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Bild: Rainer Sturm  / pixelio.de

Rezension

Rezension

Christian Brunners
Auf den Spuren von Dietrich Bonhoeffer
Ellert & Richter Verlag
Hamburg 2024
ISBN 978-3-8319-0868-4
160 Seiten, 19,95 €

 

 

 

„Es ist alles so wirklich und klar geworden, seit ich Dir gestern in Deinem Elternhaus begegnete. Dein Schreibtisch, an dem Du Deine Bücher und die Briefe an mich schriebst, Dein Sessel …und die Bil-der, die Du gerne magst. Alles war ein Teil von Dir.“ – Das Zitat aus einem Brief Maria von We-demeyers an ihren Verlobten steht neben einem Foto vom Arbeitszimmer im Dachgeschoss des An-wesens Marienburger Allee 43 (24f.). Es ist bezeichnend für die Machart des reich bebilderten Ban-des, mit dem der kürzlich verstorbene Theologe Christian Brunners seinen Leser*innen Begegnungen mit Dietrich Bonhoeffer vermitteln will. 

Von Anbeginn spielt der oder die Andere im Denken Bonhoeffers eine zentrale Rolle. Insofern kann man den Anspruch, Bonhoeffers Leben und Wirken selbst durch die Augen anderer zu Gesicht zu bringen, auch als genuine Umsetzung dieses theologischen Motives interpretieren. Naheliegend dafür sind biografische Äußerungen von Zeitgenossen, auf die Brunners zurückgreift. Unterstützt werden deren Zeugnisse von historischen und aktuellen Bildern, die sich Stätten von Bonhoeffers Wirken nähern und deren Stimmung einfangen: der Blick auf die Ostsee bei Zingst, auf das Kloster Ettal oder in den Innenhof der Gedenkstätte in Flossenbürg. 

Mit diesen Leseeindrücken ist schon viel darüber gesagt, was dieses Buch ist und was nicht. Keine werkgeschichtliche Einführung in Bonhoeffers Gedankenwelt wird hier geboten. Zur systematischen Einarbeitung in Bonhoeffers Theologie eignet es sich schon deshalb nicht, weil Belegnachweise für Zitate fehlen. Andererseits vermittelt das Werk durch seine biografische Schwerpunktsetzung eine Anschaulichkeit, die für den Einsatz im Religionsunterricht oder in der Gemeindearbeit förderlich ist.

„Das gelebte Leben redet eindrücklicher als die Lehre“ (96) – durch diesen Grundsatz fühlt Brunners sich ermutigt, ein Portrait zu zeichnen, das Leser*innen über den historischen Abstand hinweg mit der Person und ihrem Wirken gleichzeitig werden lässt. 

Den entsprechenden Ton schlägt die Einleitung an, in der der Autor ein fiktives Gespräch mit dem Porträtierten führt und darin seine Bedeutung für die eigene theologische Orientierung und seinen Dank ausspricht. Es folgt eine Lebensskizze: „Haus, Familie, frühe Jahre“, „Tübingen, Rom, Berlin, Barcelona, New York“, „Universität, Gemeinde, Ökumene,“ „Im Auftrag der Bekennenden Kirche“, „Im Widerstand“, „In Haft“, „Ende und Beginn“ heißen die entsprechenden Abschnitte. 

Die umfangreiche Bebilderung veranschaulicht Bonhoeffers Welt samt des ihn prägenden Beziehungsgeflechtes. Orientierend sind dabei Aufnahmen von prägenden Personen, versehen mit kurzen biografischen Notizen (Familienangehörige, Lehrer, Freunde, Mitstreiter). 

Im Anschluss an die biografische Skizze kommt Bonhoeffers Zellengenosse Fabian von Schlabendorff mit seinen Erinnerungen an die Begegnung zwischen beiden im Gestapogefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße zu Wort. 

Was der Band sonst noch enthält, sind eine Auslegung des Textes „Stationen der Freiheit“ (Tegel 1944), ausgewählte Worte Bonhoeffers, eine Zeittafel sowie ein Verzeichnis „alle[r] wichtigen Wirkungs- und Gedenkstätten“ mit Bildern und ausführlichen Informationen. 

Insbesondere letzteres erlaubt es, das Buch als ein Gebrauchsbuch nutzbar zu machen. Der Titel „Auf den Spuren Dietrich Bonhoeffers“ wäre dann wörtlich zu verstehen als Reiseführer zu den skizzierten Orten. In dieser Hinsicht weist die Publikation Berührungspunkte auf zur Gattung von themenspezifischen Stadtspaziergängen und Landpartien. Wer etwa im Rahmen von Bildungsveranstaltungen eine Exkursion plant, findet hier im Sinne eines „Bonhoeffer-Atlasses“ hilfreiche Hinweise. Eine örtliche Konzentration ist im Raum in und um Berlin zu verzeichnen.

Ein robuster und wertig gemachter Einband sorgt dafür, dass sich das Buch gut in einem Rucksack verstauen lässt. Die ausgewählten Worte des Portraitierten lassen sich schließlich als Impulse für Andachten nutzbar machen. 

Norbert Schwarz