Splitter sind aus Holz gebrochen, sie sind aus Rissen im ehemals glatten Holz entstanden.Sie verletzen uns, weil sie sich unter unsere Haut bohren.
Sie lassen Finger bluten und schmerzen. Es sind oft nur kleine, winzige Wunden, aber sie tun weh. Sie machen verwundbar und lassen uns innehalten. Wir erkennen, dass wir nicht unbesiegbar sind, dass wir leiden und nicht mehr unversehrt sind.
Schmerzen lassen ebenso innehalten wie Störungen. Alles, was die Norm zerreißt, was Struktur unterbricht, verändert uns.
Die christliche Passionszeit ist so ein Innehalten, eine Veränderung, ein sich schmerzlich - und auch befreiend – Bewusst-Machen, dass wir verletzlich sind und dass eben nicht alles heil ist.
Als Christ*innen gedenken wir der Leidenszeit Jesu und gehen alles etwas anders an. Bewusster, ruhiger, getragener.
Das Religionspädagogische Institut Loccum hat kleine Passions-Splitter aus Worten gesammelt, um aufzuzeigen, wie in einzelnen Bereichen dieser Zeit von Aschermittwoch bis Ostern gedacht wird. Und welche Bedeutung diese sieben Wochen für die verschiedenen Arbeitsbereiche und Schulen hat.
Alles neu…
„Für viele Schüler*innen ist es tatsächlich völlig neu, dass es im Christentum auch eine Fastenzeit gibt; und wenige wissen, in welcher Art und Weise da überhaupt gefastet wird.“
Linda Frey, Dozentin für die Bereiche Gesamtschule und Gymnasium
Von der Ambivalenz des Lebens…
„Die Passionszeit bedeutet in meinem Arbeitsbereich: ein Innehalten, ein bewusster Verzicht, eine Wahrnehmung der Ambivalenz des Lebens – wenn diese besondere Zeit denn im Religionsunterricht oder im Schulalltag thematisiert wird.“
Kerstin Hochartz, Dozentin für die Bereiche Haupt- Real- und Oberschule sowie Vokation
Bewusster Verzicht, ohne zu leiden…
„In der Passionszeit erinnern wir Christ*innen an das Leiden von Jesus Christus, doch es geht uns evangelischen Christ*innen in dieser Zeit nicht darum, jetzt besonders stark zu leiden. So wie viele Menschen faste ich gerne in diesen Wochen und verzichte bewusst auf Dinge, die mich sonst viel Zeit kosten – damit ich Zeit dafür habe, neu zu denken.
Durch das Fasten wollen sich stattdessen viele bestimmte Dinge bewusst machen. Die Passionszeit ist für mich in diesem Duktus eine Zeit, um Entwicklungen in meinem Leben und in der Gesellschaft anzusehen, Ideen zu entwickeln, wie es auch anders gehen kann, und kleine erste Schritte in dieser Richtung auch zu gehen. Gut finde ich deswegen die Initiative „Klimafasten“, da kann man richtig tolle Ideen auch für die Schule finden!“
Bettina Wittmann-Stasch, Stellvertretende Rektorin, Dozentin für Schulseelsorge
Scheitern und Versagen als Chance…
„Die Passionszeit bedeutet in meinem Bereich der Theologischen Fortbildungen:
Der Gründer des Christentums ist gescheitert (Jesus stirbt trotz seines gewaltfreien Lebens am Kreuz), das Christentum ist eine Religion für Versager (Judas verrät Jesus, Petrus verleugnet Jesus, die Jünger fliehen bei der Verhaftung Jesu, Paulus bezeichnet sich als Schwächling); und der Hahn auf dem Kirchturm zeigt weithin sichtbar den Versammlungsort an, wo Menschen mit Versagensängsten willkommen sind (Petrus verleugnet Jesus dreimal, der Hahn kräht wie von Jesus angekündigt dreimal und Petrus fängt bitterlich an zu weinen, weil er versagt hat).“
Matthias Hülsmann, Dozent für Theologische Fortbildung
Den Fokus auf die Hoffnung legen…
„Die Passionszeit bedeutet in meinem Bereich den Umgang mit der Geschichte eines schweren Weges… und die Vermittlung von schwierigen Begriffen wie Opfer, Erlösung, Auferstehung. Besonders wichtig ist mir, den Fokus auf die Hoffnung zu richten und spürbar zu machen, was sie nach schweren Zeiten bedeuten kann.“
Sabine Schroeder-Zobel, Dozentin für Förderschule und Inklusion
Konzentration auf das, was trägt…
„Passionszeit, das ist die Zeit weniger für das alte Werbungsmotto: „I love Genuss sofort“ als mehr dafür: Ich verzichte auf etwas bis einiges, nicht zuletzt um Zeit und Muße für anderes zu gewinnen, wie zum Beispiel die Besinnung auf das Wesentliche, die Frage nach dem Eigentlichen, die Konzentration auf das, was mich trägt und was mir Halt gibt.“
Dr. Matthias Surall, Dozent für Medienpädagogik, Kunst und Kirchenpädagogik
Interview und Foto: Bianca Reineke, Öffentlichkeitsarbeit RPI