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Empfehlenswerte Kinderbibeln – Wie finde ich sie?

von Lena Sonnenburg

Werden die Schlagwörter „empfehlenswerte Kinderbibeln“ gegoogelt, erscheinen in Sekunden mehr als 122.000 Treffer wie „Die große Bilderbibel“, „Die personalisierte Kinderbibel“, „Die Neukirchener“ oder „Der kleine Begleiter“. Eine Liste, die sich scheinbar endlos fortsetzten ließe. Dazu kommen jedes Jahr neue Werke auf den Markt – eine wunderbare Fülle und große Herausforderung zugleich. Zu Recht fragen sich da viele Fach- und Lehrkräfte, wie sie entscheiden sollen, welche Bibel sich für den Einsatz in der Krippe oder Kita eignet, welche für den Religionsunterricht in der Grundschule passt oder woran jugendliche Schüler*innen Gefallen finden könnten.

Glücklicherweise gibt es einige Kriterien, die bei der Orientierung helfen und dazu beitragen können, sich ein begründetes Urteil zu bilden:


Textauswahl

Je nach Leser*innen- bzw. Hörer*innenalter ist zu überlegen, wie viel und welchen Text eine Kinderbibel braucht. Jüngere Kinder bekommen häufig über wenig Text und viele Bilder einen ersten Zugang zu den biblischen Geschichten, während ältere Kinder und Jugendliche das breite Spektrum biblischer Textgattungen kennenlernen sollten. Die Textauswahl entscheidet auch darüber, welches Gottes-, Jesus-, Menschen- und Weltbild die Kinderbibel vermittelt und ob das Alte und Neue Testament jeweils als eigenständige Bücher wahrgenommen werden können bzw. aufeinander bezogen sind. Konkret lässt sich fragen:

•    Soll die Kinderbibel vorgelesen oder selbst gelesen werden?
•    Welche biblischen Geschichten sind in der Kinderbibel enthalten?
     Welche Texte fehlen? (Sind auch „kritische“ Geschichten wie z.B. die
     von der Sintflut zu lesen? Oder wird nur eine „heile“ Welt dargestellt?)
•    Lassen sich (thematische oder theologische) Schwerpunkte erkennen?
•    Bietet die Kinderbibel neben Erzählungen auch andere biblische
     Textformen wie beispielsweise Gebote, Psalmen, prophetische Texte
     oder Briefe?
•    Sind in der Kinderbibel Geschichten von Männern, Frauen und Kindern
     zu finden?
•    Werden Texte aus dem Alten und Neuen Testament gleichermaßen
     berücksichtigt?


Erzählsprache

Da Kinderbibeln Bücher für Kinder sind, sollte auch ihre Erzählsprache kindgerecht sein. Das bedeutet: Je jünger die Zuhörer*innen sind, desto elementarer müssen die Bücher erzählen – mit kurzen Sätzen, direkter Rede und im Präsens; Erstleser*innen brauchen ebenfalls einfache Satzkonstruktionen sowie eine große, gut lesbare Schrift und klar strukturierte Sinneinheiten.

Darüber hinaus mögen Kinder es, wenn die Geschichten, die sie hören oder lesen, spannend sind. Bei Kinderbibeltexten ist allerdings darauf zu achten, dass sie trotz aller Spannung nah an der Originalintention bleiben und möglichst wenig moralisierende Wertungen (die oft anhand der Überschriften erkennbar sind) oder historisierende Ausschmückungen enthalten (die suggerieren, dass alles, was dort steht, genau so passiert sei).

Kritisch zu hinterfragen ist auch eine einseitige Darstellung von Gott (als ausschließlich lieben Vater), Jesus (als unerreichbaren Heiligen), Schriftgelehrten und Pharisäern (als ausschließlich böse Gegner Jesu). Gute Kinderbibeln lassen die Vielfalt von Stimmen wirken und eröffnen Leser*innen bzw. Hörer*innen so die Möglichkeit, sich ein eigenes Bild zu machen. Zur Erzählsprache lässt sich fragen:

•    Ist die Sprache für die angesprochene Altersgruppe verständlich? Sind
     die Sätze angemessen lang?
•    Werden Kernthemen trotz der kindgerechten Sprache theologisch
     korrekt dargestellt?
•    Bleiben die Texte nah an der biblischen Vorlage oder folgen sie einem
     freien Erzählkonzept? Ist die Kinderbibel also eine Nach- oder eine
     Neuerzählung?
•    Wie spricht der*die Erzähler*in von Gott, Jesus, Schriftgelehrten und
     Pharisäern?
•    Folgt die Kinderbibel biblisch-theologischen Leitmotiven oder verspricht
     sie pauschalisierend „schöne“, „abenteuerliche“ oder „spannende“
     Geschichten?


Bilder

Bilder können Vorstellungen stark beeinflussen, sie können die Fantasie anregen, auf entscheidende Szenen aufmerksam machen, weiterführen oder symbolische Brücken bauen. Dabei kommt es stark auf die Qualität, Ästhetik und theologische Kernaussage an:
•    Was genau zeigen die Illustrationen? Wie stellen sie biblische Szenen
     dar? Wie korrespondieren die Bilder mit dem erzählten Text? (Laufen
     sie parallel, fokussieren sie Details, könnten sie für sich allein stehen,
     lässt sich mehr entdecken?)
•    Fördern die Bilder das Eintauchen in bzw. ein Nachdenken über den
     Text? Eröffnen sie mit Symbolen oder Aktualisierungen einen Zugang
     zur biblischen Botschaft?
•    Erscheint Jesus z.B. immer als heiliger, etwas abgehobener Mann oder
     als Mensch unter Menschen? Arbeiten die Bilder mit Verniedlichungen
     oder historisierenden Elementen? Suggerieren die Szenen, dass alles,
     was der Bibel steht, genauso passiert ist?
•    Gibt es auch Darstellungen, die zu einer meditativen Betrachtung
     anregen? Sind die Bilder vieldeutig, ausdrucksstark?
•    Wie werden Jüd*innen und Pharisäer dargestellt – wird sich
     antijüdischer Klischees bedient (z.B. einer großen Nase oder „bösen“
     Gesichtern)?
•    Wie ansprechend ist die ästhetische Qualität für Kinder? Für
     Erwachsene?


Ansatz / Grundidee

Viele Kinderbibeln folgen einem bestimmten Religions-, Bibel- und Erziehungsverständnis, das sich meist im Vor- oder Nachwort finden lässt. Häufig erläutern die Autor*innen, an welche Adressat*innengruppe sie beim Schreiben gedacht haben, wie sie die Texte ausgewählt haben und wie sie die Texte erzählen:

•    Gibt es Erläuterungen zur Absicht, mit der die Texte ausgewählt
     wurden? Entspricht diese Absicht der Käufer*innenabsicht?
•    Zeigt die Kinderbibel, wo die Texte in der Bibel zu finden sind?
•    Enthält die Kinderbibel Erläuterungen, Landkarten, Sachinformationen?

Neben diesen eher formalen Gesichtspunkten weist Martina Steinkühler auf drei weitere bedenkenswerte Aspekte  hin, die zu einer kundigen Wahl einer Kinderbibel beitragen können:

1. Deutlichkeit

Sind die Geschichten so erzählt, dass Hörer*innen / Leser*innen merken, dass es sich um Glaubenserfahrungen handelt und nicht um Tatsachenberichte?

Beispielhaft erläutert Steinkühler, dass die Urgeschichten z.B. oft mit Zeitangaben versehen werden, so als gäbe es einen historisch belegbaren Zeitstrahl, auf dem nach der Weltschöpfung die Paradiesgeschichte, die Sintflut, der Turmbau und schließlich Abrahams Berufung einzutragen wären. Eigentlich erzählen die Urgeschichten jedoch zeitlos. Das sollten auch Kinder erfahren. Sonst werden sie später empört über die Täuschung sein.

2. Subjektivität

Ist die Geschichte so erzählt, dass Leser*innen/Hörer*innen die Gelegenheit erhalten, Glaubenserfahrungen zu befragen, zu erproben und gegebenenfalls nachzuvollziehen?
Wenn es in der Bibel heißt, „Und Gott sprach zu Abraham: Geh…“ klingt das so, als habe man Gottes Stimme damals objektiv hören können. Kinder fragen dann häufig danach, warum Gott heute fauler geworden ist und nun nicht mehr mit den Menschen spricht. Klug wäre es daher, nicht von einem Gott zu berichten, der kam, sah und siegte, sondern „die Grammatik zu drehen und zu erzählen: Das und das ist geschehen. Und die Leute sagten: Das war Gott. Deutlich subjektiv.“

3. Offenheit

Ist die Geschichte so erzählt, dass sie Lücken lässt und Fragen anstößt, so dass Leser*innen/Hörer*innen zur Eigenarbeit herausgefordert werden?
In der Bibel ist sehr offen formuliert, dass Bartimäus sehend wird. Das kann psychisch, physisch, geistlich oder symbolisch verstanden werden. Manche Kinderbibeln schränken diese Offenheit ein, wenn sie z.B. die physische Sehkraft Bartimäus beschreiben: Auf einmal erkennt er seine Umgebung, Blumen und Blätter, die Gesichter und Mienen der Umstehenden. Das ist schade, denn so wird den Kindern die Mehrdimensionalität der Geschichte genommen.

Fazit

Vielfältige Gesichtspunkte also, die bei der Auswahl einer für die eigene Zielgruppe geeigneten Kinderbibel eine Rolle spielen. „Doch auch mit dieser Checkliste ist es gar nicht so einfach!“, mag der*die potenzielle Käufer*in nun denken. Als Hilfe hat das Evangelische Literaturportal mit Sitz in Göttingen nun schon mehrfach ein aktuelles Themenheft herausgegeben, das Interessierte nicht mit den Tausenden von Google-Treffern allein lässt. In „Empfehlenswerte Kinderbibeln“ werden 25 Kinderbibeln vorgestellt, die (zumeist) die oben genannten Kriterien berücksichtigen. Eine Vorauswahl für alle, die auf der Suche nach gelungenen Kinderbibeln für die unterschiedlichsten Kontexte sind.


Hinweis

Für Grundschulen, in deren Kerncurriculum Evangelische Religion es heißt: „Der Religionsunterricht ist immer wieder auf die Bibel zu beziehen […]. In diesem Zusammenhang sind für die Grundschule geeignete Bibelausgaben zu verwenden“, sei angemerkt, dass inzwischen zwei Kinderbibeln als genehmigte Schulbücher in Niedersachsen geführt werden: „Spuren lesen – Grundschulbibel“ und „Die Grundschul-Bibel“4.


Anmerkungen

  1. Vgl. Evangelisches Literaturportal: Themenheft Empfehlenswerte Kinderbibeln, 5-9; ergänzt durch Oberthür, Rainer: Kriterien für die Auswahl von Kinderbibeln; Braun, Josef: Hilfe zur Analyse von Kinderbibeln.
  2. Vgl. Steinkühler, Bildgeschichten sind Lebensgeschichten, 19-33.
  3. Steinkühler, Bildgeschichten sind Lebensgeschichten, 21.
  4. Diese Bücher könnten in das Ausleihsystem der Schule aufgenommen werden.


Literatur

  • Evangelisches Literaturportal: Themenheft Empfehlenswerte Kinderbibeln, Göttingen 2018, www.eliport.de/unsere-publikationen/themenhefte/kinderbibeln
  • Steinkühler, Martina: Bildgeschichten sind Lebensgeschichten. Erzählen in Familie, Gemeinde und Schule. Göttingen 2011 und Kassel 2017
  • Oberthür, Rainer: Kriterien für die Auswahl von Kinderbibeln, www.medienstelle.ch/pdf/Kriterien_fuer_die_Auswahl_von_Kinderbibeln.pdf (09.10.2022)
  • Braun, Josef: Hilfe zur Analyse von Kinderbibeln, Art. Kinder- und Schulbibeln, 2. Katholisch, in: Lexikon der Religionspädagogik I (2001), 1015-1017

 

 

 

 

 

 

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