Die Profiloberstufe und der Religionsunterricht in Niedersachsen

von Michael Wermke

 

In der niedersächsischen Schullandschaft ist einiges in Bewegung geraten. Vor drei Jahren hat das MK begonnen, eine Pilotphase zur Entwicklung und Evaluation von Schulprogrammen durch zu führen, die am Ende dieses Schuljahres 2000/01 zum Abschluss kommen soll. Es ist damit zu rechnen, dass die Entwicklung von Schulprogrammen in dem novellierten NSchG für alle Schulen für verbindlich erklärt wird. Dieser schulpädagogische Innovationsschub wird von einer schulstrukturellen Reform begleitet. Die sog. verlässliche Grundschule ist zwischenzeitlich nahezu flächendeckend eingeführt worden. Die Zukunft der in Niedersachsen unabhängigen Schulform der Orientierungsstufe wird auch in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert. Die Zusammenlegung der Haupt- und Realschule zur Sekundarschule wie die Verkürzung des Gymnasiums auf 12 oder 12,5 Schuljahre und die Einführung der Profiloberstufe stehen ebenso auf der Tagesordnung.

Die anstehenden politischen Entscheidungen zur Schulstruktur werden durch eine im März 2001 begonnene und zum 31. Oktober d.J. abzuschließende repräsentative Erhebung vorbereitet. Mit dem Landesparteitag der SPD Anfang 2002 wird die Novellierung des NSchG eingeleitet. Bis dahin soll dann auch die Zukunft der Orientierungsstufe geklärt sein. Hier zeichnen sich zwei alternative Lösungsmodelle ab: entweder die Umwandlung der Orientierungsstufe in eine mehr oder weniger eigenständige Förderstufe (dies entspräche vermutlich dem Interesse der Schulträger) oder die Anbindung an die weiter führenden Schulen. Eine Erweiterung der Grundsschule auf sechs Schuljahre steht nicht zu erwarten.

Bis 2002 wird die Frage, ob das Abitur nach 13 oder dann nach 12 resp. 12,5 Schuljahren abgelegt werden kann, noch nicht geklärt sein. Welche Strukturmodelle dann auch immer politisch mehrheitsfähig sein werden, ist derzeit noch nicht abschätzbar; allerdings ist der bundesweite Trend einer Kürzung der Schulzeit (‚G8’) unübersehbar. Neue Modelle würden sich in unterschiedlicher Weise auf die Sekundarstufe I auswirken (Jahrgang 10 als ‚Brücke’ in eine verkürzte Oberstufe; Wahlpflichtunterricht bereits ab Klasse 8 etc.) Eine Reduzierung der Unterrichtsstunden ist in keinem Fall beabsichtigt.

Die endgültige Entscheidung hängt nicht zuletzt von der für die Schuljahre 5/6 zu findenden Lösung ab.

Für die Implementierung der Entscheidungen ist mit einem zeitlich bestimmten Verfahren von 5 bis 10 Jahren zu rechnen.

Der Presseinformation vom 8. Dezember 2000 zur Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe und des Fachgymnasiums zufolge sollen ab 1. August 2002 alle allgemein bildenden Schulen mit gymnasialer Oberstufe verpflichtet werden, in der Kursstufe Fachkombinationen (Profile) zur Wahl für die Schüler anzubieten. Mit einer terminlichen Verschiebung in das Jahr 2003 ist auszugehen. Für das Fachgymnasium, für die künftig eine eigene Oberstufenverordnung gilt, sind wesentliche Entscheidung bereits jetzt gefallen. Ab dem 1. August 2001 haben sie drei neu gestaltete Profile anzubieten, deren Fachrichtung (Wirtschaft, Technik sowie Gesundheit) fest geschrieben sind. Das Fach Religion dürfte hier bereits seine Abiturprüfungsrelevanz verloren haben.

Die Einführung der 'Profiloberstufe' am Gymnasium ist nahezu unumstritten. Die Kontroversen bleiben innerhalb der im Abschlussbericht des 'Runden Tisches' vom 31. Juli 2000 markierten Spielräume: Zum einen zwischen Option I und Option II zur Gestaltung der Profiloberstufe und zum anderen zwischen Modell I (obligatorische Einführung der Profiloberstufe) und Modell II (fakultative Einführung mit 'Anreiz').

Zur Zielsetzung der Entwicklung von Profiloberstufen

In der o.g. Presseinformation, die als Essenz des Abschlussberichtes des 'Runden Tisches' vom Juli 2000 zu verstehen ist, hebt für die Bildung von Profiloberstufen vier Zielsetzungen besonders hervor:

  • Fächerverbindendes und fächerübergreifendes Lernen zu fördern, um bei den Schülerinnen und Schülern die Fähigkeit zum Erkennen und Bearbeiten komplexer Zusammenhänge zu stärken. Dahinter steht auch der Aufwertung der bisher randständigen, aus der Sicht des MK aber wichtigen Fächer wie Physik und Chemie.
  • die Kooperationsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler im Rahmen einer stabilen sozialen Gruppe auszubilden. So sollen die Schülerinnen und Schüler zu sog. 'Profilgruppen' zusammengefasst, in denen sie gemeinsam den Unterricht ihrer Profilfächer.
  • die Kooperation von Lehrerinnen und Lehrern in der Planung und Gestaltung themen- und problemorientierten Unterrichts über die fachspezifischen Methoden und Fragestellungen hinaus zu entwickeln. Das bedeutet, dass zwischen den zu einem Profil zusammengefassten Fächern Formen fächerverbindenden und –übergreifenden Lernens zu entwickeln sind.
  •   on einem eher von der Schülernachfrage bestimmten Unterrichtsangebot hin zu einem eher durch die curriculare Entscheidung der Schule bestimmten Unterrichtsangebot zu gelangen. Dieses dann 'profilierte' Unterrichtsangebot in der Oberstufe bildet damit einen Teil des gesamten Schulprofils.

Ohne dass dies in der Presseinformation deutlich betont wurde, besteht eine weitere Zielsetzung in der Stärkung des naturwissenschaftlich-mathematischen Unterrichts.

  1. Die Einrichtung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Profils soll für jede Oberstufe verpflichtend sein.
  2. In der Vorstufe soll keine der drei Naturwissenschaften abgewählt werden können.
  3. Eine Stärkung der Naturwissenschaften (insb. Chemie/Physik) bereits in der Sekundarstufe I ist ebenfalls beabsichtigt.

Zu den zwei Optionen und den zwei Modellen der Profiloberstufe

Es können vier Profile gebildet werden, denen sog. 'Dimensionen des Lernens' zugeordnet sind.

  • "Sprache und Kommunikation – Internationalisierung und Verständigung": Sprachlich-literarisches Profil
  • "Kultur und Ästhetik- Gestaltung und Wahrnehmung": Musisch-künstlerisches Profil
  • "Individuum und Gesellschaft – Lebensformen und Gestaltung von Wirklichkeit": Gesellschaftswissenschaftliches Profil
  • "Mensch und Natur – Erkenntnis und Verantwortung": Mathematisch-naturwissenschaftlich-technisches Profil (möglicherweise Pflichtprofil in allen Oberstufen)

Den Dimensionen sind wiederum inhaltliche Aspekte (s.u.) zugeordnet. Ohne dies hier im Einzelnen darlegen zu können, ist darauf hinzuweisen, dass durch den Systemzwang, eindeutige und selbstständige Profile bilden zu müssen, die Profile einen merkwürdigen monolithischen Eindruck erwecken, der sachlich nicht gedeckt ist. So ist z.B. zu fragen, warum ein Aspekt wie 'virtuelle Welten' allein im musisch-künstlerischen Profil auftaucht. Andererseits wird bei der Dimension "Mensch und Natur – Erkenntnis und Verantwortung" auf philosophische, ethische und religiöse Aspekte weitegehend verzichtet. So generiert das Profil - wahrscheinlich ungewollt - ein rein szientistisches Menschenbild und Naturverständnis und lässt im Unklaren, wie die Teildimension 'Erkenntnis und Verantwortung' eingelöst werden kann.

Ein Profil wird durch drei Profilfächer gekennzeichnet; mindestens eines der vorgebenden Profilfächer ist Leistungskursfach, mindestens ein weiteres Profilfach ist Abiturprüfungsfach.

Wichtig ist daher Unterscheidung zwischen Profil- und Prüfungsfach: Die drei Profilfächer sind nicht identisch mit Prüfungsfächern.

Dies bedeutet, dass trotz der mit der Profiloberstufe verbundenen Absicht, das Unterrichtsangebot stärker durch die Schule steuern zu lassen, eine moderater Kompromiss zwischen der Wahlfreiheit der Schülerinnen und Schüler und Steuerungsmöglichkeiten der Schule gefunden wurde. Aus Sicht der Schüler legen sie sich bei der Wahl des Profils auf einen bestimmtem Leistungskurs fest, dem ein Prüfungskurs und ein weiterer Grundkurs, der durchgängig bis zum Abitur zu belegen ist, zugeordnet ist. Die Wahlfreiheit wäre wesentlich empfindlicher eingeschränkt worden, wenn die alle Profilfächer mit den Prüfungsfächern identisch zu sein haben. Diese Lösung wäre gewiss auch auf Kosten 'kleinerer ' Fächer gegangen.

Hinsichtlich des Einführungsmodus werden zwei Modelle unterschieden:

Modell I: Die Profiloberstufe wird zu einem bestimmten Zeitpunkt an allen Schulen eingeführt.

Modell II: Den Schulen wird empfohlen, die Profiloberstufe einzuführen. Die Schulen erhalten hierfür besondere Anreize:

  • zusätzliche Unterrichtszeiten für die Schilf zur curricularen und organisatorischen Planung der Profiloberstufe
  • zwei zusätzliche Wochenstunden als 'Profilstunden' je Profilgruppe  
  • Zertifizierung als 'Schule mit Profiloberstufe'

Die Mehrheit des Runden Tisches empfiehlt, auf Grundlage von Option II in Kombination mit Modell I, um mit dem Konzept der Profiloberstufe die gymnasiale Oberstufe in allen Schulen weiterzuentwickeln. Warum jedoch Modell I auf die 'Anreize' von Modell II verzichten kann, bleibt allerdings offen.

Das mathematisch-naturwissenschaftlich-technische Profil ist lt. Pressemitteilung 'Pflichtprofil' für alle Oberstufen. Vermutlich werden (kleinere) Gymnasien eher auf das musisch-künstlerisches und das gesellschaftswissenschaftliche Profil als auf das sprachlich-literarische verzichten wollen. Ebenso ist zu vermuten, dass sich i.d.R. Oberstufen mit drei Profilen entwickeln werden, wobei dann die Entscheidung zwischen dem musisch-künstlerischen und dem gesellschaftswissenschaftlichen Profil fallen wird. Welche Konsequenzen die Profiloberstufe für kleiner und größere Oberstufensysteme haben wird, wird derzeit geprüft. Folgendes lässt sich bereits jetzt vermuten: An größeren Oberstufen dürfte die Profiloberstufe mit geringem administrativen Aufwand eingeführt werden können. Hier ließe sich wahrscheinlich das Gros der Schüler jetzt schon relativ unaufwändig einem der Profile zuordnen.

Eine zu klärende Frage wird sein, welchen Stellenwert die 'Profilgruppen' im Verhältnis zu den Belegungs- bzw. Wahlmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler haben sollen. Nach den bisherigen Überlegungen ist davon ausgehen, dass die Schülerinnen und Schüler des profilbestimmenden Leistungskurses 'Profilgruppen' bilden und dann gemeinsam den Unterricht in den ihnen vorgegebenen Fächern ihres 'Profils' besuchen. Dürfen jedoch Schülerinnen und Schüler, die zu einem anderen 'Profil' gehören, an diesem Leistungskurs teilnehmen? Bei Leistungskursen, die nur einmal angeboten werden, müsste dies der Fall sein. Dies würde jedoch zugleich die Homogenität der 'Profilgruppen' in Frage stellen.

Am Beispiel des 'Sprachlich-literarischen Profils' lässt sich zeigen, dass die Bildung von stabilen 'Profilgruppen' in der Praxis vor erheblichen Problem stehen wird, deren Konsequenzen hier zumindest angedeutet werden sollen: Würde bspw. eine 'Profilgruppe' durch den Leistungskurs Englisch gebildet, müsste sie bei der Belegung der weiteren Fremdsprache (in diesem Fall Französisch oder Latein) sehr wahrscheinlich wieder getrennt werden und käme dann erst wieder im dritten Profilfach zusammen. Wie kann aber bei dieser Aufsplitterung der 'Profilgruppe' resp. bei der Aufstockung der auf Fremdsprachen bezogenen Profilfächer von zwei auf drei die beabsichtigte profilgruppenorientierte und auch fächerübergreifende Zusammenarbeit gewährleisten werden?

Was passiert mit dem zweiten Profilfach, wenn Schülerinnen und Schüler zwei Fächer eines Profils als Leistungskurse belegen wollen? Sind künftig z.B. (die als anspruchsvoll geltenden) Leistungskurskombinationen aus den Fächern Englisch, Latein und Französisch oder Mathematik und einer Naturwissenschaft unmöglich, weil die Schülerinnen und Schüler als zweites 'Profilfach' einen Grundkurs in einer 'weiteren Fremdsprache' resp. einer 'weiteren Naturwissenschaft' zu belegen hätten?

Ähnliches gilt auch für die Belegung des dritten Profilfaches: Kann eine Schülerin bzw. ein Schüler den zweiten Leistungskurs in dem Fach belegen, das von der Schule als drittes Profilfach festgelegt wurde?

Die Frage nach dem Stellenwert der 'Profilgruppe' als systemsteuernde Größe ist auch hinsichtlich des konfessionellen Religionsunterrichts als Profilfach wichtig (s.u.).

Vergleich der beiden Optionen mit Blick auf das mögliche Profilfach Religion im 'gesellschaftswissenschaftliche Profil'

Das Gesellschaftswissenschaftliche Profil steht unter dem Profilthema "Individuum und Gesellschaft – Lebensformen und Gestaltung von Wirklichkeit". Nach dem Abschlussbericht des Runden Tisches gehören zu dieser Dimension des Lernens u.a. die Aspekte: erinnerndes Verstehen, Identität, Weltdeutungen und Menschenbilder, Weltanschauung und Religionen, Wertbildung und Sinndeutung. Das Fach Religion ist in diesem Profil also gut aufgehoben; grundsätzlich stellt sich jedoch die Frage, warum Religion nicht auch mindestens dem 'Künstlerisch-musischen Profil' angehört (s.u.).

 

Die beiden Optionen sind wie folgt zusammengesetzt:

Option I:

  1. Profilfach: Geschichte oder Politik oder Erdkunde oder Religion
  2.  Profilfach: ein weiteres gesellschaftswissenschaftliches Fach

Die Fächer werden durch die Verordnung festgelegt, die beiden Profilfächer werden durch die Entscheidung der Schule bestimmt. Ob also Religion Profilfach bzw. profilbestimmender Leistungskurs im 'Gesellschaftswissenschaftliches Profil' sein wird, hängt von der Entscheidung der Schule ab.

  1. Mindestens eins der o.g. durch Verordnung festlegten Fächer ist profilbestimmendes Leistungsfach. (Folglich kann Religion das zweite Leistungskursfach sein.)
  2. Ein 3. Profilfach, das nicht dem Aufgabenfeld B (aus dem die o.g. Fächer stammen) angehören sollte, wird von der Schule bestimmt. In den anderen drei Profile kann daher Religion zum 3.Profilfach bestimmt werden.
  3. 4.)Die Abiturprüfung besteht nach wie vor aus vier Prüfungsfächern; die drei Aufgabenfelder sind durch die Prüfungsfächer abzudecken.

 

Option II:

Zunächst entspricht Option II hinsichtlich der drei Profilfächer der Option I, wobei jedoch zusätzlich Deutsch, Mathematik oder Fremdsprache als weiteres Prüfungsfach gewählt wird, wobei es nicht unbedingt (drittes) Profilfach sein muss. Die Abiturprüfung wird dann in fünf Prüfungsfächern (2 LK, 3 GK) abgelegt. Wobei auch hier durch die Besondere Lernleistung ein Aufgabenfeld abdecken werden kann.

Beide Optionen sehen vor, dass die drei Profilfächer durchgängig belegt werden. Das bedeutet, dass zwei Kurse in den Fächer, die nun zu Profilfächer ernannt worden sind und dessen Belegungsverpflichtung bislang durch zwei Kurse abgegolten war und, zusätzlich belegt, jedoch anscheinend nicht in die Gesamtqualifikation eingebracht werden müssen. Dadurch schränkt sich die Belegungsfreiheit der Schülerinnen und Schüler nur unwesentlich ein. Allerdings steht zu vermuten, dass viele Schülerinnen und Schüler ihre vier Profilfächer auch als Prüfungsfächer wählen werden. In der Regel werden zwei der drei 'basalen' Fächer Deutsch, Fremdsprache, Mathematik als Abiturprüfungsfächer auftreten. Grundsätzlich gilt: Religion kann in allen Profilen – ob als Profilfach oder nicht – schriftliches und mündliches Abiturprüfungsfach sein.

Die Belegungsfreiheit der Schülerinnen und Schüler wird nur unwesentlich eingeschränkt. Allerdings steht zu vermuten, dass viele Schülerinnen und Schüler ihre vier Profilfächer auch als Prüfungsfächer wählen werden. In der Regel werden zwei der drei ‚basalen’ Fächer Deutsch, Fremdsprache, Mathematik als Abiturprüfungsfächer auftreten. Grundsätzlich gilt: Religion kann in allen Profilen – ob als Profilfach oder nicht – schriftliches und mündliches Abiturprüfungsfach – als Leistungs- oder als P3- bzw. P4-Fach – sein.

Option I (in Verbindung mit Modell II) verändert das bisherige Oberstufenmodell weniger stark (nach der AVO-GOFAK sind bereits jetzt Profilbildungen möglich; allerdings wird diese Möglichkeit bislang lediglich von wenigen Schulen genutzt).

Option I lässt aufgrund der geringeren Obligatorik eher aufgabenfeld-übergreifende bzw. themenbezogene Profile zu.

Ein interessantes Beispiel für eine themenbezogene Profiloberstufe liefert die Matthias-Claudius-Schule in Bochum (www.mcs-bochum.de). Die Oberstufe bietet drei Profile an: 'Identität und Kultur' (LK: Deutsch, Geschichte), 'Zukunft gestalten' (Lk: Mathematik, Biologie) und 'Interkulturelle Erziehung' (Lk: Englisch, Erdkunde). In jedem dieser Profile ist Religion vertreten, das im fächerübergreifenden Verbund mit den Leistungskursen und zwei weiteren Grundkursen unterrichtet wird. Ein weiteres Beispiel für eine themenbezogene Profiloberstufe bietet die IGS Franzsches Feld in Braunschweig; allerdings ist Religion in keinem der vier Profile vertreten.

Option I erweitert die Gefahr der Konkurrenz zwischen den Schulen: Wanderungsströme zu Schulen mit bestimmten Profilen sind zu befürchten.

Option II beinhaltet eine größere Obligatorik und ist von daher eher geeignet, die Qualitätsansprüche des Gymnasiums und des Abiturs vergleichbar zu halten und zu sichern.

Für die Stellung des Faches Religion im 'Gesellschaftswissenschaftlichen Profil' lässt sich hinsichtlich der beiden Optionen folgendes sagen:

  1. Sowohl in Option I als auch in Option II kann Religion 'erstes' oder 'zweites' Profilfach sein, es steht dann in Konkurrenz mit zwei weiteren Fächern. Wenn möglicherweise das Fach Geschichte als erstes Profilfach vorgegeben wird, wäre Religion noch als 'zweites' Profilfach möglich.
  2. Selbst wenn das Gesellschaftswissenschaftliche Profil ohne Religion angeboten wird, käme es als Prüfungsfach noch in Frage kommen. Ohnehin steht Religion in allen Profilen grundsätzlich als Prüfungsfach zur Verfügung (s.o.).
  3. Beide Optionen geben bezogen auf alle Profile letztlich keine Prüfungsfachkombinationen vor; sie präferieren lediglich bestimmte profilbestimmende Leistungskurse und Fächerkombinationen (und das auch nur auf Ebene der Belegungsverpflichtungen). Insofern richten sich beide Optionen nicht gegen die Abiturfähigkeit 'kleiner' Fächer wie Religion.
  4. Grundsätzlich ist zu fragen, warum das Fach Religion allein dem 'Gesellschaftwissenschaftlichen Profil' zugeordnet ist und nicht bspw. dem 'Musisch-künstlerischen Profil'. "Die Zuordnung von Religion zum Aufgabenfeld B erfolgte in den 70er Jahren mit einem gewissen dezisionistischen Pragmatismus. Mit guten Gründen ließe sich der Religion auch dem Aufgabenfeld A zuordnen. So lange die Aufgabenfelder weniger als Rahmen für fachliche Kooperationen, sondern eher als Lenkungsmittel für die Belegungsverpflichtung funktionierten, blieb die Zuordnung zum B-Feld relativ unproblematisch. Wenn nun aber den Aufgabenfeldern eine verstärkte Funktion bei Profilbildungen zuwächst, entsteht ein Problem: Es ist aus fachlicher Sicht nicht begründbar, dass Religion Profilfach nur beim 'Gesellschaftswissenschaftlichen' Profil, nicht aber ebenso sinnvoll beim 'Musisch-künstlerischen' oder 'Sprachlich-literarischen' Profil sein kann. Dieser Gesichtspunkt wird noch verschärft durch die Verschiebungen bei dem Religionsunterricht zugrunde liegenden Religionsbegriff seit den 70er Jahren: Von der politisch-sozialen Relevanz und 'Problemlösungskapazität' der Religion hin zu ihrer Wahrnehmung als einer auch ästhetisch-expressiven Lebensform." (B. Dressler) Grundsätzlich kann das Fach Religion von seiner fachwissenschaftlich-didaktischen Eignung her allen vier Profil zugeordnet werden und bietet sich daher als das 3., von den Schulen zu bestimmende Profilfach geradezu an.


Aus dem Vorangegangenen ergeben sich folgende Überlegungen:

  1. Durch welches Optionsmodell bleibt das Fach Religion als mündliches und schriftliches Abiturfach besser bewahrt? Zwar ist Option II durch eine stärkere Obligatorik geprägt, die sich jedoch nicht zwingend auf das Wahlverhalten der Schülerinnen und Schüler auswirken muss. Da fünf statt vier Prüfungsfächer vorgesehen sind, kann dies Religion als ein mögliches Prüfungsfach zugute kommen.
  2. Die Profiloberstufe soll erklärtermaßen das fächerverbindende und fächerübergreifende Lernen sowie die Methodenkompetenz fördern. Wie kann sich hier das Fach Religion methodisch-didaktisch verorten?
  3. Nach der gültigen Oberstufenverordnung müssen Schülerinnen und Schüler, die Religion oder Erdkunde als Prüfungsfach wählen, zwei zusätzliche Kurse aus dem Aufgabenfeld B belegen. Diese ‚Malus-Regelung' ist nicht mehr haltbar, wenn doch Religion bzw. Erdkunde als Prüfungsfach zugleich Profilfach sein kann.
  4. Das Fach Religion ist nicht zwingend allein dem gesellschaftwissenschaftlichen Profil zuzuordnen. Eine Zuordnung zu den anderen Profilen ließe sich aus dem Selbstverständnis des Faches Religion ebenfalls rechtfertigen. Wie soll das Fach Religion mit der Zuordnung zum gesellschaftwissenschaftlichen Profil umgehen?
  5. Wenn Religion Profilfach werden kann – wogegen allein schon aus fachpolitischen Gründen nichts einzuwenden ist –, stellt sich die Frage, ob und wie ein konfessionell erteilter Religionsunterricht in 'stabilen Profilgruppen' (s.o.) allein schon schulorganisatorisch erhalten bleiben kann. Die Größe und Zusammensetzung der Profilgruppen wird offenbar durch die 'profilbestimmenden Leistungskurse' definiert. Lassen sich mono-konfessionelle Profilgruppen denken? Was passiert, wenn sich Schülerinnen und Schüler von ihrem Religionsunterricht, d.h. von einem ihrer Profilfächer abmelden wollen? Welche Auswirkungen wird das für die konfessionelle Kooperation zwischen dem evangelischen und katholischen Religionsunterricht aber auch für die Zusammenarbeit mit dem Fach Werte und Normen in der Sek. II haben?
  6. Beide Optionen zielen darauf ab, die Wahlfreiheit der Schülerinnen und Schüler zugunsten einer kanalisierteren fachlichen Profilbildung einzuschränken und dabei gleichzeitig die Naturwissenschaften zu stärken. Der Erfolg des Faches Religion als Prüfungsfach (stabile Anwahlzahlen bei ca. 11% für den evangelischen Religionsunterricht) beruht auf dem alten, 'wahlfreien' System: Schülerinnen und Schüler wurden von engagierten Lehrkräften für das Fach geworben. Wird sich das nun ändern?
  7. Nach welchen Kriterien entscheiden die jeweiligen Schulleitung die Auswahl der Fächerkombination? Welche 'Vorleistungen' sind in den jeweiligen Fachkonferenzen Religion zu erbringen, damit auch Religion drittes Profilfach in den drei anderen Profilfächern sein kann? Es muss Aufgabe sein, die besondere Profilfähigkeit des Faches Religion fachdidaktisch auszuweisen. Diese Verpflichtung gilt jedoch allen Fächern, die sich für profilfähig erachten.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 3/2001

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