlechtert. Um sie müssen wir uns besser kümmern."

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