Musik als Zeitkunst – Zeit in der Musik

von Silke Leonhard

Für phänomenologische und musikinteressierte Genießer*innen lohnen sich zwei Fundstücke zum Zusammenhang von Musik und Zeit:

„Musik als Zeitkunst“ ist der fünfte von ursprünglich vier geplanten Podcasts der Reihe „Philosophie trifft! Wie funktionieren Wissenschaften?“1. Mit diesem Podcast zum Blick (bzw. Klang) über den Rand der Wissenschaft in die Kunst der Musik wird der Universität Bremen von ihrem Philosophen Norman Sieroka und dessen Team ein Geschenk zum 50. Jubiläum überreicht.

Der Professor für Theoretische Philosophie Norman Sieroka und die Moderatorin Mahé Crüsemann empfangen zwei musikbeflissene Gäste: Der kirchenmusikalische Jazzer und Crossover-Künstler Uwe Steinmetz und die Hamburger Liedermacherin Anna Depenbusch gehen im Plauderton für eine gute halbe Stunde Aspekten der Wahrnehmung und des Umgangs mit Zeit in der Musik und ihren Melodien, Rhythmen nach. Dabei kommen Elemente von Komposition und Liedgestaltung, Improvisation und Rezeption zur Geltung. Die wechselseitigen Inspirationen, deren Emotionen, Berührungen, Lust und Hürden beim Musizieren der beiden Musiker*innen schärfen das Ohr der Hörenden für feinsinnige Aspekte von Zeit in der Musik und machen neugierig auf die Performances von Anna Depenbusch und Uwe Steinmetz – diese kann sich der geneigte Hörer im Anschluss an den Podcast selbst beschaffen.

Wussten Sie, dass zeitliche Melodieabfolgen als völlig logisches Nacheinander wahrgenommen werden? Stärker ausgearbeitet und als philosophisches Gespräch im Video auch sichtbar ist ein interdisziplinärer Dialog zum Thema „Zeit in der Musik“ zwischen dem Bremer Philosophen Norman Sieroka und der Frankfurter Musikwissenschaftlerin Melanie Wald-Fuhrmann. Dieser wurde während des Philosophie-Festivals zum Thema „Wo ist die Zeit?” aufgezeichnet, das 2023 in Hannover stattfand.  Das Eingangsstatement der empirischen Musikästhetikerin Fuhr-Waldmann gibt Wahrnehmungs- und Verstehenshilfen dafür, wie man quasi mit dem „Hörrohr“ der Musik Zeit wahrnehmen und mit den musikalischen Strategien der Zeitgestaltung Musik besonders verstehen lernt.

Der Philosoph und Physiker Sieroka nimmt in seinem Statement die Fäden auch unter physikalischem Blickwinkel auf. Dabei kommt die Verbindung von Zeit und Raum zum Tragen, Fragen der Wirkung und Beeinflussung bringen unterschiedliche Perspektiven ins Gespräch. Verbindungen zwischen musikalischen Stilmitteln wie z.B. Stauchung und Dehnung, Tempoaspekte, Steigerungen, Wiederholung etc. und musikalischen Genres wie z.B. Minimal Music zu knüpfen, ist ein Gewinn. In theologischer und religionspädagogischer Hinsicht lassen besonders die Passagen aufhorchen, in denen das Gespräch religiöse Erfahrung und Aspekte von Vergänglichkeit und Ewigkeit bedenkt – letztere nicht von ungefähr vor allem in geistlicher Musik.

Musik macht Zeit wahrnehmbar – mit den Ohren, aber auch mit Herz und Verstand. Solchen Gesprächen zu folgen, könnte zu manchem Kairos führen!
Und übrigens: Dies und noch viel mehr zu Zeit-philosophischen Themen inkl. Videos war und ist noch immer abrufbar über das Programm zum Festival der Philosophie mit dem Thema: Wo ist die Zeit?

 

Anmerkungen:

  1. www.uni-bremen.de/philosophie/forschung/theoretische-philosophie/podcast-philosophie-trifft