Gottesdienst für Mensch und Tier – Ein Praxisbericht

Von Lea Nickel

Warum ein Gottesdienst für Mensch und Tier?

Tiere sind Menschen gute Begleiter, Freudenbringer im Alltag, Lebensretter, unverzichtbar für gute Milch. Treue Hunde bleiben bei ihren Besitzern, Katzen haben ihren eigenen Kopf und manche schmusen gerne. Pferde laufen stolz auf der Koppel, feinfühlig reagieren sie darauf, wer auf ihrem Rücken reitet. Ein Leben ohne Nutztiere ist für viele Menschen nicht vorstellbar.

Mensch und Tier sind Teil von Gottes Schöpfung und von Gott in Relation zueinander in seine Schöpfung gesetzt. Ihre Beziehung ist dabei vielfältig, von jeher geprägt durch eine große Abhängigkeit voneinander, aber auch gezeichnet von Missständen im Umgang des Menschen mit den Tieren.
Ein Gottesdienst für Mensch und Tier verlangt nach einem anderen Ort. In den allermeisten Kirchen muss auf den Einlass von Tieren mit Rücksicht auf Allergiker*innen verzichtet werden. Gerade in ländlichen Regionen bieten sich Höfe, Ställe, Reitanlagen an.

Ein solcher Gottesdienst feiert die Verbindung von Mensch und Tier nicht als abstraktes Thema, sondern die Tiere der Teilnehmer*innen sind Ehrengäste des Gottesdienstes: ob Hund, Kuh, Katze, Pferd, Maus oder Goldfisch. Alle Tierliebhaber*innen sind auch ohne ihre Tiere eingeladen. Höhepunkt kann ein persönlich zugesprochener Segen zu den Tierhalter*innen mit ihren Tieren sein.

Als Projekt wurde der Gottesdienst für Menschen und Tiere zum Herbst 2019 in einer Reithalle nahe Walsrode in die Tat umgesetzt.


Vorbereitungen für den Gottesdienst

In mehreren Vorbereitungstreffen hat sich ein Team aus Tierbesitzern gebildet. In der langen Vorbereitung (von neun Monaten) konnte vieles bedacht und Kontakt zur Gemeinden aufgenommen werden, die solche Gottesdienste schon durchgeführt haben.

In diesem Zuge gab es Austausch mit einem Pfarrer aus Berlin, Viktor Weber, der einen solchen Gottesdienst kurz zuvor durchgeführt hat. Einige Anregungen für den Gottesdienst und Ideen und Tipps für die Durchführung wurden von ihm übernommen und berücksichtigt.

Gemeinsam hat das Vorbereitungsteam überlegt, wie es Werbung für diesen Gottesdienst machen will, und sich entschieden, neben den klassischen Kanälen wie Lokalzeitung und Gemeindebrief auch Plakate zu gestalten. Die Plakate wurden beim Tierarzt, in der Hundeschule, auf Reiterhöfen, in Tierbedarfsläden, in Schulen und Kitas sowie in Lebensmittelfachgeschäften aufgehängt. Außerdem wurde das Projekt in den Sozialen Medien begleitet.

Wichtig war dem Team, dass es Kerzen auf dem Altar gibt, und entschied sich aus Brandschutzgründen dann für Wachskerzen mit LED-Lichtern.
Der Altar wurde etwa in der Mitte der Reithalle aufgebaut. Einzelne Stühle wurden mit genug Abstand aufgestellt, damit die Hunde neben ihren Besitzern liegen konnten. Hinter einigen Reihen wurden Stehtische verteilt aufgebaut. So standen die fast 15 Pferde in Gruppen zusammen und es war genug Platz für die Pferde sich während des Gottesdienstes zu bewegen.
Die Reithalle hat eine relativ gute Akustik, dennoch wurde sich für eine Anlage zur Verstärkung entschieden. Der Gottesdienst wurde nur durch ein E-Piano begleitet. Damit sollte vermieden werden, dass sich Tiere erschrecken und unruhig werden. Aus diesem Grund wurde auch auf die Lautstärke geachtet. Die Lieder wurden durch einen Musiker am Mikrofon mitgesungen, damit Unsicherheiten in der Gemeinde vermieden werden. Die Tiere waren alle während des Gottesdienstes sehr entspannt und ruhig, was anders erwartet wurde. Ein Grund dafür könnten die Vorüberlegungen zur Musik und die Ruhe der Akteure*innen gewesen sein. Im Anschluss an den Gottesdienst gab es Kaffee und Kuchen, was einen Austausch zwischen den Tierbesitzer*innen ermöglichte und einen netten Abschluss bildete.


Theologische Skizze – Tiere segnen?

Der Segen Gottes gilt in der Bibel vor allem Menschen, an wenigen Stellen segnet Gott aber auch Tiere. Segen in der Bibel ist vor allem ein Zuspruch für den Menschen. Dem Menschen wird die Herrschaft über die Tiere übertragen, so gibt Adam den Tieren ihre Namen (Gen 1,26ff. und Ps 8). Der Mensch wurde (Gen 1) als Ebenbild Gottes geschaffen und hat damit die Möglichkeit auf den Segen Gottes zu antworten (Gen 12,2). Mit dem Sündenfall (Gen 3) wendet sich der Mensch das erste Mal ab von Gott und von seinem Segen.

Tiere können auf den Segen nicht antworten. Die Erzählung von der Arche Noah (Gen 8f.) legt nahe, dass Tiere dauerhaft von Gott gesegnet sind. Nach der Sintflut (Gen 9) heißt es, dass die Tiere dem Menschen in die Hand gegeben sind und sie ihm zur Nahrung dienen sollen. Dort wird der Mensch den Tieren nicht übergeordnet; deshalb gilt der Segen für Menschen und Tiere. Sie sind dem Menschen anvertraut und der Mensch trägt Verantwortung für sie.

Tiere zu segnen ist auf katholischer Seite völlig normal, denn es gibt für die Segnung von Tieren eine lange Tradition (Benediktionale Nr. 78). In der evangelischen Praxis sind Tiersegnungen eher ungewöhnlich, denn sie sind umstritten, bzw. werden abgelehnt. Aber seit einigen Jahren werden Tiersegnungsgottesdienste auch in evangelischen Gemeinden gefeiert1.
Trotzdem war es durchaus besonders, dass EKD Ratsvorsitzender Henrich Bedford-Strohm am 22. März 2015 im Wallfahrtsgottesdienst in Altötting Tiere segnete. Der Segen für die Tiere solle zum Ausdruck bringen, dass auch die „außermenschliche Schöpfung eine Würde hat und Segen verdient“, betonte Bedford-Strohm. Tiere seien für den Menschen nicht einfach nur Besitz und Sachwert, sondern ein Mitgeschöpf2.  Werden heute Tiere und Menschen gemeinsam gesegnet, wird die Beziehungsgemeinschaft zwischen ihnen betont.

In dem nachfolgenden Gottesdienst wurde dennoch ein Segensspruch gewählt, bei dem nicht explizit die Tiere gesegnet werden, sondern der Mensch, der in Beziehung zu dem Tier steht. Der Segensspruch lautete: „Gott hat Menschen und Tiere geschaffen. Er behüte Euch und lasse Euch in Frieden miteinander leben. Gott segne Dich!“ Mit „Euch“ sind Tierbesitzer*innen und Tiere und mit „Dich“ sind die Tierhalter*innen gemeint.

Vor dem Segen wurden die Halter*innen gebeten, das Tier mit einer Hand zu halten oder es auf den Arm zu nehmen. Den Segen gesprochen haben ein Kirchenvorstandsmitglied und die Vikarin. Einige Halter haben sich im Nachhinein für das Segnen des Tieres bedankt; es hat sich also gezeigt, dass im Bewusstsein der Gottesdienstbesucher*innen kein Unterschied gesehen wurde zwischen Segen des Menschen und dem Beisein des Tieres. Die theologische Diskussion dahinter ist den Gottesdienstbesucher*innen nicht bewusst und teilweise unverständlich, was Gespräche gezeigt haben.

Anmerkungen:

  1. Körtner, Ulrich H. J.: Artikel „Tiere”, in: Balz, Horst Robert / Krause, Gerhard / Müller, Gerhard (Hg.): Theologische Realenzyklopädie, Band 33, 2002, 532.
  2. www.evangelisch.de/inhalte/120909/11-04-2015/tiere-segnen-ist-das-evangelisch, (zuletzt abgerufen am 20.10.2019.)