Symbolische Landkarten gestalten

von Esther Rauhaus

 

Ein Weg zum elementaren Theologisieren mit Jugendlichen

 

"Ich denke, eine sehr wichtige Sache im Leben eines Menschen ist ein Zuhause. Ein Ort, an dem man sich geborgen und sicher fühlt. Ich kann mich zu Hause am besten entspannen, eben weil ich mich geborgen fühle und alle Neugier gestillt ist. Alles um mich rum ist mir bekannt und es gibt nichts, was mich ablenkt. Irgendwann aber wird es zu Hause langweilig, alles ist eintönig, man bekommt Fernweh, will raus und etwas Neues erleben. Es ist sicherlich wichtig, diesen Durst zu stillen und neugierig zu sein, doch es ist dabei auch wichtig zu wissen, wo man anschließen will und wohin man wieder zurückkehrt.

Ein Zuhause muss nicht unbedingt die Wohnung oder das Haus sein, in dem man wohnt. Viele junge Leute, die sich nach der Schule eine eigene Wohnung suchen, sagen immer noch: ‚Ich fahre nach Hause‘, wenn sie am Wochenende ihre Eltern besuchen. Vielleicht ist es einfach nur Gewohnheit, aber ich denke, es liegt auch daran, dass man an einen Ort fährt, mit dem man Erinnerungen verbindet und Menschen sieht, mit denen man aufgewachsen ist.

Ich glaube, wenn man ein sicheres Zuhause hat, mit Menschen, die man liebt und von denen man geliebt wird, entsteht daraus auch Hoffnung. Auch wenn man etwas nicht schafft, hierher kann man zurückkehren und hat einen Rückhalt."

So schrieb eine Schülerin des 11. Jahrgangs über die Sehnsucht nach dem Aufbruch, die zugleich verbunden ist mit der Sehnsucht nach einem Zuhause. Im Rahmen einer Unterrichtsreihe, in der Jugendliche sich anhand von selbst gestalteten Landkarten zu abstrakten Begriffen im Theologisieren erprobt haben, hat sie Ausdruck gefunden für die Sehnsucht nach Aufbruch und Geborgenheit zugleich.

 

Elementares Theologisieren

Bildung ist mehr als Wissensvermittlung, sie schließt besonders im Religionsunterricht das Sich-Herausbilden-Lassen von Persönlichkeit mit ein. Deshalb muss Raum gegeben werden für das Spekulieren, Philosophieren, Theologisieren über den Sinn des Lebens.

Im Primarbereich reicht die Tradition des Philosophierens mit Kindern bis zur Reformpädagogik Hermann Nohls zurück. Seit einigen Jahren werden Überlegungen zum Theologisieren mit Kindern verstärkt in den Jahrbüchern der Kindertheologie angestellt. Die Kindertheologie stellt einen Perspektivwechsel dar, der eine veränderte Sicht auf das Kind sowie einen erweiterten Theologiebegriff zur Voraussetzung hat.1

Friedrich Schweitzer hat den Blick von der Kindertheologie auf die Theologie Jugendlicher erweitert.2 In der Kindertheologie sind drei Blickrichtungen zu unterscheiden, die ich in Analogie zu Schweitzer auf Jugendliche übertrage: die Theologie für Jugendliche als ein von außen angebotenes Wissensangebot, die Theologie mit Jugendlichen als "eine dialogische Form des Theologietreibens"3 zwischen Lehrenden und Jugendlichen sowie die Theologie von Jugendlichen als eine Form, Theologie selber zu produzieren und damit die "kühnste Form"4 der Jugendtheologie.

Mein Anliegen ist nicht, das Theologisieren einer Lehrenden mit Jugendlichen vorzustellen. Vielmehr geht es um ein Theologisieren von Jugendlichen. Schülerinnen und Schüler der Oberstufe geraten dabei miteinander ins Theologisieren, betreiben also selbst elementares Theologisieren. Elementares Theologisieren meint nicht nur das Reden über einen bestimmten Gegenstand, sondern ist nach meinem Dafürhalten eine Weise des Lernens. Es geht um die Fragen, die die Menschen schon immer bewegt haben, weil sie das Menschsein an sich betreffen und darin, weil sie uns unbedingt angehen, mehr sind als individuelle Fragen.

"Das denkende Erstaunen spricht im Fragen".5 Oberthürs Beobachtung ist, dass Kinder, die angeregt werden, Fragen zu stellen, immer auch zentrale theologische Inhalte berühren.6 Ziel des elementaren Theologisierens ist nicht, möglichst schnell eine abschließende Antwort zu finden, denn unbedingte oder letzte Fragen sind immer wieder zu beantworten und zu hinterfragen. Im Nachdenken und im Austausch über diese formulierten Fragen geschieht das, was ich mit elementarem Theologisieren meine. Diese Weise, mit Wissen umzugehen, ist anders als das sonst in der Schule häufig übliche Lernsetting. Indem es aber um Fragestellungen, Herausforderungen und Zumutungen geht, kann ein solches Vorgehen im Religionsunterricht im Idealfall zur "Grundlage eines lebenslangen religiösen Lernens werden"7.

 

Die Jugendlichen

Schülerinnen und Schüler der Oberstufe können ebenso wie Kinder im Primarbereich, wo "Theologisieren" zu einem festen Begriff zu werden scheint, von dieser Methode profitieren. Schülerinnen und Schüler brauchen nicht nur die Reflektion fremder Ansichten, sondern auch ein Vertiefen in die eigene religiöse Vorstellung. Denn für eine differenzierte Beschäftigung mit Meinungen und Haltungen Anderer ist es klärend, sich immer auch selbst zu befragen. Daneben scheint gerade die Landkarte ein Medium zu sein, das den Nerv von Jugendlichen trifft. Landkarten zeigen Wege auf und sind dadurch eng mit dem Symbol der Reise verbunden. Menschen befinden sich in unterschiedlichen Lebensphasen auf der Reise, sind in Entwicklung. Für Jugendliche in der Oberstufe stellen sich aber vermehrt Fragen nach dem Woher und Wohin. In der selbst gestalteten symbolischen Landkarte können Jugendliche Ambivalenzen in ihren Sehnsüchten z. B. nach Aufbruch und Heimat Ausdruck verleihen und gleichzeitig Orientierung finden.

 

Symbolische Landkarten

Symbolische Landkarten können Erfahrungen bildhaft verdichten. Jean Klare und Louise van Swaaij haben mit dem "Atlas der Erlebniswelten" eine Sammlung symbolischer Landkarten herausgegeben.8 Es sind physiographische Landkarten von Phantasielandschaften. Jede Karte des Atlas‘ hat einen abstrakten Begriff zur Überschrift, der mit seinen Konnotationen, Assoziationen oder auch Widersprüchlichkeiten visualisiert wird, indem die Legende physiographischer Landkarten verwendet wird. Landkarten geben Orientierung, sie laden aber auch ein, sie gedanklich zu bereisen, ihre Details zu entdecken, zu staunen, Verknüpfungen herzustellen, zu fragen. Geographische Einträge oder die Farbgebung einer Karte bieten eine Vielzahl affektiver Implikationen. Bei der Gestaltung einer Karte können neben rein kognitiven Verknüpfungen auch affektive Inhalte zum Ausdruck gebracht werden. Insofern reicht die symbolische Landkarte über ein Mind-Map hinaus. Das Gestalten einer symbolischen Landkarte bietet die Möglichkeit, einen Einstieg in eine zunächst verborgene Gedankenwelt zu wagen, der zunächst nicht einer theoretisch fundierten Verbalisierung bedarf. Wenn die Schülerinnen und Schüler die symbolischen Landkarten in Gruppen gestalten, dienen die Karten als Initiator für erste Ansätze des elementaren Theologisierens. Eine Herausforderung stellt es dar, wenn Schülerinnen und Schüler in einem zweiten Schritt den Symbolgehalt eigener gestalterischer Produkte zu entschlüsseln versuchen und über ihre je eigenen Deutungen kommunizieren.

 

 

Das Vorgehen

Andere Umgangsweisen als das hier dargestellte Verfahren mit selbst gestalteten symbolischen Landkarten sind denkbar; auch sind weitere Zugänge zum elementaren Theologisieren möglich. Immer aber ist von der Lehrkraft ein großes Maß an Offenheit für die Ergebnisse nötig.

 

Einstieg

Den Einstieg kann ein Schreibgespräch zu der Frage "Warum reisen wir?" bilden. Drei Auszüge aus einem Schreibgespräch eines Religionskurses der Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule in Göttingen zeigen, dass sich die Beobachtung Oberthürs, zentrale theologische Inhalte klängen an, sobald das Fragen Raum bekomme, bestätigt:

"Um einen Ort zu finden, wo wir uns richtig und rundum wohl fühlen" – "Können wir das Zuhause nicht…?" – "Nein, da dort meistens Probleme sind!"

"Weil wir Fernweh haben!" – "Und woher kommt Fernweh?" – "Vielleicht weil man schon mal irgendwo war und möchte dort um jeden Preis wieder hin. Vielleicht hat man das Gefühl, dort noch etwas machen zu wollen." – "Ich denke, dass man dort dem persönlichen Paradies näher ist!"

"Trotzdem glaube ich, dass wir etwas suchen. Theologisch möglicherweise das Paradies, und das ist meist nicht zu Hause!" – "Also reisen wir, um das Paradies zu finden?" – "Ja, ich glaube, das eigene ganz persönliche Paradies." – "Und wie könnte das aussehen?" – "Wärmer!"

 

Gestaltungsphase

Aus ihren Äußerungen im Schreibgespräch wählten die Schülerinnen und Schüler anschließend Schlüsselbegriffe aus. Die Schlüsselbegriffe hingen zur Auswahl aus, und das Vorgehen für die nächsten Unterrichtsstunden wurde von mir mit Hilfe einer symbolischen Landkarte zur Unterrichtseinheit erläutert. In Kleingruppen wählten Schülerinnen und Schüler aus den Schlüsselbegriffen diejenigen aus, zu denen sie in den folgenden beiden Doppelstunden mit Buntstiften und Kreiden sowie mit Hilfe der Legende aus dem "Atlas der Erlebniswelten" symbolische Landkarten entwarfen, z.B.: Chaos, Neugierde, Fernweh, Entspannung, Hoffnung. Die Überschriften der Karten hätten auch vorgegeben werden können.

Die Gruppenarbeitsphase wurde am Ende der ersten Doppelstunde durch eine kurze Feed-Back-Phase unterbrochen: Alle Karten wurden ausgehängt, obwohl sie noch nicht fertig waren. Nun schrieb jeder zu den Karten der anderen eine kleine Rückmeldung: Was leuchtet mir ein? Welche Teile der Karte sind mir unverständlich? Diese Rückmeldungen wurden von der jeweiligen Gruppe beim weiteren Gestaltungsprozess berücksichtigt. Schon während des Gestaltens der Karten fanden in den Gruppen zum Teil hochinteressante Gespräche statt. Besonders die Gruppen, die beim Zeichnen intensive Gespräche führten, äußerten den Wunsch, mehr Zeit zur Verfügung zu haben.

 

Beispiel für eine symbolische Landkarte

Zum Begriff "Fernweh" sind drei Inseln entstanden, die durch den Strom der Sehnsucht miteinander verbunden sind. Man könnte sie folgendermaßen deuten:

 

(a) Die verlorene Insel
Die einzige Stadt dieser Insel heißt Erinnerung. Die Insel ist zweigeteilt. Links eine Wüstenlandschaft mit den Regionen Unzufriedenheit, Schmerz und Verlust. Die rechte Seite ist eine satt grüne Wald- und Flurlandschaft, in der die Zufriedenheit liegt, und die an die Bucht der Hoffnung grenzt. Die Verbindung zwischen beiden Teilen der Insel ist der Weg Finden. Die Insel stellt die positiven und die negativen Erinnerungen dar und die Sehnsucht danach, das verlorene wiederzugewinnen.

 

(b) Die zu findende Insel
Der Hoffnungssee der Insel wird gespeist von den Träumen, ein Rinnsal aus dem See ergießt sich ins Meer. Es gibt einen Weg, der sich an einer Stelle gabelt. Der Weg der Enttäuschung führt ins Nichts, knapp vorbei an blühenden Bäumen und Blumen. Der Weg Finden führt zum Haus Zufriedenheit. Man trifft von hinten auf die Zufriedenheit und kann durch weit geöffnete Tore auf die Wiese mit blühenden Pflanzen treten. Das blühende Leben liegt vor einem.

 

(c) Die Insel der ewig Suchenden
Diese Insel ist eine in gelb gehaltene Wüstenregion, durch die sich ein tiefschwarzer Weg zieht. Der Weg führt im Kreis und heißt nicht Finden wie auf den anderen Inseln sondern Suchen. Der Weg führt vorbei an Einsamkeit, Alleinsein, Enttäuschung und Fata Morgana. Das einzige Ende, das vom Rundweg wie ein Wurmfortsatz abzweigt, ist die Salzwüste Schmerz.

Unsere Sehnsucht nach dem anderen Ort entfaltet sich in drei Richtungen, denen drei zeitliche Dimensionen zugeordnet sind: Vergangenheitsbezug, Zukunftsorientierung in Form einer Verheißung und eine Gegenwart, die "ewig" zu dauern droht. Unsere Erinnerungen geben uns den Impuls, aufzubrechen. Entweder treffen wir bei unserer Reise auf ein neues Zuhause, einen luftigen, großzügigen, aber geschützten Ort, von dem aus wir auf das Wachsen und die Lebendigkeit treffen. Wählen wir aber den Weg, der an keinem Ziel endet, so sind wir enttäuscht, weil wir auf diese Weise nicht ankommen können. Gehören wir zu denen, die nie ankommen, nie zur Ruhe kommen können, laufen wir einsam im Kreis und unsere Träume erweisen sich als unrealistisch. Schlimmstenfalls verliert sich unser Weg im tiefen Empfinden der enttäuschten Hoffnungen, dem Schmerz. In den drei Inseln kommen die Suche nach mir selber und meinen Wurzeln zum Ausdruck, dazu die Sehnsucht nach der Verheißung nach dem Paradies und die Angst vor Einsamkeit und Sinnleere.

 

Vertiefung I: Schreibmeditation

Nachdem die Gestaltung der Karten abgeschlossen war, wurden sie im Kurs ausgestellt, und jeder wählte sich für die nächste Unterrichtsphase eine andere Karte aus. Nachdem die Schülerinnen und Schüler sich für einen der angebotenen Schreibaufträge entschieden hatten, folgte eine Schreibmeditation mit Musik. Der Arbeitsauftrag war folgendermaßen formuliert:

Du hast verschiedene Möglichkeiten, dich gedanklich durch die Landschaft auf der Landkarte zu bewegen. Wähle eine der Schreibanregungen aus! Du kannst…

  • einen Reisebericht aus der Sicht einer bestimmten Person schreiben, die sich in dem Bericht auch vorstellen könnte,
  • deine persönlichen Reiseeindrücke in Form eines Tagebuches festhalten.
  • einen Brief eines/r Bewohners/in der Landschaft verfassen,
  • ein Gedicht über deine Reise durch die Landschaft schreiben oder
  • einen Vortrag zu der Landschaft vorbereiten. Stelle dir dafür vor, du seiest Museumsführer/in und hättest die Aufgabe, die Landschaft vorzustellen. Ausführlich beschreibst du, wie das Bild zu deuten sei.

Suche dir einen Ort in der ausgewählten Landschaft aus. Begib dich in Gedanken dorthin. Verweile zunächst dort, schreibe Gedanken, Fragen, Gefühle auf, die dir an diesem Ort kommen. Begib dich anschließend auf eine Reise durch die Landschaft. Halte deinen Weg, deine Erlebnisse, Fragen und Gedanken, die dir auf der Reise kommen, fest. Versuche deine Überlegungen möglichst weit zu entfalten.

Die folgenden Fragen sollen dir als Anregung für deine Gedankenreise dienen:

  • Woher komme ich?
  • Wohin will ich reisen?
  • Welche Wege wähle ich?
  • Wo halte ich inne/bleibe ich länger?
  • Welche Fragen stellen sich mir an den jeweiligen Reiseetappen?
  • Welche Gedanken kommen mir an den einzelnen Orten?
  • Was erlebe ich dort?
  • Gibt es Ängste und Sorgen?
  • Löst etwas in mir Freude aus?
  • Habe ich einen Lieblingsort?
  • Was gefällt mir an diesem Ort besonders?
  • Vermeide ich einen bestimmten Ort?
  • Wie kann ich mir mein Unbehagen an einem Ort erklären?
  • Welche Schwierigkeiten ergeben sich auf meiner Reise?
  • Was könnte ich jemandem raten, der auch eine Reise in diese Gegend unternehmen will?

 

Beispiel für eine Schreibmeditation

Eine Schülerin hat zu der Karte "Fernweh" folgendes Gedicht verfasst: 

Fernweh

Farblose Häuser,
graue Straßen,
geeilte Menschen
an Häusern, ohne jeglichen Ausdruck,
in Straßen vorbeilaufend
durch einen blauen Himmel mit dem Weiten verbunden.

Vom Blau getragen,
schmerzhaft die Trennung vom vertrauten Farblos,
hinein ins Unbekannte
das Blau scheint fade,
anblickend die volle Blüte.

Bunte Häuser,
farbenfrohe Straßen,
freudige Menschen,
mit lachenden Gesichtern durch die Straßen spazierend
durch einen tiefblauen Himmel mit den Weiten verbunden.

Vom Blau getragen,
vorfreudig und doch voller Schmerz,
hinein ins Unbekannte,
das reine Blau –
erhellt die verlassene Umgebung.

Graue Häuser,
betonierte Straßen
von ausdruckslosen Personen durchquert, dunkelgrau der Himmel
von einem Sonnenstrahl durchbrochen
freigebend den Blick auf das Unendliche.

 
Vertiefung II: Reflexion und Überarbeitung

In der folgenden Unterrichtsstunde konnten die Schülerinnen und Schüler einen Schritt gehen, der je nach Entwicklungsstand einigen leichter, anderen schwerer fiel. Nach einer Feed-Back-Runde arbeiteten sie die Kernaussagen ihrer eigenen Texte in Gruppenarbeit heraus und entdeckten die darin enthaltenen Sinnfragen oder auch Aussagen über den Sinn des Lebens, welche sie notierten. Dafür war es unerlässlich, im Unterrichtsgespräch zu klären, dass "Sinnfragen des Lebens" oder die "großen Fragen der Menschheit" (Oberthür) Fragen sind, die die Menschheit schon immer bewegt haben, dass sie eine Korrelation aufweisen zu dem, "was uns unbedingt angeht" (Tillich). Auch in dieser Phase der Reihe gab es in den Gruppen vertiefende Ansätze zum elementaren Theologisieren.

Im PC-Raum erhielten die Schülerinnen und Schüler in der folgenden Doppelstunde die Gelegenheit, mit Hilfe des Grafik-Menüs von "Word" ihre Landkarte mit zentralen Fragen und Gedanken aus ihren Texten zu ergänzen. Die erweiterten Karten waren dann Grundlage für die Präsentation zum Abschluss der Reihe.

 

Abschluss: Präsentation und Bewertung

Zur Vorbereitung der Präsentation wurde im Plenum überlegt, welche Möglichkeiten es gibt, etwas so einladend vorzustellen, dass der Rest der Gruppe nicht nur passives Publikum ist, sondern wirklich mit einsteigt und die "Reiseroute" mitdenkt. Die Schülerinnen und Schüler stellten in einer Doppelstunde zum Abschluss ihre Gedankenreise den anderen vor und luden sie zur Diskussion ein.

Für die Präsentation haben die Schülerinnen und Schüler ihre Gruppenleistungen gegenseitig bewertet, wobei ich mir (überflüssigerweise) ein Veto-Recht vorbehalten hatte. Für die Gruppenarbeitsphasen "Gestaltung der Karte" und "Vorbereitung der Präsentation" habe ich differenzierte Rückmeldungen geschrieben und eine Poolnote9 erteilt, die die Schülerinnen und Schüler gruppenintern untereinander aufteilten.

 

Metareflexion der Arbeit mit symbolischen Landkarten

Die Jugendlichen haben die Arbeitsform in einer abschließenden Befragung als ertragreich bewertet. Gesprächssituationen in der Kleingruppe, in Plenumssituationen im Unterricht, in der Präsentationsphase oder auch Gespräche mit Schülerinnen und Schülern aus anderen Kursen in gemeinsamen Pausen- und Arbeitsbereichen der Schule zeigten eine große Resonanz und waren teilweise von intensiver inhaltlicher Auseinandersetzung geprägt.

Meiner Beobachtung nach ergaben sich für die leistungsstärkeren und die leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler zwei unterschiedliche Verläufe. Während die Abstraktions- und Redefreudigeren schon während des Gestaltens der symbolischen Landkarten in Gruppenarbeit zu tiefgründigen Gesprächsinhalten gefunden hatten, ist es denjenigen, die eher Schwierigkeiten haben zu abstrahieren, teilweise erst nach Hilfestellung gelungen, elementares Theologisieren zu praktizieren. Für die einen war schon der Prozess des Zeichnens Impuls gebend, weil sie schon an dieser Stelle abstrahieren und Fragen aufwerfen konnten, die über sich hinauswiesen. Ein anderer Teil der Gruppe brauchte methodische Hilfestellung, um das "Transzendente im Alltäglichen" überhaupt zu entdecken. Im Rahmen einer Unterrichtsreihe, die sehr viel Offenheit und Selbstständigkeit erforderte, sollten unterschiedliche Vorgehensweisen und Bedürfnislagen der Schülerinnen und Schüler nicht aus dem Blick geraten, weil nur durch Hilfestellung an entsprechender Stelle die Reihe ertragreich verläuft.

Ich plädiere dafür, nach weiteren Möglichkeiten zu suchen, das elementare Theologisieren auch und besonders in der Oberstufe einzuüben und auszubauen.

 

Anmerkungen

  1. Bucher, Anton A.: Kindertheologie: Provokation? Romantizismus? Neues Paradigma?, in: Jahrbuch für Kindertheologie, Band I, Stuttgart 2002, S. 9-28.
  2. Schweitzer, Friedrich: Auch Jugendliche als Theologen? Zur Notwendigkeit, die Kindertheologie zu erweitern, in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie 1/2005, S. 46-53.
  3. Schweitzer, Friedrich: Auch Jugendliche als Theologen? Zur Notwendigkeit, die Kindertheologie zu erweitern, in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie 1/2005, S. 47.
  4. Härle, Wilfried: Was haben Kinder in der Theologie verloren? Systematisch-theologische Überlegungen zum Projekt einer Kindertheologie, in: Jahrbuch für Kindertheologie, Band III, Stuttgart 2004, S. 11-27.
  5. Oberthür, Rainer: Kinder und die großen Fragen. Ein Praxisbuch für den Religionsunterricht, München 1995, S. 17.
  6. Oberthür, Rainer: Kinder und die großen Fragen. Ein Praxisbuch für den Religionsunterricht, München 1995, S. 14-16.
  7. Oberthür, Rainer: "Ohne Fragen würde der Religionsunterricht nicht entstehen". Ein Beispiel zeitgemäßer katholischer Religionspädagogik, in: Wermke, Michael (Hg.): Aus gutem Grund: Religionsunterricht, Göttingen 2002, S. 166.
  8. Klare, Jean/van Swaaij, Louise: Atlas der Erlebniswelten, Frankfurt/Main 2000.
  9. Mit einer Poolnote wird die Gesamtleistung der Gruppe bewertet. Die Gruppe erhält eine bestimmte Anzahl von Punkten, die die Schülerinnen und Schüler entsprechend der Einzelleistung nach dem Konsensprinzip unter sich aufteilen und von mir als Notenpunkte notiert werden. Vorher werden die Kriterien für gute Gruppenarbeit besprochen. Eine Vierergruppe, die insgesamt gut gearbeitet hatte, erhielt von mir z.B. 44 Punkte. Die Gruppe hat sich darauf geeinigt, dass je zwei Schülerinnen 13 Punkte erhielten, wohingegen die anderen einmal 10 und einmal 8 Punkte bekamen. Diese Punkte für jeden einzelnen entsprechen dann den Notenpunkten für die Gruppenarbeitsphase.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 2/2006

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