Käßmann kritisiert Corona-Politik von Bund und Ländern

Nachricht 02. November 2020

Bonn/Hannover (epd). Die evangelische Theologin Margot Käßmann hat die fehlende Beteiligung des Parlaments an der beschlossenen Verschärfung der Corona-Regeln bemängelt. "Die Menschen haben das ungute Gefühl, es wird von oben durchregiert", sagte die frühere hannoversche Landesbischöfin am Samstagabend in Bonn. Die Parlamentarier, die die Stimmung aus ihrem jeweiligen Wahlkreis in der Debatte am besten reflektieren könnten, in dieser Krisensituation nicht zu beteiligen, "das ist ein Problem".

Die Corona-Politik von Bund und Ländern wirkt nach Käßmanns Worten konzeptionslos. Es sei für sie nicht nachvollziehbar, "wenn man in sechs Wochen Schulferien kein Konzept für die Zeit danach entwickelt, außer, die Ferien zu verlängern", kritisierte die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Sie nehme wahr, dass sich ein Gefühl der Hilflosigkeit und der Unmündigkeit breitmache. Käßmann mahnte: "Die Menschen wollen mitgenommen werden."

Es besorge sie, dass sich irreführende Verschwörungstheorien ausbreiteten. Auch werde der Widerstand gegen Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus aggressiver. "Wenn ich sage, die Masken sind der beste Schutz, werde ich mit bösartigen Mails beschimpft", berichtete Käßmann bei dem Open-Air-Talk vor der Bonner Kreuzkirche.

Die prominente evangelische Theologin appellierte an die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürgern. "Bestimmte Entscheidungen kann die Politik einem nicht abnehmen." Das sei auch die Botschaft des Reformationstages, der am Samstag bundesweit begangen wurde. Freiheit im christlichen Sinne sei die Freiheit vor Gott, vor den Mitmenschen, betonte Käßmann: "Wenn wir das ernst nehmen, dann hat der Mensch eine Haltung und ein Rückgrat.  Das ist das, was wir heute brauchen."

In einem Gottesdienst am Abend rief Käßmann zu mehr Respekt im Miteinander auf. Der Austausch unterschiedlicher Meinungen ohne körperliche oder verbale Gewalt sei "ein Herzstück der Freiheit", betonte sie in ihrer Predigt. Der Reformationsgottesdienst fand unter strengen Auflagen statt. Wegen der Corona-Schutzauflagen wurden in der Bonner Kreuzkirche, die für 1.200 Besucher Platz bietet, nur 250 Tickets vergeben. Die Feier wurde im Internet übertragen, Gemeinden luden zum Public-Viewing ein.

Der Reformationstag erinnert an die Anfänge der evangelischen Kirche vor rund 500 Jahren. Die vom Augustinermönch Martin Luther (1483-1546) um den 31. Oktober 1517 von Wittenberg aus verbreiteten 95 Thesen gegen kirchliche Missstände wurden zum Ausgang einer christlichen Erneuerungsbewegung.

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