Das Nachdenken über das Wesen der Freiheit ist allen Menschen aufgetragen. Im April 2025 ist unter dem Titel „Zur Freiheit befreit“ eine Studie des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen (ÖAK) erschienen.1 Der ÖAK hat sich in einem mehrjährigen Studienprozess zur Freiheitsthematik mit einer Fragestellung befasst, die enge Bezüge zu Kontroversen im Reformationszeitalter hat und zugleich von hoher Relevanz in der Theologie der Gegenwart ist: Wie lässt sich das Verhältnis zwischen Gottes schöpferischer, erwählender und schenkender Freiheit und der vom Menschen ergriffenen und gelebten Freiheit in angemessener Weise bestimmen?
Gibt es bei aller erreichten Übereinstimmung in der gesamtchristlichen Sicht auf das Thema „Freiheit“ besondere römisch-katholische Anliegen zu beachten? Es lassen sich allenfalls Nuancen diesbezüglich erkennen, die den bestehenden Grundkonsens in der Thematik nicht außer Kraft setzen – so jedenfalls ist das Ergebnis der ökumenischen Dialoge im Blick auf die Erlösungslehre, die am 31. Oktober 1999 in Augsburg zur „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“2 führte, die zunächst vom Lutherischen Weltbund und der Römisch-katholischen Kirche unterzeichnet wurde; später stimmten auch auf Weltebene die Methodistischen, Anglikanischen und Reformierten Kirchenbünde zu.
Bei der Rede von der Freiheit sind thematische Bereiche zu unterscheiden.
- Anthropologisch: Die römisch-katholische Theologie betont im Blick auf das Menschenbild die Verdorbenheit der Natur, des Wesens des Menschen durch die Sünde weniger stark als die evangelische Tradition. Der Versuchung, das Böse zu ergreifen, kann der Mensch sich mit Gottes Gnade auch widersetzen. Damit steht er in höherer Verantwortung, dies auch zu tun. Dazu bietet die kirchliche Glaubensgemeinschaft Hilfestellungen an: Gebote und Formen der Begleitung auf dem Weg der Umkehr des Menschen.
- Ekklesiologisch: Das institutionelle römisch-katholische Gefüge sieht eine Weisungs- und Entscheidungsbefugnis von dazu autorisierten Personen vor (insbesondere von Amtsträgern in Pfarrgemeinden und von Bischöfen), durch die synodale Gremien in ihren Möglichkeiten begrenzt werden. Dies schließt synodale Beratungen nicht aus, in denen nach der Autorität der Bibel, der alle unterstellt sind, vor dem Forum der Vernunft gefragt wird.
- Ethisch: Die römisch-katholische Theologie hat erst im 20. Jahrhundert dem Ruf nach Gewissens- und Religionsfreiheit zugestimmt. Heute sind diese Optionen unbestritten. Zugleich erfolgen Hinweise auf die Aufgabe des Menschen, das eigene Gewissen zu bilden und dabei die kirchliche Lehre angemessen zu berücksichtigen.
Römisch-katholischen Gläubigen sind Details im konfessionellen Verständnis des Verhältnisses zwischen der göttlichen Gnade und der menschlichen Freiheit in der Regel nur selten bewusst. Anders ist dies im Blick auf den Streit um menschliche Selbstbestimmung in Fragen der Ämterlehre und Einzelthemen der Ethik. Eine große denkerische und existenzielle Herausforderung in allen Konfessionen ist es, gemeinsam über die Freiheit Gottes bei seinem Handeln in der Welt nachzudenken: Warum erfüllt Gott das flehentliche Gebet um Frieden nicht? Warum hungern noch immer so viele Menschen? Warum gibt es Erdbeben? Ist Gott überhaupt frei, sein Werk, die Schöpfung, zu gestalten und zu vollenden? Über diese Fragen gemeinsam nachzudenken, steht gegenwärtig besonders dringlich auf der Tagesordnung.
Anmerkungen
- Vgl. Axt-Piscalar /Sattler, Zur Freiheit befreit.
- Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre, 419-441.
Literatur
- Axt-Piscalar, Christine/Sattler, Dorothea (Hg.): Zur Freiheit befreit. Ökumenische Perspektiven, Freiburg / Göttingen 2025
- Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre des Lutherischen Weltbundes und der Katholischen Kirche, in: Meyer, Harding u.a. (Hg.): Dokumente wachsender Übereinstimmung. Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene, Bd. 3: 1990-2001, Frankfurt / Paderborn 2003