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Matthias Marks
Religionspsychologie
Reihe „Kompendien Praktische Theologie”
Verlag W. Kohlhammer
Stuttgart 2018
ISBN 978-3-17-034062-6
192 Seiten, 28,00 €

Religionspsychologie ist zwar eine junge Wissenschaft, doch ist ihr Anliegen so alt wie das menschliche Fragen nach den Grundlagen der Existenz. So geht es weniger um Religion an sich oder um deren Inhalte, als vielmehr um den Versuch, religiöses Erleben und Verhalten zu verstehen. Der Mensch als religiöses Subjekt steht also im Mittelpunkt.

Matthias Marx, der über Religion und Kunst promoviert hat und derzeit als Gemeindepfarrer in Bielefeld tätig ist, bietet religionspsychologisches Grundlagenwissen, besonders im Blick auf verschiedene Arbeitsfelder der Praktischen Theologie. Wer den Theorieteil des Buches, er umfasst in etwa die Hälfte der knapp 200 Seiten, mit Gewinn lesen will, sollte möglichst seinen Frieden mit der Rezeption der Freudschen Psychoanalyse gemacht haben. Das Modell der „Triangulierung“ (Dreiecksbeziehung) als Modell der Subjektwerdung wird zunächst breit entfaltet: Das Kind nimmt selbst die Position des Dritten ein, es tritt aus der Undifferenziertheit heraus, es lernt mehr und mehr, sich als ein Selbst in der Welt mit anderen zu empfinden. Triangulierung dient dem Autor sodann als Schlüssel: z. B. für Grundvoraussetzungen der Symbolbildung, für Fragen der Religionskritik, für die Ambivalenz (unter Umständen auch das Gewalttätige) des Religiösen, aber auch für eine Verhältnisbestimmung von Triangulierung und Trinität.

Auch für den etwa seit den 2000er Jahren populären Begriff der Spiritualität trägt die psychologische Sicht etwas aus: „Spiritualität“ erscheint (im Gegensatz zu „Religiosität“) weniger traditionsgebunden und einengend, stattdessen unabhängiger, offener und spätmodern anschlussfähiger.

Die Pointe des Praxis-Teils besteht darin, dass die Religionspsychologie nicht als ein hinzukommender, eigenständiger Teilbereich der Praktischen Theologie gesehen wird, sondern, viel grundlegender, als eine Art Sehschule aller Teilbereiche. „Mit religionspsychologisch geschärfter Wahrnehmung kann der geistliche Schatz aus alten Gewändern befreit und mögliches Neuland entdeckt werden.“ (S. 139) So wird dann religionspsychologisch auf Gottesdienst und Predigt, auf Seelsorge und Kasualien, auf Bildung und Diakonie sowie auf die Pastoraltheologie geschaut. Hinzu kommen als weitere praxisrelevante Fragen, angenehm handfest formuliert: Wie viel Religion steckt in Tattoos? Heilende Kräfte aus dem Gebet? Warum ist Scheitern ein Tabu?

Die Knappheit des Buches ist Vor- und Nachteil zugleich: Man fühlt sich durchaus gut eingeführt, andererseits erscheint einiges nur angetippt. Gerade daher dürften für Lesende, die gern noch tiefer bohren möchten, die am Ende gegebenen „thematischen Literaturempfehlungen“ hilfreich sein: Hier werden 29 Suchaspekte genannt (z. B. Aggression, Opfer, Scham, Trauma, Mutter, Vater) und jedem einzelnen Aspekt ein Titel aus der gegenwärtigen Literatur zugeordnet.

Das Büchlein ist sicher keine Abendlektüre und erfordert etwas Arbeit, um erschlossen zu werden.

Christian Stasch