Irgendwie hat es geholfen – Vom Ablauf einer Pferdebestattung

Von Kirsten Rabe

Wenn der Hamster stirbt oder der Wellensittich und es einen Garten am Haus gibt, eine Wiese oder ein Waldstück in der Nähe, dann findet sich für diese Tiere ein schöner Ort, an dem sie bestattet werden können. Auch die verstorbene Katze oder der Hund, die man schweren Herzens gehen lassen musste, werden möglichst in der Nähe des eigenen Zuhauses bestattet. So manche Blume schmückt diese Gräber, manchmal ein Rosenstrauch, auch Holzkreuze finden sich, auf denen man den Namen des Tieres lesen kann.

Was aber tut man, wenn das eigene Haustier zu groß ist, um es im Garten oder am angrenzenden Waldrand zu beerdigen? Laut aktueller Gesetzeslage gelten die Körper verstorbener Ponys und Pferde als „tierische Nebenprodukte“, die in den Besitz von Tierkörperbeseitigungsanlagen übergehen. Wer mit Pferdebesitzer*innen zu tun hat, kennt vielleicht diesen Anblick: Da muss der tote Tierkörper mit viel Kraft an die Straße gezogen werden, damit er abgeholt werden kann. Nicht selten muss der Traktor zu Hilfe genommen werden. Sollte es an dem Tag keinen freien Termin mehr geben und das Tier erst am nächsten Tag oder gar am Montag nach dem Wochenende abgeholt werden können, legt man notgedrungen eine Plane darüber und hofft, dass der furchtbare Anblick da am Straßenrand bald vorbei sein möge. Und was danach geschieht – darüber möchte man gar nicht erst nachdenken.
So wollte ich das für unsere Pferde auf keinen Fall.

Vor anderthalb Jahren kam der Tag, vor dem sich wohl jeder, der ein Haustier hat, fürchtet. Unser Pony musste eingeschläfert werden. Die Situation war so nicht vorauszusehen gewesen und so kam alles auf einmal: bei dem Tier zu bleiben und es zu beruhigen, auf den Tierarzt zu warten, sich gegenseitig zu trösten – und sich zugleich um die Möglichkeit einer Tierbestattung zu kümmern.

Es gibt in Deutschland Pferdebestatter. Sie arbeiten beispielsweise mit Tierkrematorien in den Niederlanden zusammen, da die Kremierung von Pferden in Deutschland noch nicht bzw. nur schwer möglich ist. Auf der Homepage des Unternehmens, für das ich mich entschieden hatte, findet sich ein Leitfaden nebst Telefonnummer: „Hilfe und Vorgehensweise im Notfall“. Wie ein Notfall fühlt es sich auch irgendwie an, denn ein so großes Tier nicht einfach privat bestatten zu können, macht hilflos.

Auf den ersten Kontakt per Mail oder Telefon folgten Formalia: Gewicht und Größe des Pferdes müssen angegeben werden, auch muss geklärt sein, wann die Abholung erfolgen soll. Der Tierarzt muss bestätigen, dass das Pferd keine ansteckende Krankheit hatte. Dann erfolgt ein Angebot seitens des Tierbestatters über die entstehenden Kosten. Wenn man als Kunde das Angebot bestätigt hat, nimmt das Bestattungsunternehmen Kontakt mit dem Tierkrematorium in den Niederlanden auf. Unser Pony sollte noch am Abend abgeholt werden. Mein Handy klingelte regelmäßig, um mich über den Zeitplan auf dem Laufenden zu halten. Und immer: für mich mitfühlende und das verstorbene Tier wertschätzende Worte am Telefon. Mag sein, dass das einfach professionell ist, mag aber genauso gut sein, dass hier jemand aus Erfahrung spricht und sich deshalb für diesen Beruf entschieden hat.

Nach weiteren Stunden Wartezeit wurde unsere Ponystute abgeholt. Ein schwarzer Wagen mit einem schwarzen Pferdeanhänger, ein Pferdekopf ist über eine Seite des Fahrzeugs skizziert, elegant und lebendig. Das muss man den Betreibern des Pferdekrematoriums lassen: Sie bemühen sich um zurückhaltenden Stil und Wertschätzung. Die anwesenden Kinder wurden mit tröstenden Worten und einem freundlichen Händedruck auf die Schulter begrüßt. Wir haben dann gemeinsam unser Pony auf eine große Plane gelegt, die in ein fahrbares Gestell eingehängt wurde. Mit Hilfe dieser besonderen Konstruktion wurde „unser Schatz“, wie der Pferdebestatter aus Deutschland am Telefon unser Pony die ganze Zeit nannte, langsam auf den Pferdeanhänger geschoben. Unsere Kleine musste während der Überführung nicht auf dem Boden liegen. Dafür war ich dankbar.
Beim Abschied überreichte ich dem Fahrer den Umschlag mit dem Geld und bedankte mich. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche seien sie gefragt, erzählte er mir. Also bin ich nicht alleine mit meinem Bedürfnis nach einem würdevollen Abschied.

In den folgenden Tagen klingelte häufiger mein Handy und trotz allem Traurigsein musste die Theologin in mir ab und an schmunzeln. Ich wurde Schritt für Schritt begleitet in meinem Abschied. Bald wurde ich informiert, dass unser Pony nun im Raum der Stille liegt. Und dass die Kremierung um 17.00 Uhr beginnen werde. Sechs bis acht Stunden dauert dieser Vorgang für gewöhnlich. Es würden Fotos gemacht werden, anhand derer ich sehen könne, dass das Tier einzeln eingeäschert worden sei und alles das, worüber ich am Telefon informiert werde, auch so umgesetzt worden sei. Beweisfotos sozusagen. Ich habe sie mir ehrlich gesagt bis heute nicht angesehen.

Wenige Tage später kam dann eine Mail, in der nicht nur die schon vertrauten mitfühlenden Worte, sondern auch der DHL-Link standen. Nun konnten wir also verfolgen, wie unsere Ponystute nach Hause kam. Dass sie das per Flugzeug aus Amsterdam tun würde, hätte wohl keiner gedacht. Ich hätte mir bei dem Bestattungsunternehmen in Deutschland eine Urne aussuchen können. Oder einen Teil der Asche zu einem Stein, Kristall oder Medaillon umwandeln lassen können. Darauf habe ich verzichtet und so kam schon bald ein recht schweres Paket mit Asche per Post an. Anbei lagen besagte Foto-CD, eine Einäscherungsurkunde sowie eine weiße Rose und eine Beileidskarte aus den Niederlanden.

Und auch der Pferdebestatter aus Deutschland schickte eine Einäscherungsurkunde – auf Schmuckpapier, blau mit weißen Wolken. Auch hier musste die Theologin in mir schmunzeln, denn diese Urkunde ähnelt einer Traueranzeige. Dort stehen der Name und das Einäscherungsdatum, ein Spruch über das Abschiednehmen und der Hinweis, unser Pony sei „mit Würde und Respekt“ eingeäschert worden. Und auf der Rückseite ist der Text von der „Regenbogenbrücke“ abgedruckt. Er erzählt von der Brücke zwischen Himmel und Erde, von einem Ort, an dem alle Tiere wieder gesund sind und den ganzen Tag gemeinsam im Sonnenschein spielen. Nur eines würden sie in diesem Paradies vermissen: ihre Menschen. Über die Visionen in diesem Text ließe sich theologisch (und literarisch) mit Sicherheit wunderbar streiten:
„So rennen und spielen sie jeden Tag zusammen,
bis eines Tages plötzlich eines von ihnen innehält und aufsieht.
Die Nase bebt, die Ohren stellen sich auf, und die Augen werden ganz groß!
Plötzlich rennt es aus der Gruppe heraus und fliegt über das grüne Gras.
Die Füße tragen es schneller und schneller.
Es hat Dich gesehen.“

Oder man gesteht sich ein: Irgendwie hat das alles geholfen.
Die beiden jüngsten Besitzer des Ponys haben eine Holztruhe wunderschön bemalt. Darin war die Asche gut aufgehoben. Wir haben sie gemeinsam bestattet, im Garten am Stall.
Ehrlich gesagt, hatte ich Tierbestattungen bisher ein bisschen belächelt. Das hat sich geändert.