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Bild: Rainer Sturm  / pixelio.de

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Friedhelm Kraft: Grenzgebiete – Liebe in einem zerrissenem Land.
Roman. Calwer Verlag. Stuttgart 2018. ISBN 978-3-7668-4483-5
112 Seiten broschiert. 9,95 €

Lehrermaterial: Calwer Verlag. Stuttgart 2018. ISBN 978-3-7668-4485-9
40 Seiten broschiert 9,95 €

 

Grenz Gebiete – Liebe in einem zerrissenen Land

Auf 102 Seiten entfaltet sich die Geschichte von Mareike, Jossi und Farid – eine private Dreiecksgeschichte vor dem Hintergrund der größeren religiös-politischen Dreiecksgeschichte im sogenannten Heiligen Land. Juden und Muslime streiten um Land und um Schuld, um ihre Existenzberechtigung, um Wiedergutmachung für all die Bedrohungen und Verletzungen, die beiderseits geschehen sind. Und die christliche Welt – die ihren großen Anteil an der tragischen Geschichte hat – versucht neutral zu bleiben und zu vermitteln – wie Mareike, die in ihrem Freiwilligen Ökumenischen Jahr an das deutsche Schulzentrum Talitha Kumi geht, um Erfahrungen zu sammeln und zugleich etwas Sinnvolles, Gutes zu tun. Mareike hat noch in Deutschland den jungen Israeli Jossi kennengelernt und sich in ihn verliebt. Dass sie, wie er sagt, „den Palästinensern helfen will, die Israel mit Vernichtung drohen“, bedroht die junge Liebe. In Talitha Kumi trifft Mareike überdies Farid, einen jungen Palästinenser, der die Dinge ganz anders sieht als Jossi – und im Alltag unter Grenzen und Mauern leidet.

Schüler*innen im Sekundarbereich entscheiden selbst, was sie interessiert – und es interessiert vor allem, was sie angeht. Und so hat dieses Jugendbuch eine gute Chance, über die Liebesgeschichte, die unmittelbar anspricht, auch Zugänge zu öffnen für dieses „sauschwere“ (eine Schülerin) Thema Nahost. In den Religionsunterricht gehört es aus verschiedenen Gründen: Es geht um Mission heute (Talitha Kumi ist eine Gründung des Berliner Missionswerks), um Verständigung (in Talitha Kumi lernen palästinensische Muslime und Christen gemeinsam), diakonisch-ökumenisches Engagement – und vor allem um die unselige Vermischung von Religion und Politik.

Freilich: Von selbst erschließt sich das nicht, und nicht nur Schüler*innen, sondern auch Lehrkräfte stehen ratlos vor der komplizierten Geschichte mit „Tretminen überall“ (ein Kollege). Daher ist es hilfreich und sinnvoll, dass es abgestimmt auf den Roman eine Unterrichtshilfe gibt. Mit einer thematischen Einführung, praxisnahen Unterrichtentwürfen und kopierfähigen Arbeitsblättern werden Schneisen geschlagen. Die Schüler*innen werden Schritt für Schritt in die Lage versetzt, mitzureden. Vor allem geht es um eines: Anregungen zum Perspektivenwechsel. Sie lernen auch, vorschnelle Positionierungen und Schuldzuweisungen zu vermeiden – davon gibt es schon genug.

Äußere Merkmale verstärken die Bereitschaft, Roman (als Schullektüre) und Material (als Unterrichtshilfe) auszuprobieren: Denn beide Produkte sind mit modernem, ansprechendem Cover versehen, sorgfältig gestaltet und wertig ausgestattet. Der Roman verfügt über Glossar, Zeittafel und Landkarte. Das Unterrichtsmaterial, von Fachleuten und Praktiker*innen des Religionsunterrichts erarbeitet, ist vierfarbig gedruckt und hebt sich wohltuend von den für gewöhnlich eher schlichten Lehrerhilfen ab.

Übrigens. Roman und Material sind in Berlin entstanden – was beidem eine zusätzliche Brisanz verleiht. Mauern, die trennen, können hier solidarisch verbinden.

Martina Steinkühler