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Was erwarten muslimische Familien von/in einer evangelsichen Kita?

von Efdal Nur Tugrul

Die deutsche Gesellschaft wird zunehmend pluraler. Bereits im frühen Kindesalter begegnen Kinder unterschiedlichster religiöser Hintergründe einander in Kindertagesstätten. Diese Vielfalt zeigt sich auch in konfessionell gebundenen Einrichtungen wie in den evangelischen Kitas. In diesem Kontext wird die „gemeinsame Erziehung von Kindern unterschiedlicher religiöser Herkunft zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, die auch die Kirchen wahrnehmen.“1 

Auffällig ist, dass ein wachsender Teil der Familien, deren Kinder evangelische Kitas besuchen, dem muslimischen Glauben angehört. Daraus ergeben sich zentrale Fragen: Was bewegt muslimische Familien dazu, ihre Kinder in einer evangelischen Einrichtung anzumelden? Welche Erwartungen und Bedürfnisse bringen sie mit?

Wie alle Familien wünschen sich auch muslimische Eltern eine liebevolle Betreuung und eine individuelle Förderung der ganzheitlichen Entwicklung ihrer Kinder – in körperlicher, geistiger, sprachlicher, emotionaler und sozialer Hinsicht. Dabei sollen die jeweiligen Fähigkeiten und Bedürfnisse der Kinder berücksichtigt werden.

Ein spezifischer Grund für die Wahl einer evangelischen Kita liegt häufig darin, dass kulturelle und religiöse Bedürfnisse besser verstanden und respektiert werden – nicht zuletzt aufgrund der gemeinsamen Basis im monotheistischen Glauben.

Evangelische Kitas sehen ihre Aufgabe darin, „die ihnen anvertrauten Kinder im Geist des Evangeliums zu fördern und einen umfassenden Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrag zu erfüllen.“2  Somit entsteht für die Familien ein Raum, mit dem christlichen Glauben und gelebter Spiritualität in Kontakt zu kommen. Gleichzeitig erfüllen sie einen sozialdiakonischen Auftrag und stehen grundsätzlich allen Kindern offen.

Diese Offenheit bildet die Grundlage einer kindgerechten, inklusiven und dialogorientierten pädagogischen Konzeption. Ziel ist es nicht zu missionieren, sondern ein respektvolles Miteinander zu fördern. Der gelebte Glaube wird sichtbar: „In der Kita selbst gehört der christliche Glauben zum Alltag. Die Erzieherinnen erzählen Geschichten aus der Bibel, vor dem Essen wird gebetet.“3 

Muslimische Eltern erwarten in diesem Rahmen eine besondere Sensibilität in der religiösen Erziehung. Sie setzen Vertrauen in eine offene und tolerante Haltung der pädagogischen Fachkräfte gegenüber anderen Religionen und wünschen sich, dass ihre Kinder sowohl religiöse Verbindlichkeit erleben als auch die Religion des Landes, in dem sie aufwachsen, kennenlernen.4  Ein zentrales Anliegen ist eine werteorientierte Erziehung, die auf gemeinsamen religiösen Grundlagen aufbaut. Dazu zählen Werte wie Nächstenliebe, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeit und Freundlichkeit.

Ebenso wichtig ist die Berücksichtigung religiöser Alltagspraktiken – etwa im Hinblick auf islamkonforme Ernährung. Dabei geht es nicht nur um das Vermeiden von Schweinefleisch. Vielmehr ist ein vertieftes Wissen über die islamischen Speisevorschriften notwendig. Viele Produkte enthalten Inhaltsstoffe, die unbemerkt gegen diese Vorschriften verstoßen – etwa Karmin (ein Farbstoff aus Schildläusen), Rindergelatine in Sahnedesserts oder Ethanol in abgepacktem Gebäck. Auch Fleischsorten wie Geflügel oder Rind dürfen nur dann verzehrt werden, wenn sie nach islamischer Schächtung zertifiziert sind.5  Einige Kitas kooperieren daher mit den Eltern und kaufen halal-konforme Produkte ein – ein wichtiger Schritt für gegenseitiges Vertrauen.

Darüber hinaus erwarten muslimische Eltern die Berücksichtigung ihrer religiösen Feiertage. Das Wissen um die beiden wichtigsten Feste – das Opferfest und das Fest des Fastenbrechens (Ramadanfest) – sowie eine angemessene Thematisierung im Kita-Alltag wird als Ausdruck von Respekt und Offenheit sehr geschätzt.

Nicht zuletzt wünschen sich viele muslimische Familien auch einen Raum für interreligiösen Austausch. Das Thematisieren religiöser Gemeinsamkeiten sowie die Durchführung multireligiöser Projekte werden als wichtige Impulse für Toleranz und Verständigung gesehen.

Anmerkungen

  1. Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland.
  2. Ebd.
  3. Kuhlmann, Mit muslimischen Kindern zur evangelischen Kita.
  4. Vgl. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Christen und Muslime in Deutschland.
  5. Vgl. Zaidan, Gebote der Bekleidung, Ernährung und Personenstandsangelegenheiten.

Literatur

  • Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland – Gestaltung der christlichen Begegnung mit Muslimen. Eine Handreichung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 2000, https://kurzlinks.de/xgke (09.08.2025)
  • Kuhlmann, Jan: Mit muslimischen Kindern zur evangelischen Kita, https://kurzlinks.de/6r1l (09.08. 2025)
  • Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Christen und Muslime in Deutschland, Arbeitshilfen 172, Bonn 2003, 151-154, https://kurzlinks.de/q3zv (09.08.2025)
  • Zaidan, Amir: Fiqhul-ahwaalischach-siyyah. Gebote der Bekleidung, Ernährung und Personenstandsangelegenheiten, Band 5, Wien 2010, 25-64