Das Integrationskonzept am Hölty-Gymnasium Wunstorf
Seit  dem  Schuljahr 2009 / 2010 besuchen auch  Schülerinnen und Schüler mit   Beeinträchtigungen primär der geistigen  Entwicklung das  Hölty-Gymnasium in  Wunstorf. Mit der Ratifizierung der   UN-Behindertenrechtskonvention (BRK,  Artikel 24) vom 26.03.2009 ist die   gemeinsame Beschulung von Menschen mit und  ohne Beeinträchtigungen  ein  geltendes Recht in Deutschland. „Dabei müssen die  Vertragsstaaten   sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund  von   Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und sie    gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben,   Zugang zu  einem inklusiven, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht   an Grundschulen  und weiterführenden Schulen haben“   (UN-Behindertenrechtskonvention_umsetzen.pdf  des Sozialverbandes   Deutschland).
 
 Am  Hölty-Gymnasium lernen in zwei  Integrationsklassen jeweils fünf  Schülerinnen  und Schüler mit  diagnostiziertem sonderpädagogischen  Förderbedarf in den   Entwicklungsbereichen „Geistige Entwicklung“ und  „Lernen“ gemeinsam mit  24 bzw.  23 „Gymnasiasten“ in den Klassen 5 und  7. 
 
 Das   Unterrichtskonzept beider Klassen orientiert sich an Prof. Dr.  Jutta  Schöler  (2009), die sich mit ihren erziehungswissenschaftlichen   Publikationen um die  gesellschaftliche Akzeptanz des gemeinsamen   Lernens sehr verdient gemacht hat.  Für sie ist „Normalität (…) das   gemeinsame Lernen. Eine Schule ohne Kinder mit  Behinderung ist keine   normale Schule“ (Schöler 2009).
Zur räumlichen Ausstattung
Die Schülerinnen und Schüler lernen in einem großen Klassenraum, an dem unmittelbar ein kleiner Differenzierungsraum angrenzt. Die Ausstattung mit einer kleinen Küchenzeile, Computerarbeitsplätzen sowie Materialien mit individuellem Zuschnitt für die Lernenden mit Beeinträchtigungen bietet geeignete Differenzierungsmöglichkeiten. Dieser Raum wird sehr vielfältig für individuelle Fördermaßnahmen, Gruppenarbeiten oder einfach als Aufenthaltsraum bzw. Rückzugsmöglichkeit für jeden Einzelnen der knapp 30 Lernenden der Klassenverbände genutzt.
Zur personellen Situation in der Klasse 7
Der  Erlass  „Klassenbildung und  Lehrerstundenzuweisung“ (RdErl. d. MK v.  7.7.2011, SVBl  8/2011) sieht  für den sonderpädagogischen Förderbedarf  in der geistigen  Entwicklung  fünf Förderschullehrerstunden pro Kind in  der Woche vor. Somit   unterrichten in 25 von 32 Stunden eine  Förderschullehr- und eine   Gymnasiallehrkraft gemeinsam in der Klasse. 
 
 Für die  pädagogische Begleitung des Unterrichts ist eine Fachkraft   mit einer Ausbildung  als Heilerziehungspflegerin für 25   Unterrichtsstunden tätig. Darüber hinaus  unterstützt ein ungelernter   Integrationshelfer die Erziehungsarbeit in der  Integrationsklasse. Da   der Religionsunterricht in Bändern erteilt wird  (evangelische,   katholische Religion sowie Werte und Norm), nehmen an dem nun folgenden    Unterrichtsbeispiel der evangelischen Religion 17 Lernende ohne und   drei  Lernende mit Förderbedarf teil.
Kooperation der Lehrkräfte
„Die   einzige notwendige Voraussetzung ist die  Kooperationsbereitschaft der   beteiligten Erwachsenen“ (Jutta Schöler  1997). Natürlich wären noch  viele  weitere Bedingungen zu nennen, die  zum Gelingen beitragen, die  aber alle der  genannten  Kooperationsbereitschaft unterzuordnen sind.
 
 In einem  ersten Planungsgespräch (langfristige Planungsebene) sammeln   die beteiligten Lehrkräfte  in Form eines Mindmaps Ideen zum   Unterrichtsthema. Daran an schließt sich eine  Verlaufsplanung für die   Unterrichtseinheit. Während die Religionslehrerin die  fachdidaktischen   Ansprüche auf der Grundlage des Kerncurriculums für das  gymnasiale   Lehramt im Blick hat, achtet die Förderschullehrerin auf zentrale    Unterrichtsprinzipien, die in erster Linie – aber nicht ausschließlich –   für  die zwei Förderschüler und für die eine Förderschülerin bedeutsam   sind. 
 
 „Vorrangiges  Prinzip ist die Entwicklung von  Unterrichtsformen, die  einen lebensnahen und  altersgemäßen Umgang mit  Unterrichtsgegenständen  zulassen und die helfen,  Voraussetzungen des  Wissenserwerbs zu  erschließen. Die Anregung und Entwicklung  aller  Sinne und ein variabler  sowie vielgestaltiger Einsatz von Medien sind  zu  beachten“ (RdErl. d.  MK v. 1.2.2005, SVBl 2/2005).
 
 Die  Grenzen  der Zuständigkeitsbereiche sind dabei fließend. Beide   Lehrkräfte fühlen sich  für den gemeinsamen Unterricht im   zieldifferenten Kontext verantwortlich. 
 
 Über die  kurzfristige  Unterrichtsplanung verständigen sich die  beteiligten Lehrkräfte  über  e-mail. In der Regel informiert die  Religionslehrerin die   Förderschullehrerin über einen möglichen Verlauf,  so dass die   Förderschullehrerin noch Zeit für die Vorbereitung  differenzierender  Maßnahmen  hinsichtlich der Mediengestaltung, der  Niveaustufen, der  Quantität, aber auch  der methodischen Zugänge  vornehmen kann. Der  Integrationshelfer ist ebenfalls  über den  Stundenablauf informiert und  unterstützt nach Absprache mit der   Förderschullehrerin einzelne  Förderschüler im Unterricht.
Unterrichtsbeispiele
Theologische und didaktische Aspekte
Die   biografisch ausgerichtete Sequenz zu Franz von  Assisis Leben und  Wirken bildet  den Abschluss der großen Einheit  „Miteinander leben –  sich an Gerechtigkeit und  Frieden orientieren“.  Dort setzen sich die  Schülerinnen und Schüler mit dem  Wirken der  alttestamentlichen  Propheten auseinander und suchen nach Beispielen   christlichen Wirkens  für Gerechtigkeit und Frieden in ihrem Alltag. Der  dritte  Aspekt der  im Konziliaren Prozess der Kirchen beschriebenen  christlichen   Verantwortung, die „Bewahrung der Schöpfung“, wird am  Leben und Wirken  von  Franz von Assisi thematisiert. Gerade Zwölf- und  Dreizehnjährige  interessieren  sich für Umwelt- und Tierschutzfragen.  Darum bietet die  Geschichte von Franz  von Assisi gute  Anknüpfungsmöglichkeiten. Auch  können Jugendliche in seiner  Person die  jesuanische Grundhaltung zu  Gemeinschaft, Teilen und Gotteslob  kennen  lernen. Und seine Biografie –  ausgehend von dem Bruch mit seinem   Elternhaus – bietet jungen  Menschen einen glaubhaften Zugang. 
 
 Die  Doppelstunden, die hier vorgestellt werden, stehen am Ende der Einheit.
 
 Sie  thematisieren die Frage, wie ein Leben im Geist von Franziskus   aussehen kann,  und das christliche Verständnis vom Leben in   Gemeinschaft mit der Schöpfung,  verbunden mit der für Franziskus   typischen Grundhaltung, in allem, was uns  umgibt, Gott zu erkennen und   zu loben.
Unterrichtsbaustein 1: 
 
 Franz von Assisi  nachempfinden – Das Einkehrhaus in San Masseo
 In  der  Doppelstunde erarbeiten die Schülerinnen und  Schüler die  Besonderheiten eines  Lebens im Sinne von Franziskus, indem  sie den  Tagesverlauf im Einkehrhaus San  Masseo mit ihrem eigenen  Tagesablauf  vergleichen.
Kompetenzen
 Mit  dem  Vergleich schulen die Schülerinnen und  Schüler besonders ihre  Wahrnehmungs-,  Darstellungs- und ihre  Deutungskompetenz: Sie  untersuchen anhand des religiösen  Lebens in San  Masseo ihren eigenen  Alltag auf religiöse Spuren hin.  Inhaltsbezogen  lernen sie ein  christliches Lebenskonzept kennen, das sich an  der  Nachfolge Jesu und  am Geist des Franz von Assisi orientiert.
Stundenverlauf
 Die  Doppelstunde beginnt mit einer Stille-Übung: Die  Gruppe steht im  Kreis, eine  Lehrerin liest drei Verse aus dem  Schöpfungspsalm 104 vor.  Reihum wiederholt  jeder einen Begriff, der ihm  noch im Ohr ist. Als  „Redestein“ dient ein  handgemachtes kleines  Holzkreuz, welches weiter  gegeben wird. In der  Erarbeitungsphase lesen  alle gemeinsam den Text  „Franziskus nachempfinden“, der  im  Religionsbuch „Das Kursbuch“, S.  86, abgedruckt ist. In gemischten   Kleingruppen à drei Personen  vergleichen die Schülerinnen und Schüler  nun den  Tagesablauf im  Einkehrhaus von San Masseo mit ihrem eigenen mit  Hilfe eines   Arbeitsblatts (M 1). Abschließend präsentiert jede  Kleingruppe eine bis  drei  Tagesphasen, wobei sie zur Veranschaulichung  verschiedene  Symbolgegenstände  heraussuchen, die zur jeweiligen  Tagesphase passen.  Entlang einer Reihe von  Tageszeiten-Schildchen  werden die Gegenstände  abgelegt. Während der  Präsentation haben die  Schülerinnen und Schüler  Gelegenheit, von den  Alltagsgewohnheiten bei  sich zu Hause zu  erzählen. Im darauf folgenden  Unterrichtsgespräch  suchen die  Schülerinnen und Schüler Kategorien für die  Tagesphasen, die  einander  ähnlich sind. Schließlich bringen sie die  Unterschiede  zwischen ihrem  eigenen Leben und dem in San Masseo in eine selbst   festgelegte  Reihenfolge der Wertigkeit.
Beobachtungen im Unterricht
 Der  Austausch über den eigenen Tagesablauf ist  geprägt von großer  Offenheit in der  Gruppe, die auch bei persönlichen  Themen wie z.B.  Abendritualen in der Familie  bestehen bleibt. Für  Siebtklässler ist  das eher ungewöhnlich, sodass spontan  mehr Raum für  den Austausch  gegeben wird, als geplant war. Bei der Frage nach  den  deutlichsten  Unterschieden zwischen dem Leben in San Masseo und im  Alltag  der  Schülerinnen und Schüler legen sie folgende Reihenfolge  fest: Am   bedeutendsten erscheint ihnen, dass die Menschen, die in San  Masseo  leben, auf  „Luxus“ und Eigentum verzichten, wohingegen sie  selbst ihr  Taschengeld nur für  eigene Wünsche ausgeben können. Zweitens  erkennen  sie, dass die Menschen dort  neben geistiger Arbeit auch  körperlich  arbeiten, um die Gemeinschaft zu  versorgen, während sie  selbst  hauptsächlich geistig arbeiten. Schließlich  stellen sie fest,  dass  „man bei uns in Wunstorf sonntags für die Religion Zeit  hat und  sonst  höchstens manche abends beim Beten“, dass in San Masseo der   Bereich  „Glaube“ aber die meiste Zeit des Tages ausmacht und „zum  normalen   Leben dazu gehört“. 
 
 Mit der  Erstellung eines persönlichen,  individuellen Tagesablaufs  wird eine Lebensnähe  hergestellt, durch die  der Unterricht für alle  Lernenden große Bedeutsamkeit  erhält. Auch  die Förderschüler und die  Förderschülerin reflektieren auf diese  Weise  ihren eigenen Tagesablauf,  von dem ausgehend sie Gemeinsamkeiten und   Unterschiede ableiten  können. So werden z.B. die späteren  Aufstehzeiten,  abweichende  Essenszeiten, aber auch unterschiedliche  Tätigkeiten wahrgenommen.  Ein  Förderschüler ordnet dem Nachmittag in  Masseo zielstrebig einen Hammer  als  Symbol für körperliche  Beschäftigungen zu und bringt hiermit auch  sein eigenes  Bedürfnis zum  Ausdruck, selbst noch mehr handwerklich  arbeiten zu dürfen. Alle  drei  Förderschüler trauen sich, auszugsweise  vor der großen Lerngruppe   vorzulesen. Die Mitschüler wissen die großen  Lernerfolge diesbezüglich   inzwischen gut einzuschätzen und hören auch  denen zu, die sich  momentan noch  silbenweise die Wörter und Sätze  erschließen. Der  unterstützende Einsatz von  Schriftvergrößerungen sowie  einer  Lesepappe, die zeilenweise mit verschoben  wird, ermöglichen auch  beim  schnellen Vorlesen ein erstes Mitlesen.
 
 Die  gemeinsame  Stille-Übung ist zu einem sehr wichtigen  Eingangsritual geworden, in   dem die Lernenden mit Kopf, Herz und Hand  an den Lerngegenstand  herangeführt  werden. Die wiederkehrende Stille in  der Gemeinschaft ist  ein verlässlicher  Baustein, der allen  Schülerinnen und Schülern zum  einen Sicherheit und zum  anderen eine  erste Orientierung auf die  Stunde gibt.
Unterrichtsbaustein 2: 
 
 Mit der Schöpfung Gott loben  – der Sonnengesang
 In zwei  Doppelstunden lernen die Schülerinnen und  Schüler den  Sonnengesang des  Franziskus kennen und setzen sich kreativ  mit seinem  Inhalt auseinander, indem  sie heutige Anfragen und ihren  eigenen  Umgang mit den Themen des Sonnengesangs  einbringen.
Kompetenzen
 Alle  Schülerinnen und Schüler schulen in diesen  Doppelstunden  vorrangig ihre  Gestaltungskompetenz, indem sie den Inhalt  des  Sonnengesangs gestalterisch  umsetzen und medial präsentieren.  Hinzu  kommt die Dialogkompetenz, indem sie  die Haltung des Franziskus   gegenüber der Schöpfung unserem heutigen  Alltagsleben gegenüberstellen.
 Stundenverlauf
 
 Doppelstunde 1: 
 Wieder  beginnen wir mit einer Stilleübung. Im Kreis stehend, bei   gedämpftem Licht,  liest eine Lehrerin eine Strophe aus dem Sonnengesang   vor. Das „Redekreuz“  wandert, jede und jeder äußert einen Begriff,  der  hängen geblieben ist. In der  Erarbeitungsphase lesen die  Schülerinnen  und Schüler reihum den Text des  Sonnengesangs vor. Fragen  und Gedanken  zu einzelnen Aussagen werden besprochen  und nach  Strophen geordnet an  der Tafel notiert. In Partnerarbeit übertragen   die Schülerinnen und  Schüler ohne Förderbedarf die Aussagen des  Sonnengesangs  stichwortartig  auf die Person Franz von Assisi, wie sie  ihn bisher kennen  gelernt  haben. Die Schülerin und die Schüler mit  Förderbedarf beschäftigen sich   mit der Aufgabe, den Hauptbegriff in  jeder Strophe herauszuarbeiten. In  der  Pause malen Freiwillige für  jede Strophe ein Symbol an die Tafel.  Nun werden  Dreiergruppen  gebildet und jeder Gruppe eine Strophe sowie  ihr Aufgabenblatt   zugeteilt. In der nächsten Doppelstunde soll jede  Gruppe den Lobpreis  des  Franziskus aufnehmen und in einer Collage  vertiefen (s. M 2). Die  Dreiergruppen  haben Gelegenheit, sich in die  Aufgabenstellung für die  nächste Doppelstunde  einzuarbeiten und  notwendige Verabredungen zu  treffen. Sie können sich von den   Lehrkräften beraten lassen und halten  erste Ideen für die Bearbeitung  der  Aufgabe fest. Am Ende dieser  freien Austauschphase stellt jede  Dreiergruppe  ihre Ideen vor, die von  der Großgruppe ergänzt werden  können.
Doppelstunde 2: 
 In der  heutigen Stilleübung verteilen die Schülerinnen und Schüler   sich im ganzen  Raum. Anklingend an eine Traumreise leitet eine Lehrerin   mit der Imagination  ein, auf einer sonnenbeschienenen grünen Wiese zu   stehen, die warmen Strahlen  auf dem Gesicht zu spüren und sich an der   frischen Luft zu erfreuen. Alle  werden aufgefordert, sich zu dehnen,  zu  strecken und zu recken, dann einfach  still zu stehen und mit   geschlossenen Augen die warmen Sonnenstrahlen zu spüren  und zu umarmen.   Nun liest sie die „Sonnenstrophe“ des Sonnengesangs vor und  führt die   Gruppe schließlich langsam zurück in den Raum. Im Anschluss tragen    Mitglieder aus jeder Kleingruppe ihre Hausaufgabe Teil 1 vor und sagen   ihre Strophe  des Sonnengesangs auf bzw. lesen sie vor. Die   Erarbeitungsphase, in der die  Gruppen von den Lehrkräften unterstützt   werden, dauert bis kurz vor Schluss der  Doppelstunde an. Am Ende werden   Verabredungen für die Ergebnispräsentation  getroffen. Dazu wird   überlegt, in welcher Form die Präsentation der Arbeiten  stattfinden   könnte.
Beobachtungen im Unterricht
Doppelstunde 1: 
 Die Idee  für die Stille-Übung stammt aus dem assoziativ angelegten   Konzept von „Bibel  teilen“. Integration aller gelingt hier besonders   gut, da auch ein Schüler, der  Probleme hat, sich verbal gut   verständlich zu machen, dennoch einen Beitrag  bringt, der vergleichbar   mit allen anderen ist, da er nur ein Stichwort zu  nennen braucht. 
 
 In der  Partnerarbeit und anschließenden Präsentation stellen die   Schülerinnen und  Schüler fest, dass es eine Besonderheit von Franziskus   ist, im Kleinen und  Alltäglichen Gottes Wunderwerk zu erkennen. Hier   stellt ein Schüler explizit  den Zusammenhang zu Integration her, indem   er sagt: „Franziskus geht zu den  Schwachen und hilft ihnen, damit sie   wieder Mut haben und integriert werden.  Und er beschäftigt sich mit   Sachen, die für uns ganz normal sind, und lobt Gott  dafür.“
Doppelstunde 2: 
 Die  Schülerinnen und Schüler arbeiten mit unterschiedlich starkem   Engagement: Die  Mädchen und Jungen sind größtenteils sehr engagiert bei   der ästhetischen  Umsetzung. Einzelnen fällt es schwer, sich lang   andauernd und konzentriert auf  die eigenverantwortliche Gruppenaufgabe   einzulassen. Darum wird im  Stundenverlauf von der Fachlehrkraft der   Impuls gegeben, einen eigenen Text zu  verfassen, der zum Nachdenken   über unsere heutige Haltung zum Thema ihrer  Strophe anregen soll. In   Kleingruppengesprächen, unterstützt von den  Lehrkräften, sprechen alle   Schülerinnen und Schüler über die Umsetzung und  Einarbeitung in die   Collage und verteilen dazu Aufgaben. 
 
 Die  Förderschülerin  arbeitet mit einem weiteren Mädchen zusammen. Die  gemeinsame  Freude am  gestalterischen Tun macht sie zu Lernpartnerinnen  auf ganzer Linie.   Ihr gemeinsames Handlungsziel ist die  Plakatgestaltung der 5. Strophe  des  Sonnengesangs (Lobpreis der  Schwester Wasser).
 
 Ähnlich   verhält es sich in einer Dreierjungengruppe, in der zwei  Schüler  gemeinsam den  Himmel tuschen, während der dritte Schüler den  Mond und  die Sterne vorbereitet  (dritte Strophe des Sonnengesangs).
Je  mehr  Möglichkeiten und Arbeitsformen angeboten  werden, in denen die  Schülerinnen und  Schüler mit und ohne Förderbedarf  zusammen arbeiten  und sich mit ihren  Fähigkeiten sowie Stärken  einbringen können, umso  partnerschaftlicher und  kooperativer handeln  sie. Das Selbstvertrauen  und Engagement der Schülerinnen  und Schüler  ist in diesen Phasen als  insgesamt hoch einzustufen. Jeder Einzelne   trägt mit seinem Beitrag  zum Gelingen der Gruppenaufgabe bei. Während  z.B. ein  Schüler einen  kritischen, verfremdeten Text zur ersten Strophe  schreibt,  arbeiten  die anderen zwei an der Plakatgestaltung weiter.  Nach Hans Wocken   vereinigen solche kooperativen, solidarischen  Lernsituationen „in  höchster Form  alle Gemeinsamkeit stiftenden,  integrationsförderlichen  Faktoren: Die Aufgaben  und Ziele sind  aufeinander bezogen, die  Tätigkeiten und Arbeitsprozesse sind   koordiniert und wechselseitig  abgestimmt, es gibt einen Fundus an  gemeinsamen  Erfahrungen und  Erlebnissen“ (Wocken 1995, S. 12). Alle  Schülerinnen und  Schüler haben  auf ihre Weise konkrete Vorstellungen  von den Naturelementen der   Schöpfung, die sie in der Gestaltung zum  Ausdruck bringen können. 
 
 Doch nicht  alle Lernsituationen können auf der inhaltlichen und   sozialen Ebene derart  kooperativ durchgeführt werden. Manch`   theologische Diskussion um Franz von  Assisi ist für die Förderschüler   und die Förderschülerin in Unterrichtsphasen  mit frontaler Ausrichtung   inhaltlich nicht nachvollziehbar. Um den heterogenen    Lernvoraussetzungen entsprechen zu können, erhalten sie auf der   Grundlage ihrer  individuellen Lernausgangslagen und Förderpläne   differenzierende Angebote durch  die Förderschullehrerin und den   Integrationshelfer. So wird z.B. noch mehr Zeit  benötigt, das Elfchen   zum Menschen als Abglanz Gottes fertig zu stellen, das  Tafelbild zu   Ende abzuschreiben oder die beteiligten Personen am „Gerichtstag  in   Assisi „(Kursbuch Religion, S. 82) aufzuschreiben und zu zeichnen.   Während  nach Hans Wocken die „raumzeitliche Ganzheit der Beteiligten“   zwar erhalten  bleibt, „dominieren also die individuellen Handlungspläne   (…), während die  sozialen Austauschprozesse (…) eher Beiwerk sind“  (S.  4, ebenda). In diesen  Lernsituationen ist immer wieder zu  beobachten,  wie einzelne Regelschülerinnen  und Regelschüler dem  Förderschüler oder  der Förderschülerin am Nachbartisch  kleine  Hilfestellungen geben, ohne  dabei ihre eigenen Ziele aus dem Blick zu   verlieren. Diese Formen der  Unterstützung werden von Hans Wocken als   „subsidiäre Lernsituationen“  (vgl. S. 8, ebd.) bezeichnet. Auch während  der  Gruppenarbeiten helfen  sich die Schülerinnen und Schüler  gegenseitig. Nach nun   zweieinhalbjähriger gemeinsamer Lernzeit  beziehen die Regelschülerinnen  und  -schüler ihre Mitschülerinnen und  -schüler mit Förderbedarf ganz  selbstverständlich  in den  Gruppenprozess mit ein. Sie erklären und  beraten darüber, welche   Aufgaben sinnvollerweise von welchem  Gruppenmitglied übernommen werden  könnten.  Auf diese Weise schulen sie  über das Unterrichtsthema hinaus  ihre eigene  Integrationsfähigkeit. Die  Förderschülerinnen und  Förderschüler orientieren  sich an ihren  gleichaltrigen Mitlernenden  und entwickeln dabei altersgemäße   Interessen sowie Umgangsformen.  Indem sie ihnen in ihrem Lernen  nacheifern  möchten, nehmen sie aber  auch ihr Anderssein wahr und setzen  sich sehr  realistisch mit ihren  eigenen Beeinträchtigungen  auseinander. Das führt nicht  selten auch zu  Enttäuschungen und  Frustrationen, die Dank der Arbeit im   multiprofessionellen Team bislang  gut aufgefangen und begleitet werden  konnten.
Im Anschluss an die Ergebnispräsentation innerhalb des Religionskurses ist eine schulinterne Ausstellung des Sonnengesangs geplant, die noch einmal sehr anschaulich die Vielfalt des integrativen Religionsbandes visualisieren wird.
|               M 2 Aufgabe: Überlegt  euch, welches Element oder welche  Personen  in eurer Strophe gepriesen  werden. Welche Rolle spielt dieses  Element/solche  Personen in unserem  heutigen Leben? Wofür brauchen wir  es? Wie gehen wir mit  ihm um?  Siehst du Probleme im Zusammenhang mit  ihnen? Wie würde Franz von   Assisi heute vor Gott über dieses Element  sprechen? Wie würdet ihr es  tun? Hausaufgabe: Für Schülerinnen und Schüler ohne Förderbedarf: 
 Für die Schülerin und die Schüler mit Förderbedarf: 
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 Literatur
- Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil II Nr. 35: Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 sowie über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, ausgegeben zu Bonn am 31. Dezember 2008, www.bundesgesetzblatt.de
 - Niedersächsisches Kultusministerium 2009: Kerncurriculum für das Gymnasium Schuljahrgänge 5 – 10, Evangelische Religion
 - Niedersächsisches Kultusministerium: Klassenbildung und Lehrerstundenzuweisung an den allgemein bildenden Schulen, Schulverwaltungsblatt 8 / 2011
 - Niedersächsisches Kultusministerium: Grundsatzerlass Sonderpädagogische Förderung, Schulverwaltungsblatt 2 / 2005
 - Schöler, Jutta: Geistig Behinderte am Gymnasium – Integration an der Schule für „Geistig Behinderte“. BIDOK 2009
 - Schöler, Jutta: Leitfaden zur Kooperation von Lehrerinnen und Lehrern – nicht nur in Integrationsklassen. Heinsberg: Dieck 1997
 - Sozialverband Deutschland: UN-Behindertenrechtskonvention_ umsetzen.pdf
 - Wocken, H.: Gemeinsame Lernsituationen. Eine Skizze zur Theorie des gemeinsamen Unterrichts. In: Hildeschmidt, A. /Schnell, I. (Hrsg.): Integrationspädagogik. Auf dem Wege zu einer Schule für alle. Weinheim, München 1998, S. 37-52