Gute Nacht, John-Boy!“ Wer in den 1970er-Jahren einen Fernseher besaß, wird sich an „Die Waltons“ erinnern – jene preisgekrönte amerikanische Fernsehserie um eine Mehrgenerationenfamilie, in der traditionelle Werte ein hohes Gut und Familie ein Hort der Stabilität und Sicherheit waren. Die Serie erfüllte das Bedürfnis nach Orientierung und moralischer Klarheit, die im Gegensatz zu den gesellschaftlichen Umbrüchen der 1970er-Jahre zu stehen schien.
Familien im Film waren und sind auch immer Spiegelbild der jeweiligen Zeit. In den 1980er-Jahren entstanden in der Reagan-Ära der USA die ebenfalls amerikanischen Familienserien „Dallas“ und „Der Denver-Clan“. Der Blick der Filmemacher war auch hier konservativer als zunächst ersichtlich: Zwar lebten die Familien in scheinbar unendlichem Reichtum und besaßen vielfältige Möglichkeiten, ihr Leben zu gestalten. Die Geschichten rankten sich jedoch in erster Linie um den Preis, der für Scheidung, Patchwork-Familie und Erfolg monetär und emotional gezahlt werden musste.
Ein deutsches Äquivalent zu diesem Glanz war die Serie „Die Guldenburgs“ um eine holsteinische Adelsfamilie in finanziellen und familiären Schwierigkeiten. Auch in Deutschland zeigten sich in dieser Zeit des Wirtschaftswachstums und kurz vor der deutschen Wiedervereinigung erste Risse in der Gesellschaft. Sie blieben auch den Protagonist*innen eben dieser Familienserie nicht fern, zerrüttete Ehen und Teenagerschwangerschaften inklusive.
Weitere Vorabendserien wie „Die Lindenstraße“ und „Der Landarzt“ begleiteten Generationen von Fernsehzuschauenden in ihren eigenen Lebensentwürfen und dienten als Vergleichsmaßstab – zur Identifikation und Abgrenzung gleichermaßen.
Auch heutzutage ist das Medium Film reich an Beispielen in Bezug auf die Lebenswelten von Familien – inzwischen deutlich diverser mit Menschen unterschiedlichster Kulturen, Glaubensrichtungen, sexueller Orientierungen und Geschlechter. Damit bleibt der Film ein Spiegel seiner Zeit, seiner Werte und divergierender sozialer Normen. Auch im Online-Filmkatalog der Hannoverschen Landeskirche finden Sie zahlreiche Beispiele dazu. Die hier vorgestellten Filme eignen sich für den Religions-, Ethik- sowie Werte- & Normen-Unterricht und stehen im Download unter www.medienzentralen.de/hannover zur Verfügung.
Eine total normale Familie
Malou Reymann
Dänemark 2020
Spielfilm 96 Minuten
empfohlen ab 14 Jahren
Familie – für die meisten Kinder und Jugendlichen ist sie normal. Auch die elfjährige Emma nimmt ihre Familienkonstellation als gegeben hin. Bis zu dem Tag, als ihre Eltern sich trennen, weil Vater Thomas sich als Frau wahrnimmt. Emmas Welt- und Familienbild bricht zusammen. Sie und ihre ältere Schwester müssen jetzt nicht nur mit getrennten Familien zurechtkommen, sondern auch mit einem Vater, der jetzt Agnete heißt und nun mit den Töchtern Tipps zum Styling und Schminken tauschen möchte. Aber vor allen Dingen: Wie erklärt Emma das ihren Freundinnen?
Die Verfilmung von Malou Reymann trägt autobiografische Züge, auch ihr eigener Vater ist transgender. Der im dänischen Original mit deutschen Untertiteln verfügbare Film stellt leise und ironisch die Frage, was eigentlich „normal“ ist, und konzentriert sich dabei auf die Beziehung der Eltern zu ihren Kindern. Er entzieht sich damit kontrovers geführten Diskussionen um Genderidentitäten und schärft vielmehr den Blick darauf, was genau eine Mutter- oder eine Vaterfigur eigentlich ausmachen sollte. Durch die Sprachbarriere eignet er sich erst für Jugendliche.
Parasite
Bong Joon-ho
Korea, 2019
Spielfilm 127 Minuten
empfohlen ab 16 Jahren
Im Korea des 21. Jahrhunderts liegen Erfolg und Misserfolg nur ein paar Straßenzüge voneinander entfernt. Familie Kim lebt mit den erwachsenen Kindern in einem düsteren Keller und versucht von Tag zu Tag, die finanziellen Herausforderungen des Alltags zu bewältigen. Familie Park dagegen lebt in einer Villa und sieht die Umgebung ausschließlich durch die verdunkelten Scheiben des familiären SUV. Ihre Welten treffen aufeinander, als der jüngste Sohn der Familie Kim mit viel Charme und wenig Qualifikation als Nachhilfelehrer Zugang zur Familie Park bekommt. Mit falschen Angaben schleust er nach und nach seine ganze Kernfamilie als Angestellte bei seinen reichen Arbeitgebern ein. Sie alle arbeiten in Tätigkeiten, für die sie nicht qualifiziert sind und es gelingt ihnen dabei, einen großen Anteil des Vermögens auf sich selbst umzuleiten. Als das Konstrukt aus Täuschung und Lügen eines Tages aufzufliegen droht, greifen die Mitglieder der Familie Kim zu drakonischen Maßnahmen.
Zwei Kernfamilien aus Vater, Mutter, Tochter und Sohn stehen sich in diesem düsteren Gesellschaftsdrama gegenüber. Anhand des Oscar-prämierten Films lassen sich die Verteilung von Vermögen in einer Gesellschaft sowie die Möglichkeiten eines sozialen Aufstiegs durch Bildung und Arbeit diskutieren. Die Zuschauer*innen können damit Parallelen zur deutschen Gesellschaft und den gesellschaftlichen und politischen Folgen von gefühlter oder tatsächlicher Ungleichbehandlung wahrnehmen und besprechen.
The Quiet Girl
Colm Bairéad
Irland 2023
Spielfilm 95 Minuten
empfohlen ab 14 Jahren
Irland in den 1990-er Jahren: Familien sind groß und kinderreich, die Einkommen der Eltern halten damit nicht Schritt. Die neunjährige Cáit wächst in einer solchen Familie auf, die Mutter ist wieder schwanger, der Vater verbringt viel Zeit mit Freunden in der Kneipe. Um die Familie zu entlasten, wird das Mädchen während der Sommerferien zu kinderlosen Verwandten aufs Land gebracht. Nur mit der Kleidung, die sie gerade trägt, wird Cáit dort abgeladen.
Das ruhige Mädchen erfährt durch die liebevolle Zuwendung der Tante das erste Mal etwas wie familiäre Nähe. Doch auch in dem schönen Haus herrscht eine Stille, die vom dauernden Schmerz seiner Bewohner erzählt. Dieser Schmerz ist auch der Grund, warum ihr Onkel lange benötigt, um Zugang zu seiner Nichte zu suchen und sich von ihr bei der Arbeit mit den Tieren helfen zu lassen. Cáit blüht nach und nach ebenso auf, wie ihre Pflegeeltern. Aber irgendwann sind auch die schönsten Ferien zu Ende und das Mädchen soll zurück zu seiner Ursprungsfamilie.
Der Film nach der Kurzgeschichte „Foster“ von Claire Keegan beeindruckt durch eine sehr langsame und bildhafte Erzählweise. Er eignet sich, um über unterschiedliche Familienkonstellationen, Wünsche und Wirklichkeiten und über Familientraumata ins Gespräch zu kommen.
Amal – Eine syrische Flüchtlingsfamilie in Deutschland
Caroline Reucker
Deutschland 2015
Dokumentarfilm 55 Minuten
empfohlen ab 12 Jahren
Die Dokumentation begleitet eine siebenköpfige Familie bei ihrem Ankommen in Deutschland. Sehr schnell wird deutlich, wie unterschiedlich die Schwierigkeiten für die individuellen Familienmitglieder sind, sich in ihre neue Heimat zu integrieren. Während die Kinder in der Schule ankommen und recht schnell Freunde finden, bleibt die Mutter überwiegend sich selbst und ihrer Trauer um die verstorbene jüngste Tochter überlassen.
Auch zehn Jahren nach Angela Merkels berühmten Dictum „Wir schaffen das“ wird über die mangelnde Integrationsleistung von Menschen gesprochen, die in Deutschland 2015 Aufnahme gefunden haben. Anhand des Schicksals der syrischen Familie lässt sich nachvollziehen, welche Schritte und welche Kraft eine solche Integrationsleistung erfordern und welche Hindernisse ihr im Weg stehen können.
Familie – zwischen Geborgenheit und Konflikt
Martin Nudow
Deutschland 2017
Dokumentarfilm 30 Minuten,
empfohlen ab 12 Jahren
Sind zwei Väter als gemeinsame Eltern anders als Mutter und Vater? Was macht Familie aus, wo entstehen Konflikte und was hat sich im Vergleich zu früheren Jahrzehnten verändert?
Die kurze Dokumentation beleuchtet unterschiedliche Familienkonstellationen und eignet sich dazu, sich über eigene Vorstellungen und Vorurteile Gedanken zu machen. Der Film steht ausschließlich als DVD zur Verfügung.
Das grüne Schaf
Carsten Strauch
Deutschland 2008
Animationsfilm 4 Minuten
empfohlen ab 12 Jahren
Es ist nicht leicht, wenn die Eltern aus verschiedenen Kulturkreisen kommen. Das lernt auch Marcel sehr schnell, dessen Vater ein Frosch und dessen Mutter ein Schaf ist. In einem Fernsehinterview können die Eltern von ihrem Kennenlernen und ihrer Zuneigung zueinander berichten, aber auch über die Sorgen, welche Folgen die falsche Fellfarbe für ihren jüngsten Sohn haben könnte.
Schüler*innen ab Klasse sechs können anhand des Impulsfilmes über eigene Erfahrungen, über Vorurteile gegenüber Migration und über Integration sprechen. Der humorvolle Kurzfilm bietet sich auch für den Berufsschulkontext an, um über Chancen und Risiken bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz, einer Tätigkeit oder einer Wohnung zu sprechen.
Aus den Fugen
Wiebke Becker
Deutschland 2020
Kurzspielfilm 14 Minuten
empfohlen ab 14 Jahren
Thomas ist 18 und fühlt sich zu Kindern hingezogen. Die Gefahr, die theoretisch von ihm ausgehen kann, ist ihm sehr bewusst, weswegen er sich Hilfe und therapeutische Unterstützung sucht. Seine Eltern wissen nichts von seinen inneren Kämpfen, wundern sich aber über seine veränderte Persönlichkeit. Als sie hinter Thomas Geheimnis kommen, sind sie zunächst einfach nur entsetzt. Denn Thomas hat auch noch eine kleine Schwester von acht Jahren.
„Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst mir!“ (Jes 43,1-3). Diesen Satz aus der Bibel kennen viele Eltern von der Taufe. Sein Kind anzunehmen, auch dann, wenn es sich anders entwickelt als erhofft und vor(her)gesehen, ist ein schwieriges Unterfangen. Der Kurzfilm lädt ein, sich über Grundvertrauen in Eltern-Kind-Beziehungen auszutauschen und über die Konsequenzen für Familien, wenn dieses Vertrauen erschüttert wird.