Ukrainischer Schriftsteller Zhadan erhält Bremer Hannah-Arendt-Preis

Nachricht 17. Juli 2022

Bremen (epd). Der ukrainische Schriftsteller, Übersetzer und Musiker Serhij Zhadan (47) erhält den Bremer Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken 2022. Die Jury habe Zhadan als großen Erzähler gewürdigt, der die Tradition der mitteleuropäischen Literatur fortführe und zugleich revolutioniere, teilten die Initiatoren der Auszeichnung am Donnerstag in der Hansestadt mit. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis soll ihm am 2. Dezember im Bremer Rathaus überreicht werden.

Zhadan vermittele einzigartige Einblicke in die ukrainische Gesellschaft, führte die Jury in ihrer Begründung aus. „In seinen Büchern erfahren die Leser, wie aus einer durch Krieg und Not traumatisierten Masse von zersprengten Individuen immer wieder neue solidarische zivile Energie heranwächst.“

Er beschreibe die ukrainische Welt nicht nur, „sondern er hilft sie zu verstehen, in all ihrem Chaos, ihrem Leid, ihrer Menschlichkeit“, hieß es. Zhadan sei zugleich ein großer Bürger im Arendtschen Sinne, „der sich um die Gesellschaft sorgt, in der er lebt und arbeitet, indem er tatkräftig dazu beträgt, dass die Bürgerinnen und Bürger unter dem russischen Angriffskrieg den Mut nicht verlieren“.

Zhadan wurde in Starobilsk im Gebiet Luhansk geboren. Er studierte in Charkiw Literaturwissenschaft, Ukrainistik sowie Germanistik. Seit Anfang der 1990er-Jahre organisiert er Literatur- und Festivals. Er veröffentlicht Romane, Gedichte, Erzählungen und Essays, zuletzt den Gedichtband „Antenne“. In diesem Jahr bekommt er auch den mit 25.000 Euro dotierten Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, der ihm im Oktober überreicht werden soll.

Der Bremer Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken wurde 1994 ins Leben gerufen. Er wird von der Stadt Bremen und der Heinrich-Böll-Stiftung vergeben und ist mit 10.000 Euro dotiert. Die Auszeichnung erinnert an die in Hannover geborene deutsch-jüdische Politologin Hannah Arendt (1906-1975) und ihre Überzeugung, dass der Sinn von Politik Freiheit ist. 2021 ging die Auszeichnung an die US-Historikerin und Essayistin Jill Lepore. Weitere Preisträger sind unter anderen die russische Menschenrechtlerin Jelena Bonner sowie der frühere Bundespräsident Joachim Gauck.