Kriminologe Pfeiffer warnt aus eigener Erfahrung vor Trickbetrügern

Nachricht 21. August 2022

Hannover (epd). Vor dieser Masche sind auch erfahrene Experten nicht gefeit: Der Kriminologe Professor Christian Pfeiffer (78) warnt aus eigener Erfahrung vor Schockanrufen von Trickbetrügern. Er sei im August selbst auf einen solchen Anruf hereingefallen, sagte Pfeiffer am Donnerstag in Hannover. „Ich habe mich in einer Weise verhalten, die ich nicht für möglich gehalten hätte.“ Für knapp eine halbe Stunde habe er die erfundene Geschichte geglaubt, die ihm die Betrüger aufgetischt hätten. Nur mit Glück sei er einem größeren finanziellen Schaden entgangen, berichtete Pfeiffer, der von 2000 bis 2003 für die SPD niedersächsischer Justizminister war.

Pfeiffer erhielt vor zwei Wochen einen Anruf auf seinem Handy: Seine Tochter habe einen Unfall verursacht und dabei ein siebenjähriges Mädchen totgefahren. Danach habe sie Fahrerflucht begangen. Eine vermeintliche Polizistin riet ihm zur Zahlung einer Kaution von 55.000 Euro, damit die Tochter nicht in Haft müsse.

Trotz seiner kriminalistischen Erfahrung wirkte der Anruf auf den Professor zunächst so glaubhaft, dass er das Gespräch fortführte. „Das fährt einem in die Glieder auf eine Weise, die mich emotional umgehauen hat. Ich habe keinen Augenblick daran gezweifelt, dass das passiert ist.“ Die Täter hätten den Namen seiner Tochter und die Farbe ihres Autos gekannt. Das Handy habe eine Nummer aus Hannover angezeigt. „Ich war dann nur noch ganz Ohr, um alles richtig zu machen.“

Nur durch Glück kam Pfeiffer den Trickbetrügern auf die Schliche, weil das Telefongespräch zwischendurch abbrach und er die richtige Polizei anrief, um sich wieder mit der vermeintlichen Polizistin verbinden zu lassen. Eine Beamtin klärte ihn auf, dass er es offenbar mit einem Täuschungsversuch durch Kriminelle zu tun habe. Gemeinsam mit der Polizei fingierte der Professor schließlich eine Geldübergabe mit einer Tasche voller Papier, die allerdings im Sande verlief. Die Täter blieben unerkannt.

Die Täter hätten es offenbar auf ältere Personen mit einem gewissen Vermögen abgesehen, vermutet Pfeiffer. Auf seine Adressdaten seien sie womöglich über die Mitgliederliste des Rotary-Clubs gestoßen. Das Auto könnten sie ausgespäht haben, und über das Kennzeichen könnten sie den Namen der Tochter ermittelt haben. Die vermeintliche Polizistin habe rechtlich plausibel argumentiert. „Sie wirkte fürsorglich, sie war clever, professionell und perfekt.“

Pfeiffer war von 1988 bis 2015 Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Der Jurist und Sozialpsychologe ist ein viel gefragter Experte für Kriminalitätsfragen. Er plädierte für eine kriminologische Dunkelfeld-Analyse für solche Fälle. Kriminalinspektorin Ingrid Rabbe-Bielinski erläuterte, viele Geschädigte schämten sich, Opfer von Betrügern geworden zu sein und machten ihren Fall nicht öffentlich. Unter ihnen seien Geschäftsleute und Professoren.

Hannovers Polizeipräsident Volker Kluwe sagte, die Spuren führten zu Call-Centern in der Türkei, aber auch in Polen, Albanien und den Niederlanden. Die Täter sprächen perfekt Deutsch. Kluwe appellierte an die Bevölkerung: „Glauben Sie nicht, so etwas könnte Ihnen nicht passieren!“ Wer einen solchen Anruf bekomme, solle am besten auflegen: „Sie dürfen unhöflich sein, denn es dient Ihrem eigenen Schutz.“ In jedem Fall sollten die Angerufenen die Polizei verständigen, damit diese den Tätern auf die Spur kommen könne.