Rezension
Uwe Birnstein, Volker Eichener
Highway to Heaven
Die spirituelle Botschaft in Songs von AC/DC bis Led Zeppelin
Verlag bene!
Solms 2024
ISBN 978-3-96340-297-5
224 Seiten, 22,00 €
Hier kommen zwei zusammen, die zusammengehören. Volker Eichener, Sozialwissenschaftler mit Lehrstuhl in Düsseldorf, und Uwe Birnstein, Journalist und Theologe, haben bereits jeder für sich Etliches über Popmusikkultur veröffentlicht und legen nun ein gemeinsames Buch über spirituelle Spuren in der Pop- und Rockmusik vor. Sie schlagen eine wichtige Schneise für die theologische Analyse im Bereich populärer Musik und leiten an zu einem Weg der Freiheit mit viel Spaß und Entdeckerfreude im Umgang mit popmusikalischen Werken.
Den Autoren spürt man es ab, dass Pop und Rock ein Teil ihres Lebens sind. Sie zeigen uns einen Raum der Freiheit, deuten Zeitgeschichte, beschreiben Musik als Genuss und wecken Entdeckerfreude an den spirituellen Spuren in populären Songs.
Zwar äußern sich Songschreiber*innen oft vage in Bezug auf ihre religiöse Orientierung, aber mit der Veröffentlichung ihrer Werke haben sie diese aus der Hand gegeben und das Publikum ist frei in seiner Rezeption. Auf jeden Fall sprechen viele Songs relevante Themen an. Die spirituellen Songs, die dabei entstehen, sind nach Aussage von Birnstein und Eichener oft die besten der jeweiligen Stars.
Die beiden Autoren wenden sich nie gegen die Songs und geben damit ein Beispiel für einen angemessenen Umgang mit ihnen, wohlwollend und respektvoll. Selbst, wo man mit Aussagen und Intentionen von Songs nicht übereinstimmt, bieten sie eine gute Gelegenheit, seinen eigenen Glauben zu formulieren und sich in Gesprächskultur zu üben. Die Polemik und die alten Kämpfe kann man in den früheren Zeiten lassen. Wenn z. B. Patti Smith singt: „Jesus died for somebody‘s sins but not for mine”, dann brauche ich mich nicht gegen Patti Smith zu wenden, sondern habe in der Interpretation Freiraum, zu meiner Sicht zu stehen. Und im Hinterkopf sollte immer die Einsicht stehen, dass Aussagen von populären Songs von vielen Zeitgenossen geteilt werden. Zeitgeist ist in diesem Zusammenhang kein negativer Begriff, sondern bietet eine Hilfe, unsere Mitmenschen zu verstehen, denn die hier behandelten Songs entstammen keiner kirchlichen Binnenkultur und verlieren nie die gesellschaftlichen Realitäten aus den Augen.
Das Buch schlägt eine erste Schneise. Es bietet keinen vollständigen Kanon aller hier relevanten Songs. Birnstein und Eichener bieten viele wichtige Hinweise, aber keine erschöpfende Interpretation. Der eigenen Erweiterung des Songkanons und dem eigenen Weiterdenken sind keine Grenzen gesetzt. Eichener erwähnt z.B., dass der Song „One of Us“ einer jüdischen Feder entstammt. Die Interpretation dieses humorvollen Songs unter diesem Aspekt steht noch aus. Das, was voll mit bissigem Humor gespickt ist, bekommt unerwartet Tiefe: „Würdest Du Gott sehen wollen, wenn der Preis lautet, dass Du an Jesus glauben musst?“
Auch wo es um das Lob Gottes geht, wie etwa in den Songs „Hallelujah“, „One of Us“ oder „Every Grain of Sand“, werden die tiefen biografischen Stationen und das Scheitern auf dem Weg nicht ausgespart. Die Songs entrücken nicht in eine geistige Welt. Auch Bono, der in dem U2 Song „I still Haven’t Found What I’m Looking For“ klar bekennt, das Jesus am Kreuz seine Schuld getragen hat, wähnt sich damit noch nicht am Ziel, sondern bleibt weiter auf dem Weg des Glaubens unterwegs.
Viele Songs haben seelsorgerliche Qualität und da es keine Kirchenlieder sind, könnte man eine Veranstaltung zum Thema „Mit fremden Federn fliegen lernen“ anbieten.
Das Buch bietet auch die christlichen Enfants Terribles des Rock, wie Led Zeppelin, Black Sabbath, die Rolling Stones und AC/DC. Erstaunlich das Fazit der Autoren, dass hinter den für christliche Ohren provozierenden Songs relativ klassische Theologie steht.
Das Buch regt an, den eigenen biografischen Soundtrack in den Blick zu nehmen. Die Liste der dargebotenen Songs ist zu erweitern, was ja die beiden Autoren auch ständig tun. Man darf gespannt sein, was sie in Zukunft noch erarbeiten werden.
Auf Gemeindeebene könnte man mit Hilfe von Kirchenmusiker*innen oder ambitionierten Coverbands Coverkonzerte anbieten, gute Stimmung ist garantiert, vielleicht Uwe Birnstein selbst einladen, der mit seinen Lesungen und Coversongs ein wunderbares Format kreiert hat.
Für eine Unterrichtsreihe bietet sich sicher vor allem Taylor Swift an. Nicht nur, weil sie aktuell unglaublich erfolgreich und populär ist. Sie hat als junger Mensch bereits gegen Eltern, Management und Erwachsenenwelt zu ihrer Meinung und religiösen Einstellung gestanden und könnte hier echten Vorbildcharakter haben. Von ihr gibt es nicht nur jede Menge musikalischer Produktionen, über sie gibt es Dokus, Artikel, Merchandising, Bilder und andere Medien. Genug Material, das nicht nur dem Fanservice dient, sondern das helfen kann, weiter zu sehen.
Reinhard Chudaska