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Trauer als gemeinsame Basis - Bei Stammtischen, Spaziergängen oder im Kochkurs kommen Menschen nach Verlusten zusammen - Von Karen Miether (epd)

Nachricht 20. November 2019

In der Trauer um einen geliebten Menschen können gemeinschaftliche Angebote mit anderen Betroffenen eine Hilfe sein. Die Angebote sind vielfältig.

Wolfsburg/Hannover (epd). Roland Mook weiß jetzt, wie Zwiebeln geschnitten werden, und auch ein kräftiges Gulasch ist für ihn kein Geheimrezept mehr. Mehr als 50 Jahre lang hat sein Lebenspartner für das Paar gekocht, bis er im vergangenen Jahr an einem Herzschlag starb. "Das kam plötzlich, das hatte keiner gedacht", sagt Mook, der lange Jahre ehrenamtlich andere in ihrer Trauer begleitet hat. "Und ich dachte, ich wäre mit dem Tod vertraut", fügt er an.

Seit Anfang des Jahres trifft sich der 77-Jährige alle zwei Wochen mit anderen Witwern in der Küche des Hospizhauses in Wolfsburg. Angeleitet durch eine Köchin bereiten sie jedes Mal drei Gänge zu. Bei der Kochgruppe für trauernde Männer gehe es ganz praktisch darum, sich selbst versorgen zu können sagt er. Und um mehr: "Die Hauptsache ist die persönliche Nähe zu den anderen."

Gemeinsame Angebote für Trauernde gibt es mittlerweile viele. "Die Bandbreite ist groß", sagt die Frankfurter Trauerforscherin Heidi Müller. Sie reiche von Gruppen, die zusammen in den Baumarkt gehen oder Malkurse über Trauerspaziergänge - bis hin zu festen, angeleiteten Trauergruppen, organisiert etwa von Wohlfahrtsverbänden, Privatpersonen oder Vereinen.

"Es sind soziale Gründe, die dazu geführt haben", sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Trauerzentrums Frankfurt/Main. Die Menschen würden älter, der soziale Zusammenhalt schwinde. Überwiegend suchten Menschen zwischen 40 und 65 Jahren Hilfe in den Gruppen, zumeist dann, wenn sie ihren Partner nach langer Krankheit verloren haben. Müller empfiehlt, sich nach den Fortbildungen der Gruppen-Begleiter zu erkundigen. Diese sollten mit aktueller internationaler Trauerforschung vertraut sein.

In Hannover lädt der Ambulante Palliativ- und Hospizdienst einmal im Monat zu einem Trauerstammtisch ein. Es sind zumeist Frauen, die dann am frühen Abend in einer Cocktailbar zusammenkommen, sagt Trauerbegleiterin Marion Wehrhahn. "Auch wenn sie sich erst fremd sind, öffnen sie sich immer wieder schnell. Denn sie haben eine gemeinsame Basis." Mit anderen in der gleichen Situation zu sprechen, sei oft einfacher, als Freunden oder Kollegen zu erklären, wie sich die Trauer anfühlt.

"Viele sind total hilflos", sagte eine der Frauen, die nach dem Tod ihrer Mutter regelmäßig zu dem Stammtisch kommt. "Die meisten schweigen das einfach tot. Das ist kein Thema, obwohl es mitten im Raum steht." Beim Trauerstammtisch dagegen kennen die anderen Situationen, in denen der Schmerz wieder aufbricht: "Wenn man jemanden sieht, der dem verstorbenen Menschen ähnlich sieht und das so triggert", sagt die 52-Jährige. Mitten in der Kneipe darf dann geweint werden. "Aber wir lachen auch und reden über anderes. Es gibt beides und das ist das Gute daran."

Der Trauerstammtisch steht unter dem Motto "Wir sind noch am Leben". Gespräche über gemeinsame Hobbys haben dort ebenso ihren Platz wie die Überlegung, vielleicht einmal zusammen tanzen zu gehen, erläutert Trauerbegleiterin Wehrhahn. "Wir wollen die Menschen auch zurück ins Leben schicken."

Die Begleitung durch Freunde könne wichtig sein, dennoch sei sie etwas anderes als die Gruppe Betroffener, sagt Norbert Muksch vom Bundesverband Trauerbegleitung. "Ein Freund wird das Bedürfnis haben, Trost zu spenden in einer Situation, die eigentlich trostlos ist." Etwa nach drei bis sechs Monaten könne es hilfreich sein, nach einer solchen Gruppe Ausschau zu halten. Doch das ist individuell. "Die meisten Trauernden haben dafür ein Gespür."

Trauer sei keine Krankheit, sagt der Theologe und Sozialarbeiter. "Trauer ist nicht das Problem, sondern die Lösung. Sie ist die Fähigkeit von Menschen, mit Verlust fertig zu werden." Wie lange jemand dazu braucht, ist laut Muksch ganz unterschiedlich. "Das übliche Trauerjahr mit dem emotionalen Weihnachtsfest, den Geburtstagen, Hochzeits- und Kennlerntagen macht als Grundregel einen Sinn." Aber das gelte nicht für alle.

Roland Mook bekommt beim Zwiebelschneiden vielleicht mal feuchte Augen. Aber Tränen seien in der Gruppe der kochenden Männer bisher nicht geflossen, sagt er. "Wir sind Männer, die unterdrücken ihre Tränen. Aber wir sehen trotzdem, was der andere empfindet."

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## Internet
www.palliativ-und-hospizdienst-hannover.de
www.hospiz-wolfsburg.de
https://bv-trauerbegleitung.de
www.trauerforschung.de