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Bild: Rainer Sturm  / pixelio.de

Anna-Katharina Szagun, Alle Wege gehst du mit - Ziele, Themen und Praxisvorschläge für die religiöse Erziehung in Krippe, Kita und Kinderkirche, Don Bosco Medien, München 2021, ISBN 978-3-7698-2512-1, 160 Seiten, 18,00 €.

Alle Wege gehst du mit

Die Wahrnehmung wächst, dass die evangelischen Kitas eine wichtige Rolle spielen, um Kinder in Berührung mit (christlichem) Glauben zu bringen. In vielen Familien kommt Religion kaum vor. Kinder begegnen im kirchlichen Kindergarten häufig erstmals christlichen Traditionen und Menschen, denen ihr Glaube wichtig ist.

Wie können evangelische Kitas Kinder auf dem Weg des Lebens und des Glaubens förderlich begleiten? Wie kann der Glaube zu einer Quelle werden, um Entwicklungsaufgaben zu bewältigen? Woran können sich pädagogische Fachkräfte und Pastor*innen orientieren, um die Kinder altersgerecht zu unterstützen? Diesen Fragen geht Anna-Katharina Szagun auch in ihrem jüngsten Buch nach. Das Besondere: Sie verbindet konzeptionelle Überlegungen zu Zielen und Inhalten religiöser Bildung mit praktischen religionspädagogischen Impulsen. Dazu greift sie zurück auf ihre Langzeitstudien zur religiösen Entwicklung von Kindern und auf erprobte Praxisprojekte, die sie in Kitas durchführt.

Im konzeptionellen Teil fasst sie kompakt zusammen, wie „Gott in Kinderköpfe kommt”. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass es in der religiösen Bildung nicht vorrangig um Wissen, sondern um das Spüren, Staunen, gemeinsame Erleben geht. Der wichtigste Zugang zu Religion liegt in als positiv und stärkend erfahrenen Resonanzbeziehungen. Religion „lernen” Kinder vor allem an und durch ihre Begleitpersonen. So kann Vertrauen angebahnt werden, das eine positive religiöse Grundhaltung ermöglicht und selbst als Halt und Hoffnung erlebt wird (Gottesbeziehung). Dafür sind „Basiskompetenzen” wichtig, die zum Staunen und Spüren anregen und durch Rituale, Lieder, Gesten entstehen.

Das Gottesverständnis, die kognitive Seite, braucht kontinuierlich Anregungen, Impulse und Möglichkeiten, die Kinder unterstützen, (religiöse) Begriffe zu klären, Teilverständnisse zu vernetzen, neu zu sortieren und anzureichern. Es geht um die Unterstützung eines Gottesbildes, das mitwachsen kann.

Das Gottesverständnis, das Szaguns Vorschlägen zugrunde liegt, skizziert sie mit zwei Akzenten: „Gott als das Geheimnis hinter der Welt”, als Quelle, die das Leben schenkt und als Kraft Menschen nahe ist. Damit grenzt sie sich von einem Gottesbild ab, der Menschen vor Schlimmen bewahrt, einem „Aufpasser-Gott”, den auch Kita-Kinder in Frage stellen. Das „Warum” von Zufällen, Krankheiten, Leid muss offenbleiben. Um sich Gottes verborgener Präsenz anzunähern, plädiert sie dafür, Kinder mit einer Vielzahl von Metaphern vertraut zu machen (und die für Kinder missverständlichen Begriffe „Herr” und „Vater” in den ersten Jahren nicht zu nutzen). Das erweitert ihren Spielraum, das eigene Leben auf Gott hin zu deuten.
Den zweiten entscheidenden Akzent markiert sie als Jesu „Reich-Gottes-Programm”: ein Modell für ein gelingendes Miteinander, ein solidarisches Teilen und eine wechselseitige Akzeptanz. Daran orientiert sie die Auswahl der Themen und biblischen Inhalte ihres „Fahrplans” für religiöse Bildung.

Im praktischen Teil führt sie diesen „Basiskurs” aus. Der thematische Bogen beginnt bei der Schöpfung, führt über Jesu Leben und Wirken zu (biblischen) Erfahrungen von Geborgenheit und Hilfe, Fehlverhalten und Anfängen, Teilen-Lernen, Abschiednehmen und Hoffen.

Jedes Thema wird mit theologischen und didaktischen Hinweisen eingeführt. Daran schließen sich die erhellenden „Lernarrangements” an: Hinführungen, Rahmengeschichten, Impulse, die einen lebendigen Eindruck vom methodischen Vorgehen vermitteln. Unterstützt wird dies durch viele Fotos, die einen Einblick in die praktische Umsetzung und das eingesetzte Material für Bodenbilder oder szenisches Spiel geben. Besonders hervorzuheben sind diejenigen Vorschläge, die das Thema oder die Erzählskizze altersgerecht variieren, um den unterschiedlichen Bedürfnissen und Voraussetzungen von Krippen-, Kita- und Vorschulkindern gerecht zu werden. Diese Passagen bieten Anregungen, wie eine biblische Geschichte mit unterschiedlichen Facetten mehrmals in der Kita-Zeit wiederholt werden kann. Hier zeigt sich eine Stärke von Szaguns Vorgehen, bei den Erfahrungen der Kinder anzusetzen und sie mit allen Sinnen zu beteiligen. So besteht die Chance, dass die Kinder Spiritualität und christlichen Glauben als Stärkung für ihr Leben entdecken.

Die Lektüre des Buches bietet einen mehrfachen Gewinn: Es enthält eine Fülle von handhabbaren Praxisideen. Sie eignen sich für Kita-Fachkräfte wie für Pastor*innen. Die Erzählskizzen sind eine gute Ausgangsbasis für eigene Versionen. Die konzeptionellen Überlegungen geben einen Anstoß für Kita-Teams und für das Zusammenspiel von Kita und Pastor*in, über Ziele und Wege der religiösen Bildung in der Kita ins Gespräch zu kommen.

Gert Liebenehm-Degenhard