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Bild: Rainer Sturm  / pixelio.de

Anne Polster: Jugendliche und Ihre Konfirmation, Theologische Diskurse – empirische Befunde – konzeptionelle Erwägungen, Kohlhammer, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-17-038928-1, 345 Seiten, 39,00 €

Jugendliche und Ihre Konfirmation

Anne Polster schließt mit ihrer Arbeit, einer Kieler Dissertation, gleich zwei Forschungslücken. Sie nimmt den Konfirmationstag in den Blick, beginnend mit dem Vorabend bis hin zum Ausklang des Familienfestes. Und sie erforscht dabei, wie Konfirmand*innen diesen Tag empfinden und deuten. Zur Konfirmation ist, anders als zur Konfi-Zeit insgesamt, bisher wenig wissenschaftlich-empirisch geforscht worden. Und dabei wiederum lag der Fokus vor allem auf dem Gottesdienst. Zu allem anderen, was den Konfirmationstag zu einem der wichtigsten Ereignisse im Leben der Jugendlichen macht, gab es bis dato keine Untersuchungen.
Im ersten Teil des Buches stellt Anne Polster verschiedene theologische Deutungen der Konfirmation vor. Diese sei ein Container-Begriff, eine Kasualie, die sich nicht in einem Kasus erschöpfe, sondern deutungsoffen sei. Sie sei Segensfeier, Zuspruch von Mündigkeit, werde als Passageritus beschrieben oder gelegentlich als Laienordination, um nur einige zu nennen.

Im zweiten Teil stellt die Autorin ihr Forschungsvorhaben und die genutzte dokumentarische Methode des Gruppendiskussionsverfahrens vor. Daran anschließend geht sie den Konfirmationstag anhand der mit Konfirmand*innen geführten Interviews durch. Dabei fördert sie viel zutage, was sonst oft von den Hauptamtlichen, die den Konfirmationsgottesdienst gestalten, übersehen wird.

Wer selbst schon konfirmiert hat, fühlt sich beim Lesen oft bestätigt in Vermutungen über die Jugendlichen, ihre Gefühle und Gedanken zum Konfirmationsfest. So war z.B. zu vermuten, dass ein von den Jugendlichen gewähltes Predigtthema die innere Beteiligung am Gottesdienst nicht unbedingt erhöht; diese wird eher durch gute Erfahrungen in der Konfi-Zeit begünstigt.

An vielen Stellen in dem Buch gibt es auch Überraschendes zu entdecken. So ist es laut der Untersuchungen Polsters z.B. aus Sicht der Konfirmand*innen gar nicht ausgemacht, ob und inwieweit sie an diesem Tag zu Erwachsenen werden. Diese Rolle werde im Laufe des Konfirmationstages zwar probehalber übernommen, aber irgendwann auch wieder abgelegt. Im Rückblick auf den Konfirmationstag bezeichnen sich die Jugendlichen in den Interviews fast durchgehend als Kinder.
Diese kleinen Bestätigungen und Erkenntnisse schaffen Lesevergnügen, selbst in den trockenen Passagen der wissenschaftlichen Grundlegung. Ausgehend von den Interviews mit den Konfirmierten buchstabiert die Autorin theologische Deutungen der Konfirmation neu durch. Dabei wird deutlich, dass die Jugendlichen selbst theologische Deutungen eintragen. Diese sollten zukünftig nicht übersehen werden, wenn Konfirmation gestaltet wird.

Im abschließenden Teil entwirft Anne Polster eine Theorie der Konfirmation als Empowerment. Bewusst stellt sie dem Container-Begriff Konfirmation damit einen weiteren Container-Begriff als Deutung entgegen. Empowerment meint Selbstbefähigung, Selbstermächtigung und Stärkung. Davon ausgehend ließe sich eine Haltung einnehmen, aus deren Warte nicht nur die Konfirmation, sondern auch die gesamte Konfi-Zeit gedacht und gestaltet werden kann.

Das Buch ist in der Reihe „Praktische Theologie heute“ erschienen. Bei aller wissenschaftlichen Theorie ist Anne Polster genau das gelungen: ein Buch für die Praxis zu schreiben, das helfen wird, die Konfirmation zum Wohl der Konfirmand*innen zu gestalten.

Andreas Behr