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Nein! Wenn der Affe zu sprechen beginnt, werden Grenzen gesetzt

Von Inge Kirsner

Tierethik und Menschenbild anhand der PLANET DER AFFEN-Prequels1 (2011-2017)

Eine Ethos-Gemeinschaft umfasst einer neueren theologischen Ethik2 zufolge neben Menschen auch Tiere, zudem Pflanzen und Artefakte (bzw. K.I.). Doch bevor man sich mit künstlichen Intelligenzen beschäftigt, ist eine Klärung der Beziehung des Menschen zu den immer schon mit ihm lebenden natürlichen Intelligenzen wie den Tieren nötig.

Eine besondere Spezies sind hierbei die Menschenaffen in den PLANET DER AFFEN-Filmen. Im Prequel PREVOLUTION (so der Titel des ersten Films der Trilogie von Rupert Wyatt aus dem Jahr 2011) sind sie durch ein Serum, das bei Menschen Demenz verhindern soll und das an ihnen getestet wurde, auch Menschen gegenüber sprachfähig geworden und an Intelligenz ihnen mindestens gewachsen. Wie deren gemeinsame Geschichte weitergeht, welche Konsequenzen sich auch für die Gegenwart aus diesen Science-Fiction-Filmen ergeben, soll Gegenstand der Untersuchung sein.


Die Vorgänger

Grundlage für die PLANET DER AFFEN-Filmreihe3 ist die Novelle „La Planète du singes” von Pierre Boules, die 1963 in Paris erschienen ist. Fünf Jahre später beginnt mit PLANET DER AFFEN (Franklin J. Schaffner, USA 1968) die Reihe der filmischen Adaptionen. In dem inzwischen legendären Science-Fiction-Klassiker verkörpert Charlton Heston den Astronauten Taylor, der mithilfe eines Raum-Zeitsprunges 2000 Jahre in die Zukunft auf einen entfernten Planeten gelangt. Dieser wird von Affen regiert, die eine primitive Menschenrasse für Experimente und zu Unterhaltungszwecken missbrauchen. 

Einmal mehr erweist sich hier der Film als Spiegel: Die Affen machen das mit den Menschen, was die Menschen normalerweise mit ihnen tun. Die Zeitreise ist ein Trick, der die ethische Frage stellt, wie eine Rasse sich über die andere auf solch unwürdige Weise erheben kann. 

Die Identifikationsfigur ist hier zunächst der Mensch – mit ihm werden wir zum Gejagten, und unsere einzige Hoffnung auf Rettung ist ein Schimpansen-Wissenschaftler, der den Astronauten bei seiner Flucht unterstützt. Einen Perspektivwechsel erleben wir im dritten Teil, der „Flucht vom Planet der Affen”, in dem zwei intelligente Menschenaffen aus der Zukunft auf die Erde der Gegenwart gelangen. Die sprechenden Tiere werden zunächst hofiert, dann aber zunehmend als Bedrohung empfunden und schließlich getötet. Das Kind der beiden – Caesar – spielt auch schon in den zwei letzten der vier weiteren PLANET DER AFFEN-Sequels eine Hauptrolle: In der EROBERUNG VOM PLANET DER AFFEN (J. Lee Thompson, USA 1972), der in naher Zukunft spielt, sind die Affen die Haustiere in jeder Familie und werden wie Sklaven behandelt. Caesar ist hier der Anführer der Revolte gegen die grausamen Misshandlungen – Pate des „Caesar” aus der PREVOLUTION-Reihe. Im ersten Teil der neuen Trilogie erleben wir die Geschehnisse in einem Versuchslabor zunächst aus der Sicht des Wissenschaftlers (James Franco) und wechseln dann die Perspektive:

Caesar wird zur Identifikationsfigur, und wir erleben den Menschen ab da als den potenziellen Feind. 

In der vorläufig letzten Folge der alten Reihe, DIE SCHLACHT UM DEN PLANET DER AFFEN (J. Lee Thompson, 1973), wird die um 2670 existierende friedliche Gesellschaft von Mensch und Menschenaffen gezeigt, die von militanten Gorillas und wahnsinnigen Mutanten gestört wird. Caesar wird zum Hoffnungsträger für den Erhalt der harmonischen Gesellschaft.


PREVOLUTION (Rupert Wyatt, USA 2011): Nein!

Im ersten Prequel zum PLANET DER AFFEN von Rupert Wyatt (USA 2011) wird erzählt, wie die (Menschen-)Affen zur dominanten Spezies auf der Erde werden konnten. In einem Versuchslabor wird ein vielversprechendes Mittel gegen Demenz an Menschenaffen getestet. Bei Menschen funktioniert es zunächst hervorragend, die Wirkung aber ist eine sehr vorübergehende. Bei den Affen jedoch führt das Mittel auf Dauer zu einem Anstieg kognitiver Möglichkeiten. Ein Schimpanse, Caesar, wird zum Hausaffen des leitenden Wissenschaftlers, doch überfordert er bald den Halter und wird in einen Menschenaffenzoo gebracht. Dort wird er von einem sadistischen Tierpfleger so lange gequält, bis er sich befreit und eine Waffe an sich bringt. Als der Pfleger diese zurückfordert, geschieht etwas Überraschendes: Caesar behält den Elektroschocker in der Hand und sagt deutlich vernehmbar: „Nein!“ – und erst diese verbale Grenzziehung lässt den Pfleger innehalten. 

Doch schon vor diesem menschlich artikulierten Sprechen wäre zu überlegen gewesen, ob einem Tier (zumal einem Schimpansen, der – je nach Analysemodus – zwischen 93,5 und 99,4 Prozent das gleiche Erbgut hat wie ein Mensch) nicht der Status einer Person und also „Menschenrechte“ zuzusprechen wären. 

Diese Forderung gibt es bereits von Seiten des Utilitaristen Peter Singer, einem australischen Ethiker und Philosophen. Vor allem gilt er (zusammen mit Tom Regan) seit seinem Werk „Die Befreiung der Tiere“ von 1975 als Begründer der Tierethik. 

Auch der Begriff des Speziezismus geht auf ihn zurück: Die Zugehörigkeit zu einer Spezies darf für sich selbst keine moralische Relevanz haben.

Kriterium für ethische Bewertungen dürfe und müsse einzig die Fähigkeit sein, bestimmte Präferenzen zu besitzen – und in genau diesem Maße seien Lebewesen, ungeachtet ihrer Spezieszugehörigkeit, in das ethische Kalkül einzubeziehen. Darunter fällt für Singer in Anlehnung an Jeremy Bentham bereits die Eigenschaft, Schmerz empfinden zu können, womit dann die Zuschreibung einer Präferenz entsprechender Schmerzvermeidung korreliert. Insbesondere bei Säugetieren und Vögeln gebe es hinreichende Hinweise für die Zuschreibung von Schmerzempfinden. Es ist also nicht der Grad der kognitiven Fähigkeiten allein ausschlaggebend, sondern zuallererst das Merkmal des „Fühlens“ – und nach einem Lehrbuch der neueren Biologie von Andreas Meyer ist dies die Grundlage aller Ethik: „Alles fühlt“.4 

Damit einher geht dann auch die Frage nach dem Tierschutz und einer Rechtssubjektivität von Tieren. Hier setzten Paola Cavalieri und Peter Singer vor über einem Vierteljahr mit dem Great Ape-Projekt (GAP) einen wichtigen Impuls. Sie veröffentlichten 1993 drei Grundforderungen (Leben, Freiheit, Folterverbot) im Rahmen der „Deklaration über die Großen Menschenaffen“.

Singer wendet dabei den Personenbegriff auf Menschenaffen an. Das GAP-Programm Equality beyond humanity gibt sich dabei nicht mit einer Analogisierung von Tier- und Menschenrechten zufrieden, sondern folgt einer sukzessiven Erweiterungslogik von bislang auf die Menschheitsfamilie begrenzten vorpositiven Rechten, in der Große Menschenaffen lediglich als Türöffner für weitere Tierarten dienen.5 

Aus der Tatsache, dass nur Menschen moralisch und rechtlich verantwortungsfähig und daher natürliche Rechtpersonen sind, ist in der abendländischen Ethikgeschichte lange ein falscher anthropozentrischer Schluss gezogen worden, nämlich dass dann auch nur die personale Welt Gegenstand menschlicher Verantwortung sein könne. Der Philosoph Otfried Höffe hat diesen Fehlschluss als „Subjekt-Adressaten-Fehler“ bezeichnet.6 

An die Stelle der symmetrischen Beziehung zwischen Vernunftgleichen und Freien muss das Paradigma einer asymmetrischen Verantwortungsbeziehung treten, die biblisch begründet werden kann:
„Weil menschliche Personen Verantwortung für sich selbst, für andere Personen und für nichtpersonale Entitäten in der Welt zu übernehmen in der Lage sind, vermögen sie auch Tiere als Gegenstände menschlicher Verantwortung in die Rechtsordnung zu integrieren und aufgrund ihrer Empfindungs- und Leidensfähigkeit als besondere Gegenstände zu qualifizieren, die ein besonders rücksichtsvolles menschliches Handeln erfordern. Tiere zu Rechtspersonen zu erklären ist somit aus ethischen Gründen überflüssig“.7

An die Stelle der von Singer angeregten Personenrechtsdiskussion kann der sog. expandierende Humanismus treten. Demnach bedenkt ein selbstreflexives, mit moralischer Urteilskraft ausgestattetes menschliches Subjekt die Auswirkungen seines Handelns auf andere empfindungs- und leidensfähige Lebewesen. „Je höher der Stellenwert ist, den wir unserem psychophysischen Wohlergehen beimessen und je ähnlicher uns ein Lebewesen ist, umso drängender wird die Frage, mit welchem Recht wir dieses Wohl anderen, uns ähnlichen Lebewesen vorenthalten“.8  

Es geht um eine „gutes Leben für alle(s)“9 – und das nicht erst, wenn der Affe beginnt, (zu uns) zu sprechen. Denn erst, als Caesar „Nein!“ sagt, ist der Mann bereit, das Tier als ernstzunehmendes Gegenüber wahrzunehmen – in seinem Fall: zu spät. Ein Virus wird die Menschheit fast auslöschen; ausschließlich die geflüchteten Affen überleben und übernehmen tatsächlich die Stelle der Menschen in der Welt, aber ohne deren Selbstabschaffungstrieb.


Revolution (Matt Reeves, USA 2014): „Du bist nicht Affe!“

Caesar und seine große Schar haben sich unbehelligt von den wenigen überlebenden Menschen in den Wäldern nahe Francisco ihre eigene Zivilisation aufgebaut. Sie kommunizieren miteinander mithilfe einer komplexen Zeichensprache, einige beherrschen auch rudimentär die menschliche Lautsprache (in dieser kommunizieren auch die verschiedenen Affenrassen miteinander). Doch dann kommt es zum Zusammentreffen mit den wenigen Menschen, die sich im menschenleeren San Francisco niedergelassen haben und denen die Kraftstoffreserven ausgehen. Sie wollen ein Wasserkraftwerk instand setzen, das aber in dem von Affen bewohnten Waldbereich liegt, und schicken einen Expeditionstrupp. In der folgenden Konfrontation entscheidet Caesar – im Gespräch mit dem friedenswilligen Menschen Malcolm –, dass die Menschen das Kraftwerk reparieren dürfen und sich danach wieder zurückziehen sollen. Doch der die Menschen anführende Kommandant Dreyfus hält sich nicht an die Vereinbarungen. Im Zuge des sich immer mehr zuspitzenden Konflikts gewinnt der Gorilla Koba Zulauf, der Caesar eine zu menschenfreundliche Politik vorwirft. Aus dem Hinterhalt schießt er auf Caesar und erklärt die Menschen für die Mörder. Doch hat Caesar schwer verletzt überlebt und wird von Malcolm gefunden und gepflegt. Währenddessen baut Koba eine Gewaltherrschaft auf, die von Caesar und seinen Anhängern schließlich gestürzt wird. Im finalen Kampf gegen Kobe spricht Caesar diesem ab, „ein Affe zu sein” (K. 37, 1.52.11f). 

Diese Szene muss genauer betrachtet werden, weil hier tatsächlich etwas kippt, nämlich die bis dahin ungebrochene Solidarität mit dem Helden Caesar. Es ist immer von ausschlaggebender Bedeutung, wie im Showdown der*die Held*in mit dem feindlichen Gegenüber umgeht. Lässt er*sie das feindliche Gegenüber leben, geht weiter Gefahr von ihm aus; tötet er*sie es, ist er*sie moralisch nicht unbedingt besser zu bewerten als der*die Getötete. 
Die Empfindungen Kobe gegenüber sind auch schon im ersten Teil, in PREVOLUTION, ambivalente: An ihm wurden grausame Experimente vollzogen, er ist halb blind und entstellt daraus hervorgegangen. Er kann den Menschen nicht verzeihen, was sie ihm angetan haben, doch hat sich seine misstrauische und missgünstige Haltung auch auf diejenigen Affenbrüder und -schwestern übertragen, die eine Koexistenz mit ihnen bevorzugen.10 Kobe ist von Anfang an Caesars Antipode – er ist „der Böse” auf Seiten der Affen, wie es Dreyfus auf menschlicher Seite ist. Parallel werden die beiden Schlusskämpfe – zwischen Malcolm und Dreyfus sowie Caesar und Kobe – so zusammengeschnitten, dass die jeweiligen Argumentationen unmittelbar miteinander verglichen werden können. 

Dreyfus wird von Malcolm mit einem Gewehr bedroht, um ihn daran zu hindern, die Golden Gate Bridge zu sprengen, auf der sich gerade die Affen befinden. Doch letztlich schießt Malcolm nicht – und Dreyfus sagt, als er den roten Knopf drückt, dass er mit allen Mitteln den Menschen zum Sieg verhelfen wolle. Der gegen Caesar kämpfende Kobe stürzt ab – und wird zunächst von Caesar gehalten. Sie schauen sich an; „Affe nicht tötet Affe!“ (– „Ape not kill ape!”) sagt Kobe zu Caesar. Dieser blickt auf die verwundeten, getöteten und auch von Kobe mit seinem Maschinengewehr verletzten Artgenossen – und erwidert: „Du bist nicht Affe!“ („You are not ape!”), Kobe loslassend, der in die Tiefe stürzt.

Dietmar Dath schreibt zu dieser Szene in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:

„… Aber spätestens wenn man einen Affen als Helden bewundern soll, der einem anderen Affen für eine ethische Verfehlung nicht nur den Marsch bläst, sondern ihm sogar den Affenstatus aberkennt, fühlt man sich unangenehm an Deutsche, Amerikaner und sonstige Freaks erinnert, die anderen Deutschen, Amerikanern oder Freaks vorwerfen, dass sie nicht genug deutsch, amerikanisch oder freakig genug sind.“11  

Tatsächlich erscheint diese Szene als Unrecht. Wenn Kobe bei aller Bestialität kein Affe ist, was ist der dann? Ein „Untermensch“? Die „Anderen” gewinnen meist moralisch dadurch, dass sie „menschlicher sind als ein Mensch“.12 Malcolm fällt „dem Rad nicht in die Speichen“ – doch hätte er Dreyfus erschossen, wäre er auf menschlicher Seite nicht mehr „der Gute” gewesen. 

Vielleicht muss man zu Daths berechtigter Kritik den Kontext noch einmal genauer anschauen. Der Grundvorwurf Kobes an Caesar lautet, jener stehe zu sehr auf Seiten der Menschen – er, Koba, hingegen, kämpfe für die Affen! (1.47.33) Caesar widerspricht diesem: Koba kämpfe nur für sich! 

Dass Menschen einander töten, haben die Affen als Normalität erfahren. Affen unterscheiden sich von den Menschen dadurch, dass sie einander nicht töten13 – gegen dieses ´Gesetz´ hat Kobe verstoßen. Ob er dafür den Tod verdient hat, mag diskussionswürdig bleiben. Jedenfalls lautet der Satz, den Caesar Kobe sagt, sinngemäß: „Du hast dich nicht wie ein Affe verhalten“, nicht affengemäß also, was in diesem Fall bedeutet: Du hast dich selbst wie ein Mensch verhalten, bist ihm (zu) ähnlich geworden. Dass man dem ähnlich wird, was man tötet (dessen Seele in sich aufnimmt, wie man trivialmythologisch sagen würde), das muss Caesar im letzten Teil der Trilogie, in SURVIVAL, erfahren. 

Der Film endet offen – der Krieg gegen die Menschen ist noch nicht gewonnen. Was aber die Affen gewinnen, ist eine zunehmend komplexere Sprachfähigkeit. Beschränkt sich Caesar in PREVOLUTION noch auf das Wort „Nein!“, spricht er in REVOLUTION schon rudimentäre Sätze („Du bist nicht Affe!“), in SURVIVAL kann er sich verbal leicht mit den Menschen messen, die zunehmend ihre Sprache verlieren.


SURVIVAL (Matt Reeves, USA 2017): Nova

Caesar versucht einen Weg zu finden, um trotz des von den Menschen verursachten Kriegs mit seinem Stamm in Frieden leben zu können. Doch eine Spezialeinheit ist hinter ihm her, die ihn unbedingt töten will. Durch einen Verrat wird das Geheimversteck der Affen entdeckt und angegriffen.

Caesars Frau und Kind werden dabei getötet; in ihm erwacht der Wunsch nach Rache. Dennoch lässt er die beim Kampf gefangenen Soldaten frei mit der Botschaft, ihn einfach in Ruhe zu lassen. Während er sich mit einigen Gehilfen an seiner Seite auf die Suche nach dem Leiter der Spezialeinheit macht, machen sich die anderen Affen auf den Weg in ein fruchtbares Stück Land jenseits der Wüste.

Unterwegs zu der vom „Colonel“ angeführten Einheit, die sich „Alpha-Omega“ nennt, stößt Caesars Gruppe auf ein stummes Mädchen, welches sie mitnehmen, da es alleine nicht überleben würde.

Als sie auf das Camp der Einheit treffen, müssen sie feststellen, dass die anderen Affen gefangen genommen wurden und unter KZ-ähnlichen Bedingungen zu Bauarbeiten gezwungen werden. Als Caesar entgegen der Warnungen der anderen alleine den Colonel aufsuchen will, wird er gefangen genommen und gefoltert. Dem Colonel vorgeführt, erläutert dieser, warum er ihn vernichten wolle: Das Virus, das die Menschen größtenteils getötet habe, sei nun modifiziert und befalle lediglich noch das Sprachzentrum; damit die anderen sich nicht anstecken, habe er befohlen, alle Stummen zu töten und konsequenterweise auch den eigenen Sohn getötet. Die immunen Affen, die sprechen könnten, müssten getötet werden, damit sie nicht zur dominanten Spezies auf Erden werden. Es ist für ihn ein „Heiliger Krieg“ (K. 17, 1.16.56-1.22.59).

So erklärt sich der Name der Spezialeinheit Alpha-Omega, die griechischen Buchstaben für Anfang und Ende: Der Mensch soll wie am Anfang der Geschichte auch am Ende der Beherrscher der Welt sein. Die Sprache unterscheidet ihn vom Rest der anderen Lebewesen – der Colonel liegt hier auf einer Argumentationslinie mit Aristoteles, in dessen Gefolge der Mensch seinen Sonderstatus immer an der (Verbal-)Sprache festmachte.14  

Der Colonel in SURVIVAL bezeichnet seinen Kampf als „Heiligen Krieg“ – die menschliche Vorherrschaft ist in seinen Augen eine gottgegebene. Ohne die ihn zum Gott machende Sprache wird der Mensch jedoch zum primitiven Tier, wie er sagt. Es ist ein Schicksal, das ihn schließlich selbst ereilt: Als Caesar ihn während des Schlusskampfes (den Affen gelingt der Ausbruch, währenddessen rückt gegen den Colonel ein feindliches Heer an) aufsucht, stellt er fest, dass sein Feind stumm geworden ist – und wie am Ende von REVOLUTION stellt sich ihm die Frage, wie und ob er sich an diesem rächen soll. 

„Du gleichst immer mehr Kobe“, hatten ihm seine Gefährten vorgeworfen, nachdem er immer wieder im Alleingang seine Rachepläne gegen den Colonel verwirklichen wollte. Tatsächlich erscheint ihm Kobe häufig: im Traum und in verschiedenen Visionen, z.B. während er auf Befehl des Colonels hin am Kreuz hängt. Nun ist er erneut mit einem Todfeind konfrontiert – und nach langem Zögern entschließt er sich, dem Verlangen des Colonels, der getötet werden will, nicht nachzugeben. 

Ein Mensch ohne Sprache sei kein Mensch mehr, meint der Colonel – und ehe sich der stumm Gewordene der neuen Spezies unterordnet, die sprachfähig, klug und in dieser apokalyptischen Umwelt überlebensfähig ist, erschießt er sich lieber selbst. 

Der alte Mensch hat sich selbst gerichtet – der neue Mensch hat eine Zukunft im Verbund mit den Affen. Das stumme Mädchen, das die Affen bei ihrem Befreiungskampf unterstützt hat, wird von seiner Affenamme „Nova“ genannt (nach dem Schriftzug eines Oldtimer-Logos, das der Kleinen als Spielzeug diente). Nova erreicht zusammen mit den überlebenden Affen das gelobte Land. Es ist eine Landschaft mit Bäumen und Wasser, die Caesar – wie einst Mose – noch sehen, aber nicht mehr mit den anderen betreten kann. Er stirbt schließlich an einer Verletzung, die ihm im Showdown von einem Soldaten beigebracht wurde, den er selbst einst verschonte. Die Affen erweisen sich beim Eintritt in das posthumanistische Zeitalter als die klügeren, empathischeren Wesen.


Fazit

An den PLANET DER AFFEN-Verfilmungen lassen sich v.a. die drei jüngsten wesentlichen Grundpositionen der Tierethik durchdeklinieren. In PREVOLUTION geht es zu Beginn um Tierversuche, deren unvermuteter (filmisch erwartbarer) Verlauf deutlich macht, dass auch sog. gute Gründe (wie die medizinische Forschung zur Alzheimererkrankung) anfechtbar sind, wenn eine Spezies für die andere leiden soll.15 Die kreatürliche Gemeinschaft von Mensch und Tier, wie sie in den biblischen Schöpfungsberichten Genesis 1 und 2 beschrieben wird, ruft den Menschen in die Verantwortung für die ihn anvertraute Schöpfung. Das Projekt, an dem in PREVOLUTION geforscht wird, heißt „Gen-Sys“ und zeigt, dass der Mensch die ihm anvertrauten Mitgeschöpfe missbraucht, indem er sie als „Neuschöpfung“ optimiert. Doch optimiert er seine Mitgeschöpfe auf eine Weise, dass sie ihm bald verbieten, sie weiterhin als Werkzeuge zu benutzen: „Nein!“ sagt Caesar zum ihn misshandelnden Tierpfleger und die (Verbal-)Sprache spielt in den folgenden Prequels eine immer größere Rolle. War sie einst ein Unterscheidungsmerkmal zwischen dem Menschen und den übrigen Lebewesen, so gibt es jetzt nichts mehr, was dieser jenen voraushat, und erweist sich zunehmend als moralisch unterlegen. 

Der Mensch findet sich anfangs auf einer Welt vor, in der bereits Tiere und Pflanzen leben; und es wird sie noch geben, wenn der Mensch seinen eigenen Untergang herbeigeführt hat (so erzählt es SURVIVAL). Insofern ist der Name Alpha-Omega der menschlichen Kampftruppe nur auf die menschliche Spezies bezogen. Wenn der Mensch als Spezies überleben will, so kann er das nur im Verbund, in Gemeinschaft mit anderen Lebewesen erreichen: Auch davon erzählt das Ende von SURVIVAL, wenn das Mädchen Nova zusammen mit den Affen das neue Land zur Heimat machen wird.

Nova ist der neue Mensch: Sie hat keine verbale Sprache, doch kommuniziert sie mit den Lebewesen um sich herum, mit den Tieren und den Pflanzen. Sie ist mitfühlend, klug und lernfähig. Sie erweitert das Spektrum der unterschiedlichen Lebewesen um die menschliche Seite, die keine verbale Sprache mehr braucht, um mit allem, was lebt, zu kommunizieren und auf Augenhöhe zusammenzuleben. 

Im Anschluss an einen der ersten „Tierfilme“, die diesen Namen verdienen, wäre eine „ökologische Pneumatologie“ im Anschluss an Prediger 3,19 („Wir haben alle denselben Odem“) und den Theologen Karl Barth zu entwickeln, der schon früh in seiner Kirchlichen Dogmatik von einem „sorgfältigen, rücksichtsvollen, freundlichen und eben vor allem: verständnisvollen, seinen Bedürfnissen und den Grenzen seiner Möglichkeiten nachfühlenden und Rechnung tragenden“, also im besten Sinne: menschlichen Umgang mit den Tieren sprach. 

 

Anmerkungen

  1. Die Ausdrücke „Sequel“ und „Prequel“ bezeichnen die Fortsetzung eines erfolgreichen Werkes. Während das Sequel nach der Handlung der vorigen Geschichte einsetzt, erzählt das Prequel die Vorgeschichte.
  2. Lienemann, Grundinformation Theologische Ethik, Göttingen 2008.
  3. PLANET DER AFFEN (PLANET OF THE APES, Franklin J. Schaffner, USA 1968); RÜCKKEHR ZUM PLANET DER AFFEN (BENEATH THE PLANET OF THE APES, Ted Post, USA 1970); FLUCHT VOM PLANET DER AFFEN (ESCAPE FROM THE PLANET OF THE APES, Don Taylor, USA 1971); EROBERUNG VOM PLANET DER AFFEN (CONQUEST OF THE PLANET OF THE APES, J. Lee Thompson, USA 1972; DIE SCHLACHT UM DEN PLANET DER AFFEN (BATTLE FOR THE PLANET OF THE APES, J. Lee Thompson, USA 1973), Einzelfilm: PLANET DER AFFEN (PLANET OF THE APES, Tim Burton, USA 2001).
  4. Weber, Alles fühlt. Mensch, Natur und die Revolution der Lebenswissenschaften.
  5. Cavalieri / Singer, The Great Ape Project, 14.
  6. Höffe, Moral als Preis der Moderne.
  7. Siehe dazu Baranzke, Kurzschlüsse in der Tierrechtsdiskussion, 21-33; 29f.
  8. Baranzke, Kurzschlüsse in der Tierrechtsdiskussion, 31.
  9. Um das südamerikanische Konzept des „Buen Vivir” hier anzuwenden. Dieses verfolgt ein Gleichgewicht mit der Natur, die Reduktion von sozialer Ungleichheit, eine solidarische Wirtschaft und eine pluralistische Demokratie mit neuen Räumen zivilgesellschaftlicher Partizipation und ist eine systemkritische Antwort auf das westliche Entwicklungsdenken der letzten Jahrzehnte, siehe dazu: www.nachhaltigkeit.info/artikel/buen_vivir_1852.htm (Stand 28.8.2019).
  10. Vgl. hierzu die vergleichbare Konfrontation zwischen den Mutanten Xavier und Magneto in der „X-Men”-Filmreihe (USA 2000-2019).
  11. Dath, Hordenmordnotstand, FAZ vom 7. August 2014, 12.
  12. So Ripley zum weiblichen Cyborg am Ende von „Alien-Resurrection“ (Jean-Pierre Jeunet, USA 1997).
  13. Dies ist bedauerlicherweise ein Mythos, wie im Wissenschaftsroman „Brazzaville Beach“ (1993) erzählt wird, in dem der Autor William Boyd auf empirische Forschungsergebnisse zurückgreift.
  14. Aristoteles, Politik, 78.
  15. Siehe dazu ausführlicher: Bohrmann, Tierethik, 339-368.
     

Literatur

  • Aristoteles: Politik. Schriften zur Staatstheorie, übers. und hg. von Franz F. Schwarz, Stuttgart 1989
  • Barth, Karl: Kirchliche Dogmatik III, 4, Zürich 1932-1967
  • Baranzke, Heike: Kurzschlüsse in der Tierrechtsdiskussion. Zur Frage der Rechtspersonalität von Tieren aus ethischer Sicht, in: Zeitschrift für Evangelische Ethik 63 (2019) 1, 21-33
  • Bohrmann, Thomas: Tierethik: Der Umgang des Menschen mit Tieren – „Planet der Affen: Prevolution“, in: Bohrmann, Thomas u.a. (Hg.): Angewandte Ethik und Film, Wiesbaden 2018, 339-368
  • Boyd, William: Brazzaville Beach, Reinbek 1993
  • Cavalieri, Paola / Singer, Peter (Hg.): The Great Ape Project, London 1993, dt: Menschenrechte für den Großen Menschenaffen, München 1994
  • Dath, Dietmar: Hordenmordnotstand: „Planet der Affen: Revolution” im Kino, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7. August 2014, 12
  • Höffe, Otfried: Moral als Preis der Moderne, Frankfurt a. M. 1993
  • Horstmann, Simone et. al: Alles, was atmet. Eine Theologie der Tiere, Regensburg 2018
  • Lienemann, Wolfgang: Grundinformation Theologische Ethik, Göttingen 2008
  • Weber, Andreas: Alles fühlt. Mensch, Natur und die Revolution den Lebenswissenschaften, Berlin 32007