Angstforscher Bandelow: In Corona-Krise nicht in Panik verfallen

Nachricht 17. März 2020

epd-Gespräch: Gunnar Müller

Göttingen (epd). Der Göttinger Angstforscher Borwin Bandelow rät dazu, angesichts der verschärften Situation in der Corona-Krise nicht in Panik zu verfallen und sich in Gelassenheit zu üben. "Das ist jetzt leider eine Angst, die man gewissermaßen aushalten muss", sagte Bandelow in Göttingen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch wenn sich schlimmere Meldungen in den kommenden Tagen verstärkten, würden sich die Menschen nach einiger Zeit an die neue Situation gewöhnen. "Und dann werden wir einen in Anführungsstrichen normalen Umgang mit der Angst führen."

Es gebe kaum noch Menschen in Deutschland, die nicht betroffen seien: durch Hamsterkäufe, geschlossene Geschäfte oder abgesagte Veranstaltungen. Die Angst, selbst infiziert zu werden, oder um Freunde und Familie in Quarantäne sei noch einmal größer geworden. Dennoch würden sich nach und nach die Menschen trotz Einschränkungen mit der Situation arrangieren. Ähnliches sei in Städten wie Kabul und Johannesburg sowie in Regionen zu beobachten, "in denen tagtäglich etwas Schreckliches passiert".

Bei Vorfällen wie einem Terroranschlag oder der Atomreaktor-Katastrophe von Fukushima gebe es die Regel, dass nach etwa vier Wochen die mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit trotz weiterhin bestehender Gefahren nachlasse, sagte der Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Uni Göttingen. Diese Regel greife jedoch erst ab dem Höhepunkt einer Krise - und diese wird aus Sicht von Bandelow erst in vielen Tagen oder Wochen erreicht sein.

Viele Menschen könnten, wenn sie unter häuslicher Quarantäne gestellt seien, durch die soziale Isolierung einen "Corona-Koller" bekommen, sagte Bandelow. "Man kann dagegen über soziale Medien Kontakt halten oder auch mit Video-Telefonie, damit man Angehörige und Freunde auch weiterhin sehen kann." Er empfahl Betroffenen, im Garten oder auf dem Balkon zu arbeiten, spazieren zu gehen und in der Sonne zu liegen. "Aber man kann natürlich keine Partys mehr feiern."

Der Forscher riet auch bei der Sorge um andere zu mehr Gelassenheit. "Ich rechne mir dann immer ganz rational vor, wie gering trotz allem die Wahrscheinlichkeit ist, daran zu sterben." Im Vergleich dazu stürben jedes Jahr 15.000 Menschen in Deutschland an Krankenhaus-Keimen.

Bandelow selbst hat sich inzwischen als Helfer in einem Corona-Untersuchungszentrum gemeldet. "Ich habe kein schlechtes Gefühl oder Angst dabei, mich anzustecken", sagte der 68-Jährige. Viele Menschen in Helferberufen fühlten sich momentan gebraucht, und es gebe ihnen ein positives Gefühl, anderen helfen zu können. "Ich gehe da mit einem gesunden Fatalismus ran", sagte der Wissenschaftler. Er habe ein Grundvertrauen, die Erkrankung zu überstehen, falls er sich selbst damit infizieren sollte.

epd lnb gum mig
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