Dieser Artikel basiert auf dem interaktiven Bühnenprogramm „KI-Expedition: Entdecke die Welt der Künstlichen Intelligenz! Ein interaktives Bühnenabenteuer“, das im Rahmen des Schülerforums 2024 unter dem Motto „Wir haben alle Zukunft“ präsentiert wurde. Der Artikel bietet eine praxisorientierte Anleitung zur Integration von KI in die Jugendarbeit und beleuchtet deren Potenziale und Herausforderungen.
Warum KI in der Jugendarbeit unverzichtbar ist
Die Lebenswelt junger Menschen ist heute stark digitalisiert und prägt ihre Alltagserfahrungen. Künstliche Intelligenz (KI)1 ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie beeinflusst zahlreiche Lebensbereiche junger Menschen, wie z.B. Musikempfehlungen, Social-Media-Algorithmen oder Tools wie ChatGPT und erfordert daher eine Auseinandersetzung mit dem Thema.2 Die „International Computer and Information Literacy Study“ (ICILS) 20233 zeigt jedoch, dass viele Jugendliche zwar digitale Tools nutzen, oft aber nicht über eine fundierte Medienkompetenz verfügen. Dies kann dazu führen, dass Technologien wie KI unreflektiert angewendet und deren Wirkmechanismen unkritisch antizipiert werden. Eine Aufgabe in der Jugendarbeit wird daher zukünftig auch darin bestehen, jungen Menschen die technischen Grundlagen von KI zu vermitteln, ethische Fragestellungen aufzuwerfen und kreative Nutzungsmöglichkeiten zu vermitteln.
Hauptberuflich Mitarbeitende der Jugendarbeit sind in dieser Hinsicht besonders gefordert, da sie als Bindeglied zwischen den technologischen Entwicklungen und der Lebenswirklichkeit junger Menschen fungieren.4 Neben der Vermittlung von Wissen ist es von entscheidender Bedeutung, eine kritische Haltung zu fördern, die jungen Menschen hilft, nicht nur Konsument*innen, sondern aktive Gestalter*innen im digitalen Raum zu werden.5
Der Einstieg: KI begreifbar machen
Ein geeigneter Einstieg in die Thematik ist dabei von entscheidender Bedeutung. Er sollte die Komplexität des Themas KI aufgreifen und interaktiv gestaltet sein, um das Interesse der Jugendlichen zu wecken. Mit Tools wie Mentimeter6 oder Slido7 lassen sich Diskussionen interaktiv gestalten und vorhandenes Vorwissen einbeziehen. Durch die Integration von Fragen wie „Habt ihr schon einmal KI genutzt?“ oder „Wie würdet ihr KI einem Freund erklären?“ können Jugendliche ihr Wissen einbringen und Hemmschwellen abbauen. Die Antworten bieten gleichzeitig wertvolle Hinweise für die Gestaltung weiterer Einheiten.
Ein besonders wirkungsvolles Format ist die „Fake oder Echt?“-Challenge: Mithilfe von KI-Tools wie DALL·E8 können die Teilnehmenden erraten, ob Bilder oder Texte von Menschen oder Maschinen erstellt wurden. Diese Übung sensibilisiert für die Allgegenwärtigkeit von KI und eröffnet Diskussionen über deren Einfluss auf die Wahrnehmung der Realität. Ergänzend können Plattformen wie DeepAI9 genutzt werden, um KI-generierte Kunstwerke zu erstellen und zu analysieren.
Wie funktioniert KI? Grundlagen verständlich erklären
Die Vermittlung der Grundlagen der KI ist ein wesentlicher Aspekt, um die Teilnehmenden für das Thema zu sensibilisieren. Eine spielerische Methode ist die Simulation eines neuronalen Netzwerks.10 In diesem Szenario agieren die Jugendlichen als „Neuronen“, die Informationen weiterleiten und kooperieren, um Entscheidungen zu treffen, wie beispielsweise die Frage zu beantworten, ob auf einem Bild eine Katze zu sehen ist oder nicht. Diese anschauliche Methode verdeutlicht die Art und Weise, wie KI-Daten verarbeitet und Muster erkennt.
Ergänzend können digitale Animationen eingesetzt werden, wie sie beispielsweise auf der Seite „Was ist ein neuronales Netz?“11 erläutert werden. Für einen eher kreativen Zugang bietet sich suno.ai12 an: Hier können Jugendliche Songtexte schreiben, die von einer KI vertont werden. Solche Aktivitäten kombinieren technisches Lernen mit künstlerischem Ausdruck und machen die Vielseitigkeit von KI greifbar.
Praktische Übungen und kreative Tools
Zur Vertiefung des erlangten Wissens bieten sich verschiedene praxisorientierte Übungen an:
Prompting-Übungen mit ChatGPT
Eine zentrale Kompetenz im Umgang mit KI ist die Fähigkeit, präzise Eingaben („Prompts“) zu formulieren. Es empfiehlt sich, die Jugendlichen ausprobieren zu lassen, wie die Fragestellungen die Qualität der Antworten beeinflussen.
Beispiele:
- „Schreibe eine Geschichte über KI, die ein Umweltproblem löst.”
- „Erkläre KI in einem Rap-Song.”
Solche Übungen fördern nicht nur das technische Verständnis, sondern auch Kreativität und Problemlösungskompetenz. Um die Übung zu erweitern, könnten Jugendliche ihre eigenen Prompts entwickeln und in einem Wettbewerb die originellsten Ideen prämieren.
Design und Videos mit KI
Im Bereich Design und Videos können Jugendliche KI-Tools wie Canva13 oder Runway ML14 verwenden, um KI in kreativen Projekten einzusetzen. So können beispielsweise Poster oder kurze Videos erstellt werden, die die Vision einer von KI geprägten Zukunft darstellen. Ergänzend bietet das Tool Fotor15 Funktionen zur KI-basierten Bildbearbeitung, die ebenfalls in Projekten eingesetzt werden können.
KI und mentale Gesundheit
Im Bereich der mentalen Gesundheit zeigt sich das Potenzial von KI in Anwendungen wie Woebot16. Diese Anwendungen regen zur Reflexion darüber an, wie KI auch im Bereich der psychischen Gesundheit unterstützend wirken kann und wie Technologie verantwortungsvoll genutzt werden kann, um das Wohlbefinden zu fördern. Eine alternative Anwendung wie Replika17 kann verwendet werden, um KI-gestützte Gespräche zu simulieren und das Thema emotionale Intelligenz durch KI zu erkunden.
Pädagogische Perspektiven auf KI
Aus pädagogischer Perspektive ist die Integration von KI in die Jugendarbeit nicht nur eine Frage der Technologie, sondern vor allem eine Frage der Bildungsgerechtigkeit und des kritischen Denkens. Jugendliche sollen nicht nur die Fähigkeit erwerben, KI zu nutzen, sondern auch deren Auswirkungen auf Gesellschaft, Arbeitswelt und zwischenmenschliche Beziehungen zu reflektieren. Eine zentrale Bildungsaufgabe besteht darin, junge Menschen zu ermutigen, Verantwortung für die Gestaltung der digitalen Zukunft zu übernehmen.18
Ein bewährtes Konzept in diesem Zusammenhang ist die „Digital Literacy“, also die Fähigkeit, digitale Technologien kompetent und kritisch anzuwenden. In der Jugendarbeit können dazu Workshops angeboten werden, die nicht nur technische Kompetenzen vermitteln, sondern auch ethische Fragen und gesellschaftliche Auswirkungen von KI beleuchten.
Ethik und Verantwortung in der Arbeit mit KI
Die Auseinandersetzung mit der Thematik der ethischen Verantwortung in der Arbeit mit KI erfordert eine fundierte ethische Reflexion, da diese Technologien tief in gesellschaftliche Strukturen eingreifen. Aus theologischer Perspektive steht dabei die Frage im Mittelpunkt, inwiefern KI zur Förderung des Gemeinwohls beitragen kann. Ethik in der Jugendarbeit bedeutet in diesem Kontext, Jugendlichen die Werte zu vermitteln, die hinter KI-Systemen stehen sollten: Fairness, Transparenz und Verantwortung.
Von besonderer Relevanz ist in diesem Zusammenhang die Frage, wie Algorithmen so gestaltet werden können, dass sie Diskriminierung vermeiden und soziale Ungerechtigkeiten nicht verstärken.19 Ein Praxisbeispiel könnte die Analyse von bias-behafteten KI-Anwendungen20 sein: Die Jugendlichen könnten sich mit Beispielen befassen, bei denen Algorithmen fehlerhafte oder diskriminierende Entscheidungen getroffen haben, und diskutieren, wie solche Systeme verbessert werden können.
In der Jugendarbeit sollte die Reflexion über KI immer auch mit der Frage nach der menschlichen Verantwortung einhergehen: Wie setzen wir Technologie ein, um die Lebensbedingungen aller Menschen zu verbessern? Eine solche Diskussion trägt nicht nur zur Wertebildung bei, sondern stärkt auch die Selbstwirksamkeit junger Menschen.
KI als Werkzeug, nicht als Ersatz
Schließlich ist es wichtig, jungen Menschen zu vermitteln, dass KI ein Werkzeug ist, das menschliche Entscheidungen unterstützt, sie aber nicht ersetzen kann. Gemeinsam entwickelte Leitlinien könnten lauten:
- „KI hilft, aber der Mensch entscheidet.“
- „Ich hinterfrage die Ergebnisse von KI kritisch.“
Diese Prinzipien fördern die Mündigkeit und bereiten junge Menschen auf verantwortungsvolles Handeln in einer digital geprägten Welt vor.
Theologische Reflexion
Die Frage, wie die fortschreitende Entwicklung und Implementierung von KI in den Alltag weiter durchdringen und tiefgreifende Implikationen für die Definition und Wahrnehmung des Menschen mit sich bringen wird, wird neben der theologischen Fachliteratur21 u.a. auch im Film und in der Science-Fiction-Literatur vielfältig diskutiert. Hier finden sich zahllose Utopien und Dystopien, in denen der Einfluss von KI das traditionelle Menschenbild erheblich transformiert, indem sie menschliche Fähigkeiten in den Bereichen Intelligenz, Kreativität und Entscheidungsfindung nachahmt oder gar übertrifft.
Gemeinsam ist diesen fantasievollen Erzählungen die Relativierung einer anthropozentrischen Perspektive, welche den Menschen zunehmend als eine biologische Entität betrachtet, die in Konkurrenz zu oder in Symbiose mit algorithmischen Systemen steht. Diese Inszenierungen thematisieren die Infragestellung der besonderen Stellung des Menschen als autonomes und einzigartiges Wesen. Aus christlicher Perspektive spitzt sich diese Anfrage drastisch zu.
Das christliche Menschenbild, in dessen Zentrum die Vorstellung der Gottebenbildlichkeit des Menschen (Imago Dei) steht, wird durch diese technologischen Veränderungen in spezifischer Weise herausgefordert. Während sie die unveräußerliche Würde des Menschen, seine Freiheit, seine Vernunft, seine Kreativität und seine moralische Verantwortlichkeit betont, relativiert die fortschreitende Entwicklung der KI jegliche dieser Eigenschaften.
Auch im Bereich der Verantwortungsethik ist eine neue Diskussion über Schuld und die Grenzen menschlicher Verantwortung erforderlich, da der zunehmende Einsatz von KI, die autonom Entscheidungen trifft, eine eindeutige Zuordnung von Mensch vs. Maschine immer komplexer macht.22 Ein (christliches) Verständnis des Menschen als moralisches Subjekt könnte dadurch aufgeweicht werden.
Neben der Relativierung einer anthropozentrischen Perspektive und der Angst vor vom Menschen losgelösten Intelligenzen überwiegen jedoch die positiven Entwicklungsmöglichkeiten.
Die Auseinandersetzung mit KI eröffnet viele Chancen für eine Vertiefung und Erneuerung des christlichen Menschenbildes. Der Mensch könnte in seiner Empathiefähigkeit, Spiritualität und Beziehungsfähigkeit stärker als bisher als einzigartig und unverwechselbar herausgestellt werden. Darüber hinaus bietet die christliche Ethik eine wertvolle Grundlage für die Reflexion über einen verantwortlichen Umgang mit KI, insbesondere im Hinblick auf die Wahrung der Menschenwürde, die soziale Gerechtigkeit und die Begrenzung technischer Hybris.
Ein verantwortungsvoller und transparenter Umgang mit KI eröffnet zudem zahlreiche Chancen, um den zentralen Herausforderungen unserer Zeit effektiv zu begegnen. Insbesondere in den Bereichen Nachhaltigkeit, Wissensmanagement und der Entwicklung effizienter und kostengünstiger Technologien im Zuge des demografischen Wandels kann KI als transformative Kraft wirken.
Im Kontext der Nachhaltigkeit bietet KI innovative Ansätze zur Bewältigung von Umweltproblemen. Beispielsweise können KI-gestützte Algorithmen dazu beitragen, den Energieverbrauch in industriellen Prozessen zu optimieren, den Einsatz von Ressourcen effizienter zu nutzen und ökologische Systeme in Echtzeit zu überwachen. Dies könnte den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft erheblich beschleunigen.
Gleichzeitig revolutioniert die KI das Wissensmanagement, indem sie große Datenmengen analysiert und wertvolle Erkenntnisse generiert. Dadurch können interdisziplinäre Forschungsfragen angegangen und Wissen leichter zugänglich gemacht werden, was wiederum Innovationen fördert.
Darüber hinaus hat die KI das Potenzial, kostengünstige und effiziente technologische Lösungen zu entwickeln, die für eine breite Anwendung in der Gesellschaft zugänglich sind. Diese Technologien könnten einen Beitrag zur Reduktion sozioökonomischer Ungleichheiten leisten, indem sie Bildung, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur in peripheren Regionen verbessern.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Entwicklung und der Einsatz von KI sowohl das allgemeine als auch das christliche Menschenbild signifikant beeinflussen können. Um die mit dieser Technologie verbundenen Chancen und Herausforderungen angemessen einschätzen und ethisch verantwortbare Handlungsperspektiven entwickeln zu können, bedarf es einer fundierten interdisziplinären Reflexion.23
Ausblick
Die Arbeit mit KI in der Jugendarbeit eröffnet vielfältige Möglichkeiten, junge Menschen zu inspirieren und ihre Kompetenzen in Technik, Kreativität und kritischem Denken zu stärken. Von interaktiven Übungen über kreative Projekte bis hin zu ethischen Diskussionen bietet die KI-Expedition einen umfassenden Zugang zu einem der bedeutendsten Themen unserer Zeit. Die vorgestellten Methoden, Jugendliche zu motivieren, KI nicht nur zu verstehen, sondern auch verantwortungsvoll und kreativ zu nutzen, haben im Horizont der oben genannten theologischen Reflexion das Potenzial, die kirchliche Jugendarbeit nachhaltig zu prägen.
Anmerkungen
- Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ unterscheidet sich in zwei Hauptkategorien: Starke KI und schwache KI. Schwache KI, auch als „spezifische KI“ bezeichnet, ist darauf ausgelegt, spezifische Aufgaben auszuführen und dabei menschliches Verhalten nachzuahmen, ohne jedoch echtes Verständnis oder Bewusstsein zu besitzen (z. B. Sprachassistenten oder Bilderkennungssysteme). Starke KI, auch „allgemeine KI“ genannt, wäre in der Lage, jede intellektuelle Aufgabe zu bewältigen, die ein Mensch ausführen kann, einschließlich abstrakten Denkens, Problemlösens und Lernens in jedem Kontext. Bis heute existiert nur schwache KI in der Praxis, während starke KI noch ein hypothetisches Konzept bleibt.
- Laut der Shell-Jugendstudie (2024) stehen 47 Prozent der befragten Jugendlichen dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) positiv gegenüber, wobei junge Männer (55 %) zustimmender sind als junge Frauen (39 %). Die Mehrheit sieht Vorteile wie die Vereinfachung des Alltags (69 %) und Verbesserungen in Bereichen wie Medizin, Verkehr und Bildung (60 %). Gleichzeitig werden Risiken wahrgenommen: 65 Prozent befürchten unmenschliche Entscheidungen, 45 Prozent erwarten steigende Arbeitslosigkeit, und 31 Prozent fühlen sich überfordert. Angesichts dieser ambivalenten Haltung fordern 77 Prozent eine verpflichtende Kennzeichnung bei der Nutzung von KI. Vgl. https://kurzlinks.de/e7oy (26.02.2025).
- Vgl. https://kurzlinks.de/6sbp (26.02.2025) sowie https://kurzlinks.de/mcon (26.02.2025).
- Siehe dazu die Podcast Reihe des Deutschlandfunkes „KI verstehen“: https://kurzlinks.de/py4q (26.02.2025).
- In der ambivalenten Rolle als Bindeglied und Anfragende zugleich ist eine hohe digitale Wissenskompetenz und Reflexionsfähigkeit von hauptberuflichen Fachkräften verlangt. Hier entspricht das Anforderungsniveau dem von Lehrkräften an Schulen, vgl. z.B. https://kurzlinks.de/550m (26.02.2025).
- https://www.mentimeter.com.
- https://www.sli.do.
- https://openai.com/dall-e.
- https://deepai.org.
- https://kurzlinks.de/w5l7 (26.02.2025).
- https://kurzlinks.de/xwqk (26.02.2025).
- https://www.suno.ai.
- https://www.canva.com/de_de.
- https://runwayml.com.
- https://www.fotor.com.
- https://woebothealth.com..
- https://replika.com.
- Vgl. https://kurzlinks.de/dqyk (25.02.2025).
- Vgl. https://kurzlinks.de/5aoq (26.02.2025).
- Bias-behaftete KI-Anwendungen sind Systeme, deren Entscheidungen durch Verzerrungen beeinflusst werden, die aus voreingenommenen Trainingsdaten oder algorithmischen Strukturen resultieren.
- https://kurzlinks.de/dcna und https://kurzlinks.de/v5kt. Hier als Unterrichtsmaterial: https://kurzlinks.de/oux2 (alle 26.02.2025).
- https://kurzlinks.de/n3fu (26.02.2025).
- Ein erstes Angehen im universitären Kontext zeigt sich in der dazu eingerichteten Forschungsstelle der Universität Münster, vgl. https://kurzlinks.de/xs2n (26.02.2025).