Theologin Gäfgen-Track: Umgang mit Julia Hamburg ist unanständig

Nachricht 15. November 2022

Hannover/Loccum (epd). In der Kontroverse um die Berufung von Niedersachsens neuer Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) in den Aufsichtsrat des Volkswagen-Konzerns erhält die Politikerin weitere Unterstützung aus der evangelischen Kirche. „Es ist unanständig, eine junge Frau, die in ihrer Rolle als stellvertretende Ministerpräsidentin dieses Amt übernimmt, öffentlich so fertigzumachen“, sagte die Bevollmächtigte der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Oberlandeskirchenrätin Kerstin Gäfgen-Track, am Wochenende in Loccum bei Nienburg. Dort sprach sie bei einer Konferenz des Religionspädagogischen Instituts für Elternvertreter.

Zuvor hatte der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Ulrich Hocker, die Grünen-Politiker als „offensichtliche Fehlbesetzung“ für das Kontrollgremium des Automobil-Konzerns bezeichnet und angekündigt, gegen ihre Berufung zu klagen. Gäfgen-Track sagte dazu: „Das geht überhaupt nicht. Ich bin überzeugt: Wenn Frau Hamburg ein Mann wäre, wäre ihr das nicht passiert.“ Amtsvorgänger im VW-Aufsichtsrat wie der gelernte Lehrer und frühere niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) seien auch nicht besser qualifiziert gewesen.

Offenbar sei die Sorge groß, dass da jemand über alternative Antriebe nachdenken und kritisch auf Manipulationen wie beim Dieselskandal schauen werde, sagte die Theologin. „Aber man muss doch nicht denken, nur weil jemand Fahrrad fährt, will er oder sie VW in Grund und Boden richten.“ Gäfgen-Track ergänzte, es sei für sie auch unverständlich, warum sich VW selbst nicht zu Wort melde und darauf hinweise, „dass es völlig okay ist, wenn eine demokratisch gewählte Politikerin in den Aufsichtsrat berufen wird“.

Zuvor hatte Hamburg bereits Rückendeckung von der Theologin und früheren Landesbischöfin Margot Käßmann sowie von Niedersachsens neuem Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) erhalten. Käßmann sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), eine Frau wie Julia Hamburg könne dem Gremium nur guttun. Hocker hatte eingewandt, als bekennende Radfahrerin ohne eigenes Auto und aufgrund fehlender Fachkompetenz sei die Grünen-Politikerin nicht für das Amt geeignet.