Kirchentag in der Schule

von Joachim Jeska 

 

1. Kirchentag – was ist das eigentlich?
Eine Umfrage erarbeiten, durchführen, auswerten und präsentieren (Sek I)

Schülerinnen und Schülern die inhaltliche Gestaltung und Organisation eines Kirchentages näher zu bringen und sie damit zur Teilnahme zu motivieren, ist das Ziel dieses Unterrichtsbausteines. Indem sie Menschen außerhalb der Schule befragen, erfahren sie etwas über den Bekanntheitsgrad und die Beliebtheit des Kirchentages. Darüber hinaus bekommen sie durch Erlebnisberichte eventuell einen sehr persönlichen Zugang zu diesem kirchlichen Großereignis. Außerdem lernen sie dabei, wie man eine Umfrage erarbeitet, durchführt, auswertet und präsentiert. Je nach Zeitbudget, das für die Vorbereitung auf den Kirchentag 2005 im Unterricht zur Verfügung steht, kann dieser Unterrichtsbaustein knapp gehalten (zwei Unterrichtsstunden) oder ausgeweitet werden (vier Unterrichtsstunden).

Entscheidet man sich für eine intensive Einheit, so kann man die Schülerinnen und Schüler zunächst selbst einen Zugang zum Thema Kirchentag erarbeiten lassen. Ich sehe drei Möglichkeiten für eine erste Unterrichtsstunde:

  1. Der oder die Lehrende bringt eigene oder zusammengetragene Materialien von vergangenen Kirchentagen mit in den Unterricht (Programmbücher, – evtl. ausgewählte Kopien, Poster, Videosequenzen, Musik oder anderes) und vergibt gezielte Rechercheaufgaben. Einzelne Schülerinnen und Schüler könnten die Organisationsstruktur und die grobe Gestaltung der fünf Tage eines Kirchentages herausarbeiten, andere könnten die zentralen Themen und wieder andere das Beiprogramm heraussuchen. Durch Zusammentragen entsteht ein erstes vorläufiges Bild von einem Kirchentag.
  2. Sollte die Möglichkeit der Nutzung eines Computerraums mit Internet-Zugang bestehen, können alle Lernenden (oder eine Kleingruppe) im "Netz" auf die Suche nach Informationen zum Kirchentag gehen. Es lassen sich dabei viele Entdeckungen machen, nicht nur unter www.kirchentag.de, sondern auch auf den Seiten vergangener Kirchentage (www.oekt.de, www.kirchentag2001.de oder www.katholikentag.de). Auch bei dieser Option ist es notwendig, Rechercheaufgaben zu stellen, damit das Suchen nicht zum bloßen Surfen wird.
  3. Der oder die Lehrende könnte jemanden in den Unterricht einladen, der viel Erfahrung mit Kirchentagen hat (Ortspastor oder -pastorin, Diakon oder Diakonin, Ehrenamtliche aus der Kirchengemeinde) und von den Schülerinnen und Schülern befragt werden kann.

In einer zweiten Stunde können die Lernenden auf der Basis ihrer Erstinformationen dann einen Fragebogen entwickeln, der umso aussagekräftiger ist, je mehr sie bereits vom Kirchentag wissen. Sie können dann gezielt danach fragen, was sie interessiert. Die erste Frage wird dabei wohl in aller Regel danach sein, ob der oder die Befragte überhaupt weiß, was ein Kirchentag ist. Erst wenn diese Frage positiv beantwortet wird, können detaillierte Fragen folgen, etwa nach dem Abend der Begegnung, dem Markt der Möglichkeiten, nach der Attraktivität von Podiumsdiskussionen oder Konzerten. Die Schülerinnen und Schüler sollten bei der Erarbeitung des Fragebogens überlegen, wo sie ihre Umfragen vornehmen wollen (z.B. in der Nachbarschaft, der Fußgängerzone oder auf dem Sportplatz), wie die Fragen lauten müssen, damit es zu aussagekräftigen Ergebnissen kommt und wie groß die Befragungs-Teams sein sollten. Für die Befragung selbst kann eine weitere Unterrichtsstunde angesetzt werden oder aber die Schülerinnen und Schüler nutzen eine festgelegte Zeit am Nachmittag oder Wochenende dafür.

Die Auswertung erfolgt in der dritten Stunde, wobei die Einzelergebnisse der Befragungs-Teams zusammengetragen werden. Das kann an einer Overhead-Folie geschehen. Gemeinsam gilt es nun zu überlegen, wie und in welchem Rahmen die Ergebnisse präsentiert werden können. Von einem gestalteten Plakat für die eigene Klasse oder für die gesamte Schule bis hin zu einem Artikel in der Schülerzeitung oder aber der lokalen Presse ist vieles denkbar. Möglich ist auch die Kontaktaufnahme mit der Organisation des Kirchentages in Hannover 2005 und die Bereitstellung der Ergebnisse (info@kirchentag.de). Für das Erarbeiten der Präsentation ist nochmals eine Unterrichtsstunde anzusetzen, so dass insgesamt vier (bzw. fünf) Stunden gefüllt werden.

Kann soviel Unterrichtszeit nicht zur Vorbereitung auf den Kirchentag genutzt werden, so können die Schülerinnen und Schüler ohne eigene Vorinformationen in einer ersten Unterrichtsstunde einen Fragebogen entwickeln, die Befragung außerhalb des Unterrichtes vornehmen und in einer weiteren Stunde die Ergebnisse zusammentragen sowie eine Präsentation erarbeiten.

 

2. Was können wir tun, um unsere Zukunft zu gestalten?
Eine Podiumsdiskussion erarbeiten und durchführen (Sek II)

Die Losung des Evangelischen Kirchentages 2005 in Hannover "Wenn dein Kind dich morgen fragt..." ist für Schülerinnen und Schüler nicht leicht zugänglich. Der Blick auf ein eigenes Kind ist für Jugendliche, die soeben dem Kindesalter entwachsen sind, erst einmal sehr befremdlich, da Bezüge zur eigenen Lebenswelt kaum hergestellt werden können. Die Interpretation der Losung sollte daher am Beginn der Beschäftigung stehen und ist gleichermaßen eine Einführung in die zu erarbeitende Podiumsdiskussion. Nach meinen Erfahrungen lässt sich auch mit Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe II ein Schreibgespräch durchführen, selbst wenn die Lerngruppe bisher kaum oder keine Kenntnisse dieser Methode hat. Auf großen Papierbögen könnte in großen Buchstaben die Losung stehen. Die Schülerinnen und Schüler werden dazu aufgefordert, schweigend eigene Kommentare und Interpretationsversuche anzuschreiben. Dabei sollten sie ermuntert werden, auf bereits angeschriebene Kommentare Bezug zu nehmen. Durch diesen Prozess und mit Hilfe eines anschließenden "beredten" Gedankenaustausches sollte deutlich werden, dass es im wesentlichen um die Frage geht, was Menschen heute tun können, um die Zukunft zu gestalten: Welche Maßstäbe gelten, was sind die zentralen Themen und Sorgen und wer kann eigentlich wie handeln? Sicher werden hierbei bereits verschiedene Positionen erkennbar, und es ist die Aufgabe in dieser ersten Unterrichtsstunde, die Vielfalt der möglichen Haltungen wahrzunehmen und zu visualisieren.

Ich halte es für sinnvoll, die differierenden Positionen mit Zitaten aus biblischen Schriften zu verbinden, um auf diese Weise einerseits die jeweilige Haltung zu pointieren und andererseits die große Bedeutung biblischer Texte für die Frage nach Welt- und Zukunftsgestaltung aufzudecken. Zudem lernen die Schülerinnen und Schüler dabei, wie divergent biblische Texte in Bezug auf dieses Thema sind, wie verschieden also die Antwortversuche auch in früheren Phasen der Geschichte waren. Dabei könnten – falls dafür Zeit zur Verfügung steht – auch Exkurse zu den einzelnen Kontexten der jeweiligen Zitate eingeschoben bzw. erarbeitet werden. Ich denke z.B. an Zitate wie: "Sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen" (Mt 6,34); "Man mühe sich ab wie man will, aber man hat keinen Gewinn davon" (Pred 3,9); "Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen" (Off 21,1); "Niemand suche das Seine, sondern das, was dem anderen dient" (1. Kor 10,24); "Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse" (2. Kor 4,10); "Prüft alles, und das Gute behaltet" (2. Thess 5,21); "Wenn wir Nahrung und Kleider haben, so wollen wir uns daran genügen lassen" (1. Tim 6,8); "Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber Gott allein lenkt seinen Schritt" (Spr 16,9).

Freilich wird eine Auswahl zu treffen sein, die Bezug nimmt auf die von den Lernenden vorgeschlagenen Positionen. Ich halte es für sinnvoll, vier verschiedene Haltungen in das Zentrum zu rücken, so dass auf dem zu bildenden Podium einschließlich Moderator fünf Lernende Platz finden. Ehe die inhaltliche Vorbereitung aufgenommen werden kann, ist mit den Schülerinnen und Schülern zu klären, in welchem Rahmen die Podiumsdiskussion stattfinden soll – nur intern oder etwa für eine größere Öffentlichkeit an der Schule (mit anderen Kursen der Sekundarstufe II oder unter zusätzlicher Einladung von Eltern). Auch müssen die Rahmenbedingungen abgesteckt werden: Wie lange sollte die Podiumsdiskussion dauern, wo sollte sie stattfinden? Ist eventuell technische Vorbereitung nötig (Mikrofone, Einladungsplakate, Werbemaßnahmen usw.)?

Im Anschluss daran sollte die gesamte Lerngruppe die inhaltliche Vorbereitung durchführen, indem fünf Kleingruppen gebildet werden. Eine Kleingruppe stellt den späteren Moderator der Diskussion und sollte sich ansatzweise mit allen Positionen auseinandersetzen. Die vier weiteren Kleingruppen machen sich jeweils eine Position zu eigen, suchen Argumente für ihre Haltung und formulieren ein kurzes Eingangsvotum für die Podiumsdiskussion. Darüber hinaus sollten sie überlegen, mit welchen Gegenargumenten sie auf Seiten der anderen an der Diskussion Teilnehmenden rechnen müssen. Es ist also neben der inhaltlichen Frage ein erklärtes Ziel dieses Unterrichtsbausteines, dass die Schülerinnen und Schüler Argumentationsstrukturen entwickeln. Mindestens eine Doppelstunde sollte dafür verwendet werden, je nach Aufwand der späteren Podiumsdiskussion auch mehrere Stunden.

Am Ende der inhaltlichen Erarbeitung haben die Gruppenmitglieder zu entscheiden, wer von ihnen auf dem Podium sitzt und "ihre" Position vertritt. Schließlich kommt es zur Podiumsdiskussion, die je nach Aufwand bis zu einer Schulstunde dauern kann, m.E. aber nicht längere Zeit in Anspruch nehmen sollte. Es bietet sich an, in der folgenden Unterrichtsstunde ein Feedback vorzunehmen und den Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, dass diese Form der Podiumsdiskussion eine der häufigsten Diskussionsformen auf dem Kirchentag sein wird. Zugleich könnte in dieser Stunde das Programm des Kirchentages ausschnittweise gemeinsam gelesen werden, damit die Lernenden erkennen, dass sie durch die Erarbeitung ihrer eigenen Veranstaltung "Experten" für eine der zentralen Fragen des kirchlichen Großereignisses in Hannover 2005 geworden sind.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 4/2004

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