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Typisch katholisch – Typisch evangelisch

von Michael Balceris und Matthias Hülsmann

Best-Practice-Beispiel einer interkonfessionellen Fortbildungsreihe
 

Demnächst soll gemeinsam verantworteter christlicher Religionsunterricht erteilt werden – ein Religionsunterricht nicht mehr getrennt nach Konfessionen, aber doch von Lehrkräften, die entweder evangelisch oder katholisch sind. Viele Lehrkräfte freuen sich auf diese neue Form der Kooperation; manche fragen sich: Weiß ich eigentlich genug über die andere Konfession, um diesen Unterricht erteilen zu können? Wie verhalte ich mich bei strittigen Themen? Und welche Schätze bietet mir die andere Konfession?

Angesichts dieser Fragen haben wir Autoren – Michael Balceris, katholisch, und Matthias Hülsmann, evangelisch – uns entschieden, eine interkonfessionelle und digitale Fortbildungsreihe durchzuführen, zu der wir Lehrkräfte beider Konfessionen und diverser Schulformen eingeladen haben.

Anhand vier „typischer“ Themen sollten die Teilnehmer*innen einen konfessionskundlichen Einblick erhalten, um ein Grundverständnis für die andere (und eigene) Konfession zu entwickeln. Wichtig war uns insbesondere, dass die Teilnehmer*innen „sprachfähig“ werden und sich selbst positionieren können.1 

Die Themen haben wir teilweise bewusst provozierend formuliert, um bereits auf mögliche Problemfelder hinzuweisen:
•    „Pastor, Priester, Papst – Amts- und Kirchenverständnis“
•    „Hostie oder Toastbrot – Eucharistie und Abendmahl“
•    „Übermutter Maria – Marienfrömmigkeit und Heiligenverehrung“
•    „Aller guten Dinge sind … zwei? Oder sieben? – Zur Sakramentenlehre“.


Konzeption der Fortbildung

In einem ersten Durchgang haben wir die Veranstaltung als „Theologischen Kurs“ für maximal 30 Teilnehmer*innen (jeweils 15 katholische und 15 evangelische TN) und eine Dauer von 120 Minuten konzipiert.

An vier Terminen stand jeweils eines der theologischen Themen im Mittelpunkt, das zunächst durch einen kurzen, 20-minütigen Fachvortrag zuerst aus katholischer und anschließend aus evangelischer Perspektive von uns beleuchtet wurde (aus didaktischen Gründen haben wir bewusst immer mit der katholischen Perspektive gestartet, um die historisch-konfessionellen Entwicklungen deutlicher herausstellen zu können). Anschließend sind die Teilnehmer*innen – im Sinne eines Begegnungslernens –im gemeinsamen Austausch über das Gehörte ins Gespräch gekommen. Die Gespräche wurden in kleinen Breakout-Räumen mit jeweils vier Kolleg*innen organisiert (jeweils zwei katholische und zwei evangelische TN). In den Gesprächsgruppen konnten sich die Teilnehmer*innen mit folgenden Impulsfragen auseinandersetzen – sofern sie keinen eigenen Gesprächsanlass fanden:

a.    „Wo habe ich am stärksten emotional reagiert bei meiner eigenen Konfession (im Sinne einer Zustimmung/ Ablehnung)?“
b.    „Welche Schätze bietet mir die andere Konfession, die ich gerne heben möchte?“

Im vertrauensvollen Austausch haben die Kolleg*innen dabei eigene Positionen und persönliche Glaubensansichten zur Sprache gebracht und konnten von der authentischen konfessionellen Binnensicht der anderen profitieren.

Nach einer Viertelstunde haben wir uns anschließend nochmals im digitalen Plenum getroffen, um offene Fragen gemeinsam zu klären.

Aufgrund der enormen Anzahl von weit über 200 Anmeldungen mussten wir für den ersten Durchgang des „Theologischen Kurses“ einige organisatorische Entscheidungen treffen. Unter Anderem haben wir uns aufgrund der vorliegenden Anmeldedaten dafür entschieden, den Kurs „nur“ für eine bestimmte Schulform (Grundschule) durchzuführen, da wir es dann mit einer homogen Teilnehmergruppe zu tun hatten.

In der Konsequenz hieß das für uns aber auch, dass wir einen weiteren „Theologischen Kurs“ anbieten werden, der dann nur für Kolleg*innen der weiterführenden Schulformen ausgebracht wird. Aufgrund der Erfahrungen des ersten Durchgangs haben wir diesen auf eine maximale Teilnehmerzahl von 18 (wieder paritätisch aufgeteilt) begrenzt, damit wir noch intensiver ins Gespräch kommen konnten.


Weitere Formate der Fortbildung

Da wir trotzdem noch immer knapp 200 Absagen verschicken mussten, standen wir vor der Frage, wie wir diesen Kolleg*innen ansatzweise gerecht werden könnten. Entstanden ist dann die Idee, die Veranstaltungsreihe als „Theologische Vorlesung“ durchzuführen: Da eine kleine interkonfessionelle Gesprächsrunde in Breakout-Räumen für so viele Teilnehmer*innen nur schwer zu organisieren ist, haben wir in der „Vorlesung“ daher nur die beiden 20-minütigen Fachvorträge gehalten. Anschließend bestand für die Teilnehmer*innen die Möglichkeit, Fragen zu stellen, die sie „nachts nicht schlafen lassen“ würden.

Zeitlich hatten wir dieses Format auf 60 Minuten begrenzt, standen danach aber noch für weiterführende Fragen zur Verfügung (was auch immer von ungefähr zehn bis 15 Kolleg*innen in Anspruch genommen wurde).
Die Teilnehmendenzahlen waren u. E. sehr gut, da an den vier „Theologischen Vorlesungen“ immer zwischen 90 und 120 Religionslehrkräfte teilgenommen haben.


Rückschau

Insgesamt sind wir mit der Fortbildungsreihe sehr zufrieden – nicht zuletzt wegen des Feedbacks in den Abschlussrunden.

Beide Veranstaltungsformate (Kurs und Vorlesung) hatten ihre Daseinsberechtigung:

Im Kurs haben die Teilnehmer*innen die „familiäre“ und über die Zeit gewachsene vertrauensvolle Atmosphäre positiv hervorgehoben. Sie fühlten sich nun „fachlich gestärkt“ und haben von den persönlichen Darstellungen „gelebten Glaubens“ profitiert. Besonders beeindruckt hat uns auch die Aussage einer Kollegin: Sie sei wegen der aktuellen Situation in der katholischen Kirche kurz davor, ihre Missio Canonica zurückzugeben – durch die Gespräche mit den anderen Teilnehmer*innen und unsere theologischen Einblicke habe sie nun aber wieder „richtig Spaß“ am Religionsunterricht bekommen.

Für uns zeigte sich deutlich, dass das Kursformat mit 18 Teilnehmer*innen (lern)förderlicher und gewinnbringender ist als mit einer größeren Anzahl. Ebenso ist es für die Zusammensetzung der Gruppe sinnvoll, sie auf eine bestimmte Schulform zu begrenzen (z. B. aufgrund ähnlicher Voraussetzungen bzgl. unterrichtsthematischer Fragestellungen).

Aber auch das Format der „Vorlesung“ hatte seine Vorzüge: Die Teilnehmer*innen hoben insbesondere den „fachlichen und authentischen Blick“ der beiden Dozenten auf ihre Kirchen hervor, den man „ganz gemütlich auf dem Sofa“ verfolgen könne, verbunden mit der angenehmen Uhrzeit von 18 bis 19 Uhr. Die Fokussierung auf die theologischen Inhalte in einer kurzen und prägnanten Form schätze eine Vielzahl, von denen sich einige „in die eigene Studienzeit zurückversetzt“ fühlten.

In der Reflexionsrunde wurde mehrfach der Wunsch geäußert, dass neben den von uns behandelten vier Themen auch noch „Feste im Jahreskreis“ thematisiert werden könnten.

Anmerkungen

  1. Vgl. Leonhard, Silke / Balceris, Michael: Der niedersächsische Weg zum CRU als Auftakt zum didaktischen Weiterdenken, in: Loccumer Pelikan 01/2023, 18-25.